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| 'Der Sturm begann nachts halb drei Uhr'9. November 2011 in Chronik, 2 Lesermeinungen Der Pogrom am 9. November 1938 - verharmlosend «Reichskristallnacht» genannt - leitete eine neue Phase der Judenverfolgung ein. Von Christoph Arens (KNA) Bonn (kath.net/KNA) Dieses Gefühl von Angst und Schutzlosigkeit hat sie nicht mehr vergessen. Als Charlotte Knobloch als Sechsjährige am 9. November 1938 vor der brennenden Münchner Synagoge stand, spürte sie die Angst des Vaters, an dessen Hand sie lief. «In diesem Moment wurde mir die erschreckende Tragweite der Geschehnisse klar - wir waren jedes bekannten, gewohnten Ortes beraubt worden», hat die frühere Präsidentin des Zentralrats der Juden einmal erzählt. Niemand von den Umherstehenden habe etwas unternommen. Diese Teilnahmslosigkeit sei für sie als Kind «unverständlich» gewesen. «Da bin ich in Tränen ausgebrochen.» 73 Jahre ist das jetzt her. Am Abend des 9. November 1938 vollzog sich der bis dahin größte Pogrom der Neuzeit in Mitteleuropa. Nur wenige Meter entfernt von der Münchner Synagoge hatte NS-Propagandaminister Joseph Goebbels in einem Bierkeller das Signal zum Losschlagen gegeben. In seiner Hetzrede zum Gedenken an den Hitlerputsch vom 9. November 1923 wiegelte er die Parteigenossen auf. «Ich rede kurz vor der Parteiführerschaft. Stürmischer Beifall», notierte er am folgenden Tag in sein Tagebuch. «Alles saust gleich an die Telefone. Nun wird das Volk handeln.» «Der Sturm begann nachts halb drei Uhr», berichtete die «Neue Zürcher Zeitung» über die Ereignisse in Berlin. «Dunkle Gestalten durchzogen die Straßen und eröffneten mit Pflastersteinen ein Bombardement auf die Schaufenster, aus denen alle Gegenstände, die sich als Wurfgeschosse eigneten, genommen wurden, um mit ihnen die Spiegel, Glasbehälter und Beleuchtungskörper zu zertrümmern. Die Polizei blieb unsichtbar und antwortete auch nicht auf telephonische Anrufe der verängstigten Geschäftsinhaber.» 91 Tote, so lautete die offizielle Bilanz. Nach neueren Forschungen starben während und in Folge des Pogroms aber mehr als 1.300 Menschen; mehr als 1.400 Synagogen und Beträume in ganz Deutschland wurden verwüstet und etwa 7.500 Geschäfte geplündert. Mehr als 30.000 männliche Juden wurden in Konzentrationslager gebracht. Als Anlass für den vermeintlichen Ausbruch des Volkszorns nutzten die Nationalsozialisten die Ermordung des deutschen Botschaftsangehörigen Ernst vom Rath durch den 17-jährigen Juden Herschel Grünspan in Paris. Er wollte damit gegen die Abschiebung seiner Familie aus Deutschland protestieren. «Die Reichspogromnacht markierte den Übergang von der Diskriminierung und Ausgrenzung jüdischer Deutscher hin zur systematischen Verfolgung und Ermordung wehrloser Kinder, Frauen und Männer», analysiert Knobloch die Bedeutung dieses Tages. Von den Novemberpogromen führte der Weg nach Auschwitz, Treblinka und Buchenwald. Die Scherben der Schaufensterscheiben nahm der Volksmund zum Anlass, den Pogrom als «Reichskristallnacht» zu verharmlosen. Für die Schäden an Läden und Wohnungen mussten die Juden selber aufkommen. Versicherungszahlungen wurden ihnen nicht zugestanden. Stattdessen verlangte die Reichsregierung von ihnen eine Kontribution in Höhe von einer Milliarde Reichsmark als vermeintliche «Sühneleistung». 73 Jahre später zeigt sich der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, optimistisch in Bezug auf das Verhältnis zwischen Deutschen und der jüdischen Gemeinschaft. Es sei «ein enormes Kompliment für die Menschen in Deutschland», wenn jüdische Menschen heute wieder bereit seien, «ihre Zukunft und die Zukunft ihrer Enkel diesem Land anzuvertrauen», erklärte er. An die Mitglieder der jüdischen Gemeinden in Deutschland appellierte Graumann: «Wir müssen weg von dieser Shoah-Bunker-Mentalität». Er selbst sei noch «mit einem verqueren, verquasten, verkrampften Verhältnis zu Deutschland» aufgewachsen, doch in den vergangenen Jahren sei «einiges erreicht worden». Als Beispiel erzählt Graumann, er habe erlebt, wie Juden «mit lauten, fröhlichen "Deutschland, Deutschland"-Rufen und schwarz-rot-goldenen Trikots" bei einem jüdischen Sportfest aufmarschierten. «Das hat mich sehr bewegt», so Graumann, «Wie schön ist das doch, wie unverkrampft!». (C) 2011 KNA Katholische Nachrichten-Agentur GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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