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Pater Dominikus Kraschl OFM: „Wohin der Wokismus gelangt, entbrennt ein Kulturkampf“

25. September 2024 in Kommentar, 5 Lesermeinungen
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Frag den Theologen – „Das Christentum teilt mit der Wokeness-Bewegung den Einsatz für soziale Gerechtigkeit, nicht jedoch dessen Menschenbild und Gesellschaftsanalyse.“


Heiligenkreuz (kath.net/Antonius) kath.net übernimmt den Beitrag „Christentum und Ideologiekritik“ von Pater DDr. habil. Dominikus Kraschl OFM aus dem „Antonius“ in voller Länge und dankt der Zeitschrift der österreichischen Franziskaner für die freundliche Erlaubnis zur Weiterveröffentlichung.

Sehr geehrter P. Dominikus: Wie schätzen Sie die Wokeness-Bewegung als Christ und Theologe ein? (Antonius-Leser)

P. Dominikus: Die Wokeness-Bewegung („woke” bedeutet „wach”) möchte das Bewusstsein für soziale Ungerechtigkeiten wachhalten. Ihre Parole lautet: «Gleichstellung, Diversität und Inklusion!»

Seit die Wokeness-Bewegung von den USA nach Europa herübergeschwappt ist, dreht sich der öffentliche Diskurs immer häufiger und hitziger um Themen wie Rassismus, Sexismus, Homophobie, Genderismus, Political Correctness, Postkolonialismus, kulturelle Aneignung usf.

Wohin der Wokismus gelangt, entbrennt ein Kulturkampf. Das Christentum teilt mit der Wokeness-Bewegung den Einsatz für soziale Gerechtigkeit, nicht jedoch dessen Menschenbild und Gesellschaftsanalyse. Wer den Wokismus verstehen will, sollte seine ideologischen Wurzeln in den Blick nehmen.

Marxismus

Der nach Karl Marx (1818-1883) benannte Marxismus erachtet die Geschichte der Menschheit als eine Geschichte von Klassenkämpfen. In der kapitalistischen Gesellschaft kontrolliere die herrschende Klasse (die Bourgeoisie) die Produktionsmittel und beute die Arbeiterklasse (das Proletariat) aus. Da es soziale Gerechtigkeit nur in einer klassenlosen Gesellschaft geben könne, setzte Marx auf das revolutionäre Potential der unterdrückten Arbeiterklasse sowie auf die Verstaatlichung der Produktionsmittel.


Neomarxismus

Der Neomarxismus entstand als Reaktion auf die Krise des Marxismus, dessen politische Umsetzung mehrfach in der Katastrophe geendet war. Neomarxisten wie Herbert Marcuse (1898-1979), Theodor W. Adorno (1903-1969) und Max Horkheimer (1895-1973) erweiterten die marxistische Theorie, indem sie kulturelle und ideologische Überlegungen in ihre Analysen einbezogen. Sie argumentierten: Die kapitalistische Gesellschaft werde nicht nur durch ökonomische Ausbeutung, sondern auch durch kulturelle Vorherrschaft, strukturelle Gewalt und ideologische Kontrolle stabilisiert.

Kinder und Kindeskinder

Neben dem Marxismus und Neomarxismus spielen für das Erstarken des Wokismus auch Strömungen des postmodernen Denkens eine Rolle. Zu nennen wäre insbesondere der soziale Konstruktivismus, dem zufolge es etwa kein erkennbares Wesen (d. h. Wassein), sondern lediglich gesellschaftliche Konstruktionen des Menschen gibt.

Der Wokismus, von seinen Kritikern auch als Kulturmarxismus bezeichnet, hat einen atemberaubenden Marsch durch die Institutionen hingelegt. Das war möglich, indem dem (neo)marxistischen Gedankengut, nach dem wiederholten Scheitern seiner politischen Umsetzung im Sozialismus, sozusagen ein modischer Look verpasst wurde. Zudem haben sich linke Parteien (wie die Demokraten in den USA oder die Grünen und Roten in unseren Breiten) zunehmend der Woke-Agenda verschrieben: Nachdem sie bei der Arbeiterschaft immer weniger punkten konnten, warben um die Stimmen gesellschaftlicher Minderheiten und betrieben Interessenspolitik: Migranten, Feministen, Black Power Movement, LGTBQ-Community etc.

Problematische Aspekte

Problematisch am Wokismus ist nicht sein Einsatz für soziale Gerechtigkeit. Problematisch ist vielmehr seine Tendenz, allerorten Strukturen der Unterdrückung und Diskriminierung zu sehen, die Gesellschaft in Opfer und Täter einzuteilen und die woke Sozialutopie gleichsam mit der Brechstange herbeiführen zu wollen. Problematisch ist darüber hinaus, dass der Wokismus aus katholischer Sicht fundamentale Menschenrechte negiert, indem er sich zum politischen Anwalt von naturrechts- und damit menschenrechtswidrigen Partikularinteressen macht. Entsprechend fordern woke Lobbygruppen etwa ein Recht(!) auf Abtreibung, geschäftsmäßige Suizidbeihilfe oder Geschlechtswechsel durch bloße Willensbekundung.

All das ist bereits politische Realität: Das Recht auf Abtreibung wurde in Frankreich 2024 in der Verfassung verankert. In Deutschland erklärte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2020 das strafrechtliche Verbot geschäftsmäßiger Suizidassistenz für verfassungswidrig. Das von der deutschen Ampelregierung im Frühjahr beschlossene Selbstbestimmungsgesetz erlaubt einmal pro Jahr einen Geschlechtswechsel, für den man nicht einmal ein ärztliches Attest erforderlich ist.

Der Wokismus propagiert zudem eine Kultur der politischen Korrektheit. Aus Angst vor sozialer Ächtung und beruflichen Nachteilen trauen sich viele Menschen nicht mehr, ihre Meinung frei äußern. Tatsächlich werden nicht-woke Meinungen immer öfter zensuriert oder gar als Hassrede inkriminiert. So wurde die frühere finnische Innenministerin Paivi Rasanen von der Staatsanwaltschaft wegen Hassrede angeklagt: sie hatte viele Jahre zuvor angeblich homophobe Bibelverse zitiert.

Religionsersatz

Die Wokeness-Bewegung weist Züge einer Pseudoreligion auf: Ihre Anhänger kennzeichnet oft ein ausgesprochener Moralismus. Sie sind überzeugt: Wir sind die Guten! Im quasi-religiösen Eifer verfallen sie nicht selten einem totalitären Denken, das die Natur des Menschen und mit ihr fundamentale Menschenrechte negiert, dafür aber einen starken Staat als Erfüllungsgehilfen ihrer woken Sozialutopie herbeisehnt. Sofern die Menschenrechte aber vom demokratischen Rechtsstaat vorausgesetzt werden, entpuppt sich ein solcher Wokismus nicht nur anti-christliche, sondern auch anti-demokratische Ideologie.

P. DDr. habil. Dominikus Kraschl OFM (Link) lehrt Philosophie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. Heiligenkreuz und am Internationalen Theologischen Institut Trumau.


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