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1517 - 1717 - 1917

2. Jänner 2017 in Kommentar, 5 Lesermeinungen
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Aus meinem noch unvollendeten Roman „Moss oder das Konzil von Alexandria“. Gastbeitrag von Msgr. Peter von Steinitz


Münster (kath.net) (Die Szene spielt in einem Zugabteil) „Gestatten Sie, dass ich mich in das Gespräch einschalte,“ sagte jetzt eine Dame mittleren Alters, die den Platz neben dem Professor einnahm, „zu diesen ausgetüftelten theologischen Fragen kann ich natürlich nichts sagen, aber ich benutze die Gelegenheit, Sie, Herr Professor zu fragen, was ist eigentlich aus dem Lutherjahr geworden? Wäre nicht in diesem Herbst das fünfhundertjährige Jubiläum des Thesenanschlags? Ich möchte wetten, dass Sie etwas dazu sagen können, auch wenn Sie nicht evangelisch sind.“

Wieder machte der Professor einen leicht nervösen Eindruck. „Das Lutherjubiläum findet statt, natürlich. Soweit ich informiert bin, haben die evangelischen Mitchristen beschlossen, dieses Jubiläum nicht so aufwendig wie geplant zu feiern. Es gab da Misshelligkeiten. Der Zentralrat der Juden in Deutschland ist auf Betreiben des Jüdischen Weltkongresses in New York bei der Tutorin des Jubiläums, vorstellig geworden, nachdem ein Journalist der NAZ einen großen Artikel veröffentlicht hatte, in dem er eine ganze Reihe von antisemitischen Äußerungen des Reformators zur Sprache brachte.“

„Seltsam!“ sagte die Dame, „Dass das gerade jetzt ein Thema ist. Denn bekannt war das doch wohl schon immer, nicht wahr?“

„Gewiss. Allerdings hat man angenommen, dass diese Äußerungen des großen Reformators im Volk nicht bekannt seien. Schließlich hat er zu sehr vielen anderen Dingen etwas Großartiges gesagt. Auch für uns Katholiken ist er so etwas wie ein Erneuerer. Jedenfalls gibt es ernst zu nehmende Bestrebungen, Martin Luther zum Kirchenlehrer zu ernennen. Gerade nach den ökumenischen Fortschritten der letzten Jahre und den Veränderungen in Rom ist das gar nicht auszuschließen.“

Der Professor warf einen kurzen Blick auf Moss, seinen jungen Kritiker. Aber da meldete sich die Dame wieder: „Nun ja, man muss aber wohl auch an die Ökumene mit den Juden denken! Wenn Luther sagt, ‚die Juden sind junge Teufel, zur Hölle verdammt. Weg mit ihnen!’ dann ist das wohl nicht sehr hilfreich. Oder was meinen Sie, Herr Professor?“


Professor Fuchs räusperte sich. Das Gespräch mit der Dame behagte ihm genauso wenig wie das mit dem Jungen. Vor Jahren hatte er sich tatsächlich intensiv mit Luther beschäftigt, aber nach und nach war ihm die grobe Ausdrucksweise des Reformators zuwider. Zwar konnte er nicht umhin, den ‚Ökumenerummel’, wie er es insgeheim nannte, mitzumachen, aber seine Abneigung gegen die Person Luthers verließ ihn nicht.

Er wurde mutig: „Gnädige Frau, was Sie da zitieren ist noch gar nichts. Wie finden Sie denn dies: ‚Erstlich, dass man ihre Synagoga oder Schulen mit Feuer anstecke und was nicht brennen will, mit Erde überhäufe und beschütte, dass kein Mensch einen Stein oder Schlacken davon sehen ewiglich. Und solches soll man tun unserem Herrn und der Christenheit zu Ehren, damit Gott sehe, dass wir Christen seien ...“

„Das ist ja voll krass“, meldete sich Moss. „Haben Sie das auswendig gelernt?“

„Das nicht, aber ich habe dieses Zitat einmal in einem Artikel für die ‚Stimmen der Zeit’ verwendet, woraufhin es ein lebhaftes Hin und Her in Leserbriefen gab. Natürlich kann man solche Worte Luthers nicht auf die Goldwaage legen. Das war eben der Stil der damaligen Zeit.“
‚Aber saublöd finde ich es doch’, dachte er bei sich.

Die Dame mittleren Alters hatte inzwischen an der Diskussion Gefallen gefunden. Sie ließ die Kontroverse ‚Luther und die Juden’ beiseite und legte ein neues Thema auf.

„Entschuldigen Sie, Herr Professor Fuchs, aber das Phänomen der Jubiläen beschäftigt mich sehr. Wir haben ja in diesem Jahr noch zwei weitere runde Jahrestage...“

Sie machte eine kleine Pause und stellte zu ihrer Zufriedenheit fest, dass man ihr zuhörte. Alle Personen in dem Abteil fanden an dieser Person etwas Interessantes. Sie war mit ihren etwa fünfundvierzig Jahren eine attraktive Person, überdurchschnittlich gut gekleidet. Vor allem aber war es der Tonfall in ihrer Stimme, der nach Beachtung verlangte. Eine schöne, melodiöse Stimme, deren Wohlklang buchstäblich ins Ohr ging. Im übrigen fand das, was sie zu sagen hatte, offensichtlich allgemeines Interesse. (Die alte Dame mit der ironischen Bemerkung hatte das Abteil, wohl vorübergehend, verlassen.) Einzig das hübsche junge Mädchen konnte nicht in allem folgen, aber dafür ließ sie sich von dem eleganten Hosenanzug, den die Dame trug, mit dem mehrfarbigen Oberteil faszinieren. ‚Ganz klar Vero Moda’ dachte sie bei sich. ‚Anscheinend sind Dreiviertel-Ärmel wieder aktuell?’

„Ich habe immer gefunden, dass es doch eine tiefere Bedeutung haben muss, dass im Abstand von je zweihundert Jahren in Europa solche einschneidenden Ereignisse stattgefunden haben. Ich meine die Jahreszahlen 1517 – 1717 – 1917“.

Sie machte eine wirkungsvolle Pause. Niemand verstand, worauf sie hinaus wollte. Lediglich der Professor machte eine wegwerfende Handbewegung und sagte: „Aber das ist doch...“

Er wurde von dem jungen Moss unterbrochen, der sagte: „Na klar: 1517 Reformation, 1717 Freimaurer, 1917 Revolution in Russland.“

Die Dame blickte etwas irritiert, sah dann aber in das offene Gesicht des Jungen. Da war ein sympathisches Leuchten in seinen Augen, das ihr schon vorher aufgefallen war. Moss wiederum blickte hinüber zu dem unauffälligen jungen Mann, der ihn vorher ermahnt hatte, und der jetzt wiederum ein missbilligendes Gesicht aufsetzte.

„Das da drüben ist übrigens mein Bruder Charles. Er sagt immer, ich solle mich etwas mehr zurückhalten. Na gut, erklären Sie es uns“, sagte er mit einem verlegenen Lächeln, das, wie er aus Erfahrung wusste, alle Leute für ihn einnahm.

„Sie gestatten, dass ich mich vorstelle, mein Name ist Elisabeth Winter. Das mit den drei Jahreszahlen kann man als Zufall ansehen, aber vielleicht ist es doch mehr. In unserer Zeit ist man gewohnt, dass es immerzu und in jeder Hinsicht bergauf geht. Der Fortschrittsglaube blühte ja nicht nur im 19. Jahrhundert, auch in unserer Zeit mit ihren naturwissenschaftlichen Erkenntnissen und rasanten technischen Errungenschaften meinen viele, dass wir es doch ‚so herrlich weit gebracht haben’, um mit Goethe zu sprechen. In geistiger Hinsicht sieht es aber ganz anders aus. Da hat man bei näherem Hinsehen den Eindruck, dass es rasant bergab geht.“

Frau Winter blickte sich um. Man hörte ihr weiterhin zu, wenngleich das junge Paar und der dicke Mann offensichtlich nicht mitkamen. Die alte Dame war inzwischen zurückgekehrt, hatte aber Mühe, das Gesprächsthema einzuordnen.

Professor Fuchs lauschte interessiert und überlegte, ob er diese Frau Winter von einem im vorigen Jahr stattgefundenen Symposium her kannte. Sein Gedächtnis ließ ihn in letzter Zeit manchmal im Stich. Während sie aber ihre schöne Stimme erklingen ließ, kam er zu dem Schluss, dass er sie wohl doch nicht aus dem akademischen oder kirchlichen Raum kannte.

„Die drei Ereignisse bezeichnen drei sich steigernde Schläge. Der erste von Luther im Jahre 1517 geführte Schlag, eben der Thesenanschlag, trifft die Kirche. Der zweite 1717, die Gründung der Freimaurerei, richtet sich gegen die Person Jesu Christi. Man glaubt noch an Gott, aber nicht an den Mensch gewordenen Gott. Und was 1917 geschah in der bolschewistischen Revolution – das war der massive Schlag gegen Gott überhaupt.“

„Aber damit ist die Sause nicht zu Ende“, sagte jetzt der junge Moss. „Das 20. Jahrhundert hat mehrere atheistische Ideologien hervorgebracht, die alle krachend gescheitert sind.“

„Und wo stehen wir jetzt?“ fragte Professor Fuchs, der den etwas diffusen Wunsch hatte, das Gespräch wieder in die Hand zu bekommen. „Steht Europa nicht gut da, mehr als siebzig Jahre ohne Krieg? Das hat es nie gegeben.“

„Siebzig Jahre, wie die Babylonische Gefangenschaft der alten Israeliten“, hörte man die klangvolle Stimme der Dame. Eine leichte Ironie schwang darin mit.

„Ja, nur anders herum“, sagte Moss. Nicht siebzig Jahre Elend, sondern siebzig Jahre Wohlergehen. Die Frage ist nur, was ist für die Menschen besser?“

Es entstand eine Gesprächspause.

Peter von Steinitz, 1. Januar 2017


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