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| „Das Problem ist nicht, dass Jesus zu schlafen scheint … sondern seine Süßwassermatrosen“3. Juli 2021 in Spirituelles, 4 Lesermeinungen „Seid ihr bereit, in Frankreich Missionare zu werden, diesem Land, das agnostisch wurde, mit einer vagen, einer sogar als dekadent beschriebenen Moral, mit einer nicht wirklich existierenden Ethik?“ Von Juliana Bauer Paris (kath.net) Zu dem Evangelium „Die Stillung des Sturms“ (Mk 4,35-41; Matth. 8,23-27; Lk 8,22-25) gibt es eine Vielfalt an Predigten, die sich deutend mit diesem Text auseinandersetzen. Einmal wird der Akzent auf den Sturm selbst gelegt und die Lebenssituation des Menschen, der immer wieder von „Stürmen“ jeder Art heimgesucht wird, dahinter gesehen, das rettende Ufer schließlich in Sicht. Ein anderes Mal stehen die im Boot sich befindenden Jünger in ihrer Ruhe- und Orientierungslosigkeit und damit als Bild für den heutigen Menschen im Zentrum der Betrachtung – eine Betrachtung, die auch den schlafenden Jesus als „Fingerzeig“ dafür sieht, diese menschliche Rastlosigkeit zu zähmen, um eine „neue Tiefendimension des Lebens“ zu gewinnen (St. Rochus, Mainz, Juni 2000). Auch Erzbischof Aupetit nimmt bei der Auslegung dieses Evangeliums, wie es uns Markus überliefert (Mk 4,35-41), die Jünger Jesu in den Blick. Im Grunde nur sie, doch letztlich ganz auf Christus hin orientiert. Seine Predigt am 20. Juni in Saint-Germain l’Auxerrois, Paris, folgt auf die umfassende Pro-Life-Predigt und dürfte die letzte Sonntagspredigt vor seiner Sommerpause gewesen sein. Kurz ist sie dieses Mal, seine Homilie, aber aussagekräftig. Und sie veranschaulicht wieder eine eigene, ja fast eigenwillige Interpretation, konkret auf die, gerade auch französische, Aktualität bezogen, jedoch übertragbar auf sämtliche Umstände und auf alle Christen des gegenwärtigen Europa, unabhängig von ihrem Land. „Jesus sagte zu seinen Jüngern“ beginnt Michel Aupetit schlicht und ohne Umschweife: ‚Lasst uns auf die andere Seite des Ufers gehen.‘ Dann wird seine Stimme lebendig, als er seine Gemeinde direkt anspricht: „Und ihr, Brüder und Schwestern, seid ihr bereit, auf die andere Seite des Ufers zu gehen? Wenn Jesus seine Jünger auf die andere Seite führt, heißt das“, so Mgr Aupetits eindringliche Erläuterung, „dass er sie aus der jüdischen Welt hinausführt in die heidnische Welt, aus einer Welt, die den einen Gott anbetet, hinaus in eine ungewisse, unbekannte und fremde Welt mit vielfältigen Glaubensüberzeugungen.“ Möglicherweise dachte er an dieser Stelle an die vielen jungen Katechumenen seines Bistums, die oft aus den verschiedensten Glaubensrichtungen kommen. Wieder spricht er die Gläubigen unmittelbar an: „Und wir? Sind wir bereit, das Risiko einzugehen, uns auf die andere Uferseite einer ignoranten, sogar feindlich anmutenden Welt zu begeben? Kurz gesagt: Seid ihr bereit, in Frankreich Missionare zu werden, diesem Land, das agnostisch wurde, mit einer vagen, einer sogar als dekadent beschriebenen Moral, mit einer nicht wirklich existierenden Ethik, auch wenn ihr die Vorsilbe ‚Bio‘ vorangestellt ist.“ Damit spielte Michel Aupetit auf die Bio-Ethik-Gesetze an, gegen die er mehrfach Stellung bezog; einen umstrittenen „Meilenstein“ brachte die französische Nationalversammlung am 29.Juni ins Rollen: sie besiegelte die In-Vitro-Fertilisation von lesbischen und alleinstehenden Frauen durch fremde Samenzellen. „Ihr müsst nicht sehr weit gehen, um auf die andere Seite zu gelangen“, meint Mgr Aupetit dann mit Blick auf die christliche Verkündigung. „Ihr müsst nur die U-Bahn nehmen, zur Arbeit gehen, zu Familientreffen gehen, in Fußballstadien. Das ist es, was heute unter dem Begriff ‚auf die andere Seite gehen‘ zu verstehen ist. Aber vielleicht habt ihr Angst.“ Was er sich in diesem Moment, wie er offen zugibt, auch selbst eingestehen muss. „Vielleicht habt ihr Angst vor den Stürmen, die eure Kühnheit, euer Wagemut dann entfesselt? Wie die Jünger möchtet ihr zweifellos, dass Jesus die Arbeit macht.“ Ein fast schelmischer Erzbischof steht vor seiner Gemeinde. „Das ist normal, nicht? Schließlich ist er der Sohn Gottes, er ist es, der uns rettet. Wenn er nur aufwachen würde! Wenn er sich nur rühren würde.“ Und dann nimmt er die Klagen auf, wie sie die Menschen äußern: „Schau, Herr, man lacht uns aus, man verspottet uns, man geht sogar so weit, uns zu verprügeln, weil wir friedliche Prozessionen machen, wie wir es schon immer taten, ohne jemanden zu belästigen oder in Verlegenheit zu bringen. Ja, macht dir das denn nichts aus? Wach auf!“ Hier folgte eine Anspielung auf den Antifa-Angriff auf die katholische Prozession Ende Mai in Paris, der Erzbischof Aupetit jedoch empörte und gegen den er sich auch bei den zuständigen Behörden klar und deutlich zu Wort meldete. „Ihr denkt zweifelsohne, dass der Herr im Boot der Kirche, die allen Winden ausgesetzt ist, schläft. In Wirklichkeit stellt sich das Problem, wenn ich es so betrachte, nicht darin, dass Jesus zu schlafen scheint…, die Schwierigkeit sind seine Teamkollegen, seine ‚Süßwassermatrosen‘, die Jünger von gestern und heute, die voller Angst vor den Gegenwinden sind.“ Es ist eine feine Spitze, aber immer noch verschmitzt, die Michel Aupetit austeilt und damit die vielfache Schwäche der Nachfolger Jesu, letztlich aber sämtlicher Jünger ein Stück bloßlegt. „Aber unser Friede, unsere Gelassenheit kommt nicht von Jesu Handeln, der an unserer Stelle alles tun würde. Unser Friede kommt davon, dass der Herr bei uns ist. Er ist im Boot, im Boot der Kirche. Wie hätte das Schiff sinken können, wenn Jesus gegenwärtig ist, er, der Sohn Gottes, das schöpferische Wort, die Quelle des Lebens? Ach, Männer mit geringem Glauben! Ist Jesus nicht da, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind? Ist Jesus in der Eucharistie nicht wirklich gegenwärtig, wo er uns seinen Leib als Nahrung gibt? Ist Jesus nicht anwesend, wenn ihm die Tür des Herzens geöffnet wird, dort, wo er anklopft…? Ist Jesus nicht anwesend, wenn er durch den Mund des Priesters Sünden vergibt? Ihr seid im Boot der Kirche, dieser Kirche, die euch durch die Taufe zu Söhnen und Töchtern Gottes gemacht hat, dieser Kirche, die euch durch die Eucharistie nährt, dieser Kirche, die euch durch die Beichte vergibt, wie sie Christus für euch einführte. Weil seine Leute dort gerade keine Süßwassermatrosen sind.“ Aupetit zielt ganz offensichtlich darauf ab, dass die Beichtenden ihre Schwäche und Schuld er- und bekennen und folgert dann: „Es ist wohl an der Zeit, dass wir aufwachen… Wir wissen, dass der Leitsatz von Paris lautet: ‚fluctuat nec mergitur.‘ (Anm.: Dieser ist auf die auf der Seine-Insel Île de la Cité gegründete Stadt Paris bezogen, die, nebst ihrem älteren Emblem, einem einmastigen Schiff, diesen Leitspruch seit 1581 im Stadtwappen trägt: ‚Sie/es schwankt, aber sie/es sinkt nicht‘). Nun gut“, so Erzbischof Aupetit abschließend, „wenn also, wie das lateinische Motto sagt, das von den Wellen zerschlagene Pariser Boot nicht sinkt, wie viel mehr können wir sicher sein, dass das Boot Gottes niemals untergehen wird. Das könnt ihr glauben! Also, liebe Brüder, liebe Schwestern, liebe Freunde, also, liebe Missionare seid ihr nun bereit, mit Jesus auf die andere Seite des Ufers zu gehen?“ Mgr Michel Aupetit, Erzbischof von Paris Homélie de Mgr Michel Aupetit - Messe à St Germain l’Auxerrois - Dimanche 20 juin 2021, Homélies - Nachwort von Dr. Juliana Bauer: Archivfoto Erzbischof Aupetit (c) Erzbistum Paris
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