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| Kandidat der Verzweiflung: Ein Barbar aus dem Norden9. März 2017 in Buchtipp, keine Lesermeinung Leseprobe aus dem Buch Tatort Konklave von Ulrich Nersinger Linz (kath.net)
Ihm sollt Ihr Euch durch ein heiligmäßiges, vorbildliches und ehrenhaftes Leben dankbar erweisen. Seid immer liebreich im Umgang mit den Kardinälen und mit anderen Menschen und beleidigt niemand. Da ich Euch nun ganz Gott und seiner Heiligen Kirche hingegeben habe, müsst Ihr ein Mann der Kirche werden. Und Ihr müsst das Wohl der Kirche und des Apostolischen Stuhles über alles andere stellen. Als der Papst sich in feierlicher Prozession zum Lateran begab, um von seiner Bischofskirche Besitz zu ergreifen, konnte er in Anspielung auf seine beiden Vorgänger Alexander VI. und Julius II. und auf seine eigene Person an einem Triumphbogen die Worte lesen: Einst hat Venus geherrscht, dann kam an die Reihe der Kriegsgott, nun beginnet der Tag, hehre Minerva, für dich. Bald sind es Kirchen oder Klöster, bald eine Frau in gesegneten Umständen, bald eine Unglückliche, der das Haus abgebrannt ist, bald ein Jüngling, der studieren, oder ein Mädchen, das heiraten will, bald die Armen, welche die weitgerühmte Freigebigkeit des großmütigen Herrschers erfahren, berichtet Ludwig von Pastor in seiner Geschichte der Päpste. In dieser Hinsicht erwies sich sein Pontifikat als verhängnisvoll für die Geschichte der Kirche. Nach dem Tode des Papstes erhofften daher Christen in allen Ländern der Erde einen Kurswechsel im Herzen des katholischen Glaubens, eine geistliche Erneuerung an der Spitze der Kirche. Nicht einmal vier Jahre sind vergangen, seitdem einige Kardinäle in ein Attentat auf Leo X. verwickelt waren. Kardinal Alfonso Petrucci, ein skrupelloser Kirchenfürst, der bei dem Medici-Papst in Ungnade gefallen war, hatte mit einigen Komplizen die Ermordung des Pontifex beschlossen. Der Anschlag schlug fehl. An Petrucci als Initiator des Komplotts wurde die Todesstrafe vollzogen; die übrigen Kardinäle harten Bestrafungen unterzogen. Einer der ehemaligen Mitverschwörer Petruccis, Adriano Castello, war seiner hohen Würde durch päpstlichen Spruch verlustig gegangen, will aber dennoch am Konklave teilnehmen. Die im Vatikan versammelten Kardinäle brauchen sich jedoch mit dem Ansuchen ihres ehemaligen Kollegen letztendlich nicht zu beschäftigen. Noch während der Sedisvakanz stirbt Castello, ermordet durch die Hand seines Leibdieners. Im fernen England macht sich der Erzbischof von York, Kardinal Thomas Wolsey, Hoffnungen auf den Thron des heiligen Petrus. Der ehrgeizige Lordkanzler König Heinrichs VIII. ist bereit hierfür mehr als 100.000 Dukaten aufzubringen. Das englische Kabinett und der König selbst treten bei Kaiser Karl V. nachdrücklich für die Wahl ihres Landsmannes ein. Karl, zugleich König von Spanien und Herrscher über die reichen Niederlande, ist nicht nur der mächtigste Mann Europas, sondern auch durch ein Bündnis gegen Frankreich mit England verbunden. Der 22-jährige Habsburger gibt Wolsey und seinen Fürsprechern unverbindliche Versicherungen, die der Kardinal zu seinen Gunsten interpretiert. In seiner Hybris schwingt er sich zu der Forderung auf, der Kaiser möge doch seine Truppen nach Rom marschieren lassen und die Kardinäle durch Gewalt zwingen, ihn zu wählen. Der Sohn eines Londoner Flussschiffers will Menschenfischer werden, spottet Karl in Anspielung auf die Herkunft des englischen Kardinals. Er unternimmt nichts, um Thomas Wolsey zu fördern. Wenn es einen Favoriten unter den Kardinälen gibt, so ist es Giulio deMedici, der Erzbischof von Florenz und Cousin des verstorbenen Papstes. Doch der Widerstand gegen ihn ist erheblich, auch wenn die Partei der Medici über gut ein Drittel der Stimmen verfügt. Dass Misstrauen seiner Feinde ist übergroß. Da der Kardinal gute Beziehungen zur Päpstlichen Schweizergarde unterhält, erwirken sie, dass man als Wache für das Konklave weitere 1.500 Mann anwirbt. Giulio deMedici muss erleben, wie einer der Männer, die sich gegen seinen Vetter zu einem Mordanschlag verschworen hatten, nun Stimmung gegen ihn macht. Francesco Soderini, der Bischof von Palestrina, war an der Verschwörung des Petrucci beteiligt gewesen und hatte in der Engelsburg eingesessen. Von Leo X. ins Exil geschickt, hatte er geschworen, eine Wiederkehr der mediceischen Tyrannei zu verhindern. Der Medici erkennt, dass er seine eigene Person nicht durchzusetzen vermag. Nun will er zumindest der Papstmacher sein. Doch weder seinen Kandidaten noch jenen der anderen Parteien gelingt es, die notwendige Stimmenzahl auf sich zu vereinigen. Das Chaos droht. Da entscheidet sich Giulio Kardinal deMedici zu einem ebenso mutigen wie außergewöhnlichen Schritt. In der Wahlversammlung steht er auf und richtet das Wort an die erschöpften und ratlosen Teilnehmer des Konklave: Ich sehe, dass von uns keiner Papst werden kann. Wir müssen uns mithin nach einem umsehen, der nicht zugegen ist, jedoch muss es ein Kardinal und eine gute Persönlichkeit sein. Als er in den Gesichtern seiner Mitwähler Anzeichen der Zustimmung sieht, fährt er fort: Nehmt den Kardinal von Tortosa, einen ehrenwerten Mann von 63 Jahren, der allgemein für heilig gilt. Er gibt ihm seine Stimme. Der Bann ist gebrochen. Immer mehr Purpurträger stimmen dem Vorschlag des Medici zu. Sogar die Partei der Colonna votiert für den in Spanien weilenden Kandidaten. Nur Kardinal Fraciotto Orsini schreit in die Versammlung mit sich überschlagender Stimme hinein: Oh, ihr Dummköpfe, ihr Wahnsinnigen. Vergebens. Zugleich ist er ein enger Vertrauter des Kaisers und Regent in Spanien. Viele beginnen erst jetzt, die Tragweite der Wahl zu begreifen. Doch eine Korrektur ist nicht mehr möglich. Das Fenster, aus dem heraus den Gläubigen das Ergebnis des Konklave verkündet wird, ist bereits geöffnet. Der Protodiakon des Heiligen Kollegiums, Kardinal Marco Cornaro, nennt den auf dem Petersplatz Wartenden den Namen des neuen Pontifex. Cornaro aber verfügt über eine schwache Stimme und niemand versteht ihn. Die Menge wird unruhig. Kardinal Lorenzo Campeggio schiebt seinen Mitbruder zur Seite und verkündet kraftvoll den Entscheid des Konklave. Drunten herrscht heillose Verwirrung, Verblüffung hat sich breit gemacht. Der Gesandte der Republik Venedig schreibt an den Dogen: Die Kardinäle erscheinen mir wie tot, wie Leichname, die darauf warten, auf Bahren hinausgetragen zu werden. Vor Sankt Peter spielen sich dramatische Szenen ab. Unter den vielen Höflingen Leos X. hat sich die pure Verzweiflung breit gemacht: Der eine weinte, der andere schrie, der dritte fluchte, alle waren darin einig, es werde mindestens sechs Monate dauern, bis der neue Papst komme, während sie unterdessen ohne Einnahmen seien, so Ludwig von Pastor. Im Innenhof des römischen Palastes der Medici wird ein Erbe Leonardo da Vincis (1452-1519) zum Raub der Flammen. Das italienische Universalgenie, dem florentinischen Adelsgeschlecht eng verbunden, hatte den Römern zur Krönung Leos X. ein besonderes Spektakel geboten. Heiligenfiguren und Papstwappen aus Leinwand und Papier hatte Da Vinci mit heißer Luft gefüllt und zum Staunen der Zuschauer in den Himmel der Ewigen Stadt aufsteigen lassen. Noch vor dem Einzug der Kardinäle ins Konklave hatte man die Pläne von 1513 aus dem Archiv geholt und ähnliche Kunstwerke mit dem Wappen des Kardinals Giulio de Medici angefertigt. Nun erhält der Majordomus des Palastes die Order, die prachtvoll gestalteten frühen Heißluftballons zu zerstören und zu verbrennen. Eine voreilige Entscheidung, denn im November 1523 wird der Purpurträger aus dem Hause Medici doch noch den Stuhl des heiligen Petrus besteigen. Dem neuen Papst ist nur ein kurzes Pontifikat beschieden, in dem er jedoch seinen hohen Idealen treu bleibt und seine Umgebung durch einen vorbildlichen, ja heiligmäßigen Lebenswandel beschämt. Die wenigen Monate seiner Regierung, die der Kirche zum Segen und zum Ansporn werden, beeindrucken die Stadt am Tiber nicht im geringsten. Die Römer indessen schmücken das Haus des päpstlichen Leibarztes mit den Worten: Dem Befreier des Vaterlandes! kath.net Buchtipp Bestellmöglichkeiten bei unseren Partnern: Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! LesermeinungenUm selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen. 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