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„In besseren Zeiten hatten deutsche Bischöfe Grenzen der kirchlichen Vollmacht noch klar benannt“22. September 2020 in Deutschland, 2 Lesermeinungen Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden
Kardinal Müller: Der Synodale Weg sollte besser „für das gemeinsame Werk der Neuevangelisierung Deutschlands“ genutzt werden – Leseprobe 2 aus Gesprächsband Martin Lohmann/Kard. Müller: „Wahrheit – Die DNA der Kirche“
Vatikan (kath.net) Leseprobe 2 aus dem Gesprächsband Martin Lohmann/Gerhard Kardinal Müller: "Wahrheit - Die DNA der Kirche":
Lohmann: Wo liegt dann das Problem exakt für synodale Strukturen heute?
Kardinal Müller: Ich nenne zwei wichtige Hinweise: Man darf die formale Autorität der Bischöfe nicht verselbstständigen gegenüber der inhaltlichen Autorität der Offenbarung in Schrift und Tradition.
Und zweitens ist das Bischofskollegium kein exklusiver Club. Sie sind in Namen Christi die Hirten und Lehrer der Kirche nur, wenn sie selbst die Lehre von der Kirche empfangen haben. Es besteht eine konstitutive Verbindung zwischen dem Zeugnis der Apostel und aller Gläubigen, also zwischen Priestern und Laien. Die Laien haben eine konstruktive und unter Umständen kritische Mitverantwortung in Glaubensfragen, die historisch einmal in extremer Weise gegen eine Mehrheit von irrenden Bischöfe den wahren Glauben rettete, als sie feige und verwirrt dem (mit politisch-kaiserlicher Brachialgewalt unterstützten) Ansturm des Arianismus nachgaben. An der verzögerten Reform der Kirche an Haupt und Gliedern und dem Ausbruch der „Reformation“, die in der Katastrophe der abendländischen Kirchenspaltung endete, haben die römische Kurie und die deutschen Bischöfe wegen ihrer Nachlässigkeit und sträflichen Inkompetenz eine hohe Mitverantwortung – wie sogar Papst Hadrian VI. selbst auf dem Reichstag von Nürnberg (1522/23) es als Schuld bekannte.
Lohmann: Was bedeutet das jetzt übersetzt im Blick auf den sogenannten synodalen Weg in Deutschland?
Müller: Die Synoden und Konzilien haben sich nie angemaßt, die Kirche neu zu stiften oder ihre Glaubens- und Sittenlehre dem jeweiligen Zeitgeist anzubequemen und den herrschenden Weltanschauungen und „Lebenswirklichkeiten“ anzupassen. Die von der sogenannten Schule von Bologna verbreitete Interpretation des Zweiten Vatikanums als Unternehmen einer Neugründung der katholischen Kirche nach den Ideen der Aufklärung und Religionskritik ist nichts anders als eine verkappte Apostasie, also ein Abfall vom rechten Glauben. Die Bischöfe und der Papst „sind nur Nachfolger der Apostel und Stellvertreter Christi, denen es nicht zusteht, eine andere Kirche zu gründen, einen anderen Glauben zu überliefern und andere als von Christus gestiftete Sakramente einzusetzen“ (Thomas von Aquin, S. th. III q. 64 a.2 ad 3).
Lohmann: Sie sagen letztlich, dass es um ein richtiges Verständnis von Autorität in der Kirche geht.
Müller: Da gibt es viele Missverständnisse und auch Missbrauch. Woher nähmen die Konstrukteure ihrer eigenen Kirche die Autorität, die Gläubigen Christi zu indoktrinieren, zu mainstreamen und im Falle des Ungehorsams zu exkommunizieren und an den Pranger kirchenfeindlicher Medien zu stellen? Es ist kaum anzunehmen, dass ein Gremium wie der „synodale Weg“ in Deutschland für sich den Heiligen Geist reklamieren könnte, um die Autorität der Heiligen Schrift, der Apostolischen Tradition und der unfehlbaren Entscheidungen des Lehramtes zu suspendieren, zu korrigieren und umzuinterpretieren. In besseren Zeiten hatten die deutschen Bischöfe die Grenzen der kirchlichen Vollmacht noch klar benannt, nämlich dass selbst der Papst und alle Gläubigen gebunden sind an die Schrift, die Tradition und das bisherige Lehramt und dass man keineswegs unter dem Vorwand einer neuen Hermeneutik das Glaubensbekenntnis und die Lehre der Kirche substanziell umdeuten oder gar aushöhlen kann. So steht es in einem Schreiben der Deutschen Bischöfe gegen den allgewaltigen Reichskanzler Otto von Bismarck im Jahre 1875.
So berechtigt es ist, bei dem Zusammenwirken von Bischöfen, Priestern und Laien in diözesanen und überdiözesanen Gremien von einem synodalen Prinzip zu sprechen, so darf doch sein Geburtsfehler nicht überspielt werden, der aus dem politischen Missverständnis besteht, in der Kirche gehe es um Macht, die nun „demokratisch“ begrenzt und geteilt werden müsse. In Wirklichkeit steht die geistliche Vollmacht der Bischöfe und die Sendung der Laien im Dienste der geoffenbarten Wahrheit und des ewigen Heils all derer, für die Christus am Kreuz sein Leben geopfert hat. Hinter der Forderung nach „mehr“ Synodalität versteckte sich oft auch der antirömische Affekt: Das I. Vatikanum habe die Kirchengewalt in Rom zentralisiert und nun müsse mit dem II. Vatikanum eine Dezentralisierung und eine „Aufwertung der Laien“ und mehr „Selbstständigkeit der Ortskirchen“ stattfinden. So müsse auch das Bischofsamt dezentralisiert werden, sodass der Bischof eher der Präsident der Diözese ist als der von Christus eingesetzte Hirte und Lehrer.
Mit dem Pontifikat von Papst Franziskus habe eine neue Etappe der Kirchengeschichte begonnen. Es gehe darum, endlich den Reformstau zu überwinden, den die beiden Vorgänger und die römische Kurie bis heute zu verantworten hätten. Statt sich der großen theologischen und anthropologischen Herausforderungen des Entchristlichungsprozesses intellektuell und spirituell zu stellen, meint man mit der Neuauflage der alten Agenda der 70er-Jahre wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Ich nenne nochmals Stichworte: Aufhebung des unverstandenen Priesterzölibates, Zugang von Frauen zum sakramentalen Amt, Interkommunion bei bleibender Trennung im Glauben, Anerkennung sexueller Gemeinschaften außerhalb der Ehe und so weiter.
Lohmann: Der synodale Weg ist also tatsächlich eine Sackgasse?
Müller: Stattdessen sollte man das synodale Prinzip, wenn man es denn richtig versteht, für das gemeinsame Werk der Neuevangelisierung Deutschlands nutzen. Damit hätten wir Deutsche schon genug für die Weltkirche getan, die nicht auf den Export des beispiellosen Niedergangs des christlichen Lebens in der Mitte Europas wartet. Die apostolische Autorität der Bischöfe und das für die Kirche konstitutive Apostolat der Laien gehen aus der gleichen Sendung der ganzen Kirche zum Heil der Welt hervor. Wichtig sind daher die Kooperation und Koordinierung ihrer Aktivitäten in der Evangelisierung und den Werken auch für das zeitliche Wohl der Gesellschaft.
Die Synodalität in den verschiedenen Ebenen ihrer Verwirklichung ist ein aus der Apostolizität der Kirche abgeleitetes Prinzip und wird von ihr als Kriterium bestimmt. Die Kirche bleibt nur dann katholisch und apostolisch, wenn in der Treue zu dem einen der Kirche überlieferten Schatz des Wortes Gottes (in Schrift und Tradition) „das ganze heilige Volk Gottes, mit seinen Hirten vereint, ständig in der Lehre und Gemeinschaft der Apostel, bei Brotbrechen und Gebet, verharrt, sodass im Festhalten am überlieferten Glauben, in seiner Verwirklichung und an seinem Bekenntnis ein einzigartiger Einklang herrscht zwischen Vorstehern und Gläubigen“, wie es das Zweite Vatikanische Konzil formuliert (DV 10).
kath.net-Buchtipp:
Wahrheit - Die DNA der Kirche
Von Lohmann Martin; Müller Gerhard Kardinal
Hardcover, 344 Seiten;
2020 fe-medienverlag
ISBN 978-3-86357-277-8
Preis Österreich: 20.40 EUR
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Lesermeinungen | Chris2 23. September 2020 | | | Was kann man nicht alles? Heinrich VIII. etwa hat nur aus dynastischen Gründen und wegen seiner Sexsucht eine Kirchenspaltung erzwungen, die bis heute besteht. Gegen treue Gläubige und Geistliche wie Thomas Moore ging er dabei mit äußerster Brutalität vor. Und aus dieser Sekte (von lat. sequere = abschneiden) treten auch die Frauen nicht reihenweise aus, obwohl der Kirchengründer seine Frauen nicht nur wegwarf wie eine leere Verpackung, sondern zwei von ihnen sogar auf dem Schafott ermorden ließ...
Möglich ist vieles. Die Kirche Christi ist es aber nicht mehr. | 0
| | | Stefanus 23. September 2020 | | | Sprache Das mag zwar sein, und ich sehe ebenfalls die Risiken eines synodalen Weges, von der Legitimität mal abgesehen. Aber die Inhalte sind nur eine Seite der Medaille. Die andere Seite ist die Sprache. Die Sprache muss den Menschen zugewandt sein, um sie zu erreichen. Jesus wandte sich an die Menschen in einfacher Sprache, in wirkungsvollen Bildern, und mit Fragen, die jeden zum Innehalten und Nachdenken brachten. Deswegen wirken sie bis heute. Die Sprache von Herrn Müller wirkt auf mich abgehoben, elitär und eitel. Vielleicht ist das ein Teil des Problems? | 2
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