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Letztes Adieu: Joachim Kardinal Meisner R.I.P.

7. Juli 2017 in Deutschland, 9 Lesermeinungen
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"Ich vermisse ihn jetzt schon." Gastbeitrag von Paul Badde - Fotostrecke


Vatikanstadt (kath.net/CNA Deutsch) "Man muss seine Koffer immer gepackt haben", sagte mir Joachim Kardinal Meisner im März 2008 auf dem Petersplatz, nachdem ich zuvor einen kleinen Schlaganfall erlitten hatte, von dem er gehört hatte.

Nun hatte er seine Koffer sicher selbst gepackt, wie es die Nachrichten über seinen überraschenden Tod nahelegen.

Am Wochenende hat Erzbischof Gänswein ihn noch zufällig in Bad Füssing in Bayern erlebt, ein wenig abgekämpft, doch standfest wie immer. Vorgestern hat Kardinal Meisner, wie der Sekretär Benedikt XVI. uns gesagt hat, dann noch ein letztes Mal mit dem zurück getretenen Papst am Telefon gesprochen, bevor er in der Früh mit dem Brevier in der Hand tot aufgefunden wurde, bereit zur letzten Messe, die er danach schon im Himmel gefeiert hat. Einen schöneren Tod – als im Gebet! - konnte es für einen so leidenschaftlichen Priester wie Joachim Meisner kaum geben.

Das ist das eine. Die Trauer über den Verlust dieses Giganten unter den deutschen Bischöfen ist dennoch groß. Vor wenigen Wochen hatte er mich noch angerufen, weil er ein Foto Papst Benedikt XVI. gerne haben wollte, dass er von ihm im "Vatican-Magazin" entdeckt hatte. Kein Wort der Klage darüber, dass dessen Nachfolger Papst Franziskus ihn nicht mehr zur Audienz empfangen wollte. Von einem letzten Adieu konnte da noch keine Rede sein.

Er war ein enger Freund Johannes Paul II., der seine "slawische Seele" liebte und rühmte. Das hatte ihn aber nie gehindert, dem polnischen Papst freimütig zu widersprechen, wenn er mit ihm nicht überein stimmte. Ebenso freimütig hatte er danach auch Benedikt XVI widersprochen, wenn er es für nötig hielt. (Und so hat er es natürlich auch mit dessen Nachfolger zu Lebzeiten gehalten.) Doch zuerst einmal hatte Kardinal Meisner Kardinal Ratzinger vor und nach der Papstwahl im April 2005 kategorisch und eindringlich darauf verpflichtet, die Wahl zur Nachfolge Petri auch unbedingt anzunehmen, nachdem er selbst im Konklave ein Komplott der so genannten Sankt Gallen-Gruppe gegen eben diese Wahl aufgedeckt und vereitelt hatte. Damals war er zum "Papstmacher" geworden, neben dem Heiligen Geist natürlich. "Heute habe ich gekämpft wie noch nie in meinem Leben", sagte er damals zu mir auf dem Heimweg von der Sixtinischen Kapelle zu seiner Herberge am Abhang des Gianicolo-Hügels. Mehr durfte er nicht sagen.

Doch die Glut dieses Kampfes war ihm damals noch regelrecht anzusehen. Er war auf jeder Kanzel sehr sprachgewaltig, doch vor allem im Deutschen. Ohne das entsprechende Vokabular einen leidenschaftlichen Überzeugungskampf in dem polyglotten Zirkel der Kardinäle aus aller Welt zu führen, war etwas ganz anderes. Die Glut dieses Kampfes ist auch noch auf einem bemerkenswerten Foto unmittelbar nach dem Konklave festgehalten, als alle Kardinäle sich neben der Cappella Sixtina in der anschließenden Sala Ducale aufstellten, mit dem kleinen neuen weißen Papst in der Mitte und rechts neben ihm – in einem Meter Abstand – Joachim Meisner, daneben noch einmal ein Meter Abstand, als würde ihn noch keiner zu berühren wagen. Und der Rest aller Kardinäle um dieses Paar herum dicht gedrängt.


Wir waren uns damals gerade besonders nahe gekommen, weil er – trotz des unmittelbar voran gegangenen Todes Johannes Paul II. am 2. April 2005! –einen im Januar zuvor vereinbarten Reisetermin am 4. April nach Manoppello unbedingt wahrnehmen wollte, wo er das Schweißtuch Christi kennen lernen wollte. Das Unternehmen war verrückt: während gerade Medienvertreter aus aller Welt nach Rom strömten, saßen wir morgens um 7 mit ihm im Auto auf der Autostrada quer durch Italien, um das vergessenste Heiligtum Italiens an der adriatischen Küste aufzusuchen. Meine Kollegen in Berlin wären ausgeflippt, wenn sie davon erfahren hatten. In Manoppello war Kardinal Meisner in all seiner Nüchternheit überwältigt von der Begegnung. "Das Antlitz ist die Monstranz des Herzens. Auf dem Volto Santo wird das Herz Gottes sichtbar. + Joachim Card. Meisner, Erzbischof v. Köln / Pax vobis! 4.4.2005" schrieb er nachher lakonisch ins Gästebuch des Heiligtums, die Monstranz mit dem heiligen Schleier dabei neben sich auf dem Schreibtisch. "Heute bin ich dem auferstandenen Herrn begegnet!" sagte er am Nachmittag desselben Tages dem Kardinal-Dekan Joseph Ratzinger. An diesem Tag wurde er zum Wegbereiter der Rückkehr vom authentischen Abbild "des menschlichen Gesichtes Gottes", das Benedikt XVI nach seiner Wahl nicht mehr zu rühmen aufhörte, bevor er es selbst – auf den Fußspuren Joachim Kardinal Meisners! – am 1. September 2006 als erster Papst nach über 400 Jahren persönlich aufsuchte.

Im Sommer darauf schickte Kardinal Meisner – wenn ich mich in dem Datum nicht irre – die halbe deutsche Bischofskonferenz mit einem Bus von Rom in die Abruzzen zu dem Schweißtuch Christi, deren Mitglieder zwar alle den Bischofsstab mit ihm teilten, doch nicht unbedingt seinen festen Glauben an jedes Wort des rundum unglaublichen christlichen Credos. Er hat es ganz und gar geglaubt, weshalb er auch von vielen Mitbrüdern wegen seines Kinderglaubens auch oft und immer wieder belächelt wurde, die in insgeheim als einen unterbelichteten Oberhirten aus der DDR schmähten, dem die neuesten Erkenntnisse des westlichen Theologie noch nicht richtig aufgegangen seien. Da war etwas dran. Er stand nie skeptisch klügelnd über der heiligen Schrift. Er lebte in ihr, und in der Welt des Heiligen und der Heiligen, besonders in der Welt der von ihm so geliebten Muttergottes.

Jetzt wird Sie ihm sicher an der Himmelspforte entgegen geeilt sein, um ihn persönlich im Empfang zu nehmen, vielleicht mit Johannes Paul II, der ihr sein Leben mit der gleichen vollen Hingabe geweiht hatte wie Joachim aus Breslau: TOTUS TUUS.

Ich habe ihn am heiligen Grab in Jerusalem getroffen, auf dem Golgatha-Hügel, in der Dormitio-Abtei auf dem Zionsberg, in Bethlehem, auf dem See Genezareth – und immer wieder in Rom. In Toronto hatte er mir im Sommer 2002 frühmorgens auf der Straße versprochen, dass der nächste Weltjugendtag 2005 in Köln ein "heiliger Karneval" werden würde. Im Konvent de Salesianer in Beit Jallah bei Bethlehem war er vor 17 Jahren von dem Glauben der Alumnen so ergriffen, dass er meinte, jederzeit den heiligen Don Bosco durch die Tür ins Refektorium eintreten zu sehen.

Sehr oft wurde er für mich danach zu einer Art letzter Instanz, wenn ich für die WELT Artikel geschrieben hatte, von denen ich mir nicht ganz sicher war, ob man das auch guten Gewissens so sagen könne und ob meine Informationen auch verlässlich waren. "Nur zu!" ermunterte er mich dann fast immer recht heiter: es sei schon so, wie ich es aufgezeichnet hatte, doch im Grunde sei alles noch viel dramatischer.

Im Petersdom in Rom teilten wir lange Zeit denselben Beichtvater (der ihm allerdings etwas zu liberal war für die doch eher konservativen Sünden, die er – und ich – dort zu beichten hatten). Dort, vor dem Petrusgrab, liefen wir uns auch einmal über den Weg, als ihm einer seiner engsten Mitarbeiter für die Priesterausbildung gerade gestanden hatte, dass er homosexuell sei und das fortan auch offen ausleben möchte. Nichts Menschliches war ihm jemals fremd. "Joachim, das hast Du gut gemacht", hieß unsere letzte Titelgeschichte im Vatican-Magazin über ihn , und dieses Wort seiner Mutter rufen wir ihm auch jetzt gern noch einmal nach.

Nach unserer Reise nach Manoppello am 4. April 2005 hatten wir schließlich zusammen auf Armlänge vor dem aufgebahrten heiligen Johannes Paul II. in der Sala Clementina zusammen einen letzten Rosenkranz gebetet – nach einem Rosenkranz auf der Hinfahrt und einem auf der Rückfahrt. Ich wurde an dem Tag trotz der weiten Reise an der Seite des Kölner Kardinals zum einzigen unter allen Kollegen in Rom, der den toten Papst noch einmal von Nahem sehen und für meine Zeitung beschreiben durfte. Und jetzt wird der große Heilige ihn auch sicher ohne Umstände und subito im Himmlischen Jerusalem zu jener päpstlichen Audienz empfangen, die ihm sein Nachfolger hier unten in dem etwas eng gewordenen Rom nicht mehr gewähren wollte. Zusammen bleiben diese beiden Freunde der geprüften Kirche Christi auf der Erde aber nun – im Chor der Engel und Heiligen - wohl näher erhalten als es ihnen je zuvor möglich war. Ich freu mich darauf, ihn wieder zu sehen.

Stimmt alles, und dennoch: ich vermisse ihn jetzt schon.

Kardinal Meisner in Rom


Kardinal Meisner schreibt in das Gästebuch des Volto Santo in Manoppello (April 2005) - direkt vor dem Schweißtuch


Kardinal Meisners Eintrag in das Gästebuch des Volto Santo in Manoppello


Kardinal Meisner betrachtet das Volto Santo in Manoppello


Kardinal Meisner und Paul Badde


EWTN - Joachim Kardinal Meisner - Bilder, Menschen, Emotionen



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Lesermeinungen

 Waldi 7. Juli 2017 
 

Noch ein kurzer Nachtrag:

Ich habe ehrlich versucht einen ebenbürtigen und im Glauben so standhaften Gottesmann wie den großartigen Joachim Kardinal Meisner in der DBK ausfindig zu machen - es ist mir nicht gelungen! R.I.P., verehrter Kardinal Meisner.


4
 
 Waldi 7. Juli 2017 
 

Kein anderer...

hat die meisterliche Fähigkeit, den Nachruf auf den großartigen Joachim Kardinal Meisner so tief bewegend, warmherzig und mitreißend zu formulieren, wie der von mir so sehr geschätzte Paul Badde. Er findet immer zur richtigen Zeit die richtigen Worte. Besonders dieser Satz von Paul Badde, bewegt mich tief: "Und jetzt wird der große Heilige, (Papst Johannes Paul II.), ihn auch sicher ohne Umstände und subito im Himmlischen Jerusalem zu jener päpstlichen Audienz empfangen, die ihm sein Nachfolger hier unten in dem etwas eng gewordenen Rom nicht mehr gewähren wollte". Ob dem Papst Franziskus das Ableben von Joachim Kardinal Meisner auf die Barmherzigkeits-Drüse drückt, weil er ihm zu Lebzeiten die Antwort auf die "Dubia" und die erbetene Audienz verweigert hat? Rom ist nicht nur eng, sondern auch kalt geworden. Für mich ist Maria Vesperbild die rettende Oase geistiger Erbauung, wo ich demnächst auch im Gedenken an Joachim Kardinal Meisner eine Kerze an der Fatimagrotte anzünden werde.


1
 
 bergkristall 7. Juli 2017 
 

Kardinal Meisner RIP

Ein treuer Diener Gottes und ein Mann nach dem Herzen Gottes.


9
 
 Vermeer 7. Juli 2017 

O-Ton Joachim Kardinal Meisner:

"Das Leben der Menschen - privat und öffentlich - gleicht oft einer Gletscherlandschaft: glänzend, aber kalt; glatt, aber unter dem Gefrierpunkt. Das Gebet der Kirche: "Entzünde in uns das Feuer deiner Liebe" ist von hoher Aktualität."


6
 
 Vermeer 7. Juli 2017 

Danke

für diesen Artikel der eine gewisse Form der Freundschaft beschreibt. Diese persönliche Inbrunst der Liebe zu Christus, die vor allem unser großer Benedikt XVI so unsagbar tief in Worte fassen konnte, teilen wir miteinander. Kardinal Meisner war tatsächlich ein großer Kardinal, ein Fels in der Brandung des elenden Zeitgeistes. Ein Spruch, gehört im Kölner Dom während einer seiner Sonntagsmessen-Predigten bleibt mir besonders in Erinnerung (sinngemäß): Wir leben in einer arktischen Gletscherwelt- unendlich gleißend und glitzernd und dabei eiskalt.


11
 
 Herbstlicht 7. Juli 2017 
 

@Archangelus

Nur kurz zu den letzten Zeilen Ihres Kommentars:
Es wäre Papst Franziskus wirklich von Herzen zu wünschen, dass er sich durch den Tod Kardinal Meisners veranlasst sehen könnte, sein Verhalten den vier Kardinälen gegenüber ehrlich und selbstkritisch zu überdenken.
Immerhin sind es jetzt noch drei, denen er seine Aufmerksamkeit schenken könnte.


11
 
 Genesis 7. Juli 2017 

Vergelt´s Gott Paul Badde

für diesen liebenswerten Artikel, der sehr zu Herzen geht!
Leider bin ich ihm nie persönlich begegnet, aber dennoch werde ich ihn sehr vermissen. Kardinal Meisner war für mich jemand, zu dem ich wie zu einem Vater "aufgeschaut" habe. Ich wusste "instinktiv":dieser Person kannst du dein Leben anvertrauen. Diese Person weiß ganz genau, wie man das Seelenheil erlangt.
Ob zwischen ihm und unseren Heiligen ein Blatt Papier passt?


8
 
 Magdalena77 7. Juli 2017 

Herr Badde, vielen Dank für diese wunderbaren und wertvollen Erinnerungen! Ihre Erfahrungen bestärken mich in der Ansicht, dass Kardinal Meisner eine durchweg außergewöhnliche Gestalt der Römisch-Katholischen Kirche war und ist...


7
 
  7. Juli 2017 
 

Danke, lieber Paul Badde

Mir kamen beim Lesen dieses besonderen Nachrufs die Tränen. Zutiefst ergriffen haben wir uns das Volto Santo in Manoppello angeschaut und den Eintrag von Kardinal Meisner gelesen " Das Antlitz ist die Monstranz des Herzens" Eine wunderbare Replique zwischen zwei Glasscheiben steht hier neben mir an meinem Arbeitsplatz neben einem Bild von Sieger Köder mit Don Bosco, dem ich seit über zwanzig Jahren mein Leben widme. Unsere schlesischen Vorfahren, sein Humor und sein "Kinderglauben" verbinden uns, so wie Don Bosco und Mutter Teresa. Ja, er ist wahrlich von der einen Hand Gottes in die andere gefallen und nun ist er glücklich mit den himmlischen Heerscharen. Und doch, das sage ich ganz ehrlich, diese Schmach von Seiten des Stellvertreter Gottes auf Erden, aus einer Überheblichkeit heraus, die niemandem zusteht, hätte ihm erspart bleiben können und hat ihm vielleicht sogar das Herz gebrochen.


14
 

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