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Vor 80 Jahren brannte mit dem Stephansdom das Herz von Wien

vor 2 Tagen in Chronik, 1 Lesermeinung
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Unglück im Endkampf um Wien nahm am 11. April 1945 abends seinen Lauf: Am 12. stürzte die Pummerin zu Boden, am 13. brachen Gewölbedecken ein


Wien (kath.net/KAP) Was vor 80 Jahren im Herzen Wiens passierte, trieb vielen entsetzten Bewohnern die Tränen in die Augen und fügte dem Unheil des mehr als fünfjährigen Weltkriegsfurors in Wien einen weiteren, letzten Höhepunkt hinzu: Am 12. April 1945 stürzte die Pummerin, die größte Glocke des Stephansdoms, als Folge eines Dachbrandes in die Turmhalle herab und zerbrach; tags darauf durchschlug eine einbrechende Stützmauer das Gewölbe des südlichen Seitenchors, das in den Dom eindringende Feuer zerstörte Chorgestühl und Chororgel, Kaiseroratorium und Lettnerkreuz. Der Stephansdom bot ein erbarmungswürdiges Bild sinnloser Zerstörung, und das fast am Ende jener Schreckenszeit, in der die Wiener nach jedem Bombenangriff bang fragten: "Steht der Steffl noch?"

Als steinerner Zeuge des Unvergänglichen hatte der Dom durch über 800 Jahre hinweg allen Widrigkeiten getrotzt, hatte Feuersbrünste, Türkenbelagerungen und Franzosenkriege überstanden. Doch in den letzten Wochen des Zweiten Weltkrieges blieb auch St. Stephan nicht mehr verschont vor der Vernichtung. In der Nacht vom 11. auf den 12. April nahm das Unglück seinen Lauf. Ein unter normalen Umständen beherrschbarer Brand führte fast zur gänzlichen Zerstörung des Doms.

Die Ursache für den Brand ist bis heute noch immer nicht restlich geklärt. Als "plausibelste These" gilt jedoch, dass der Dombrand infolge von Kampfhandlungen zwischen der sich zurückziehenden Deutschen Wehrmacht und der Roten Armee ausgebrochen ist. Das bestätigte Dombaumeister Wolfgang Zehetner erneut im Interview mit Kathpress. Zehether bekräftigte damit jene Erkenntnisse, die vor fünf Jahren im Rahmen einer ORF III-Dokumentation mit dem Titel "Brandakte Stephansdom" erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurden. Seither seien keine nennenswerten neuen Dokumente oder Aussagen von Zeitzeugen hinzugekommen, so Zehetner.

Chronologie der Ereignisse

Ein maßgeblicher Grund für das Unglück ereignete sich schon einen Monat vorher: Ab März 1945 mehrten sich die Bombenangriffe der Alliierten auf Wien. Einer davon - ein US-Angriff am 12. März - sollte für die Brandkatastrophe einen Monat später fatale Folgen haben, wurden dabei doch die beiden großen Wasserleitungen des kaum in Mitleidenschaft gezogenen Doms zerstört. Ein weiterer fataler Umstand lag darin, dass zum Zeitpunkt des Brandes die Wiener Berufsfeuerwehr bereits aus dem Kampfgebiet abgezogen war und daher nicht mehr zur Verfügung stand.

Zum wichtigsten Zeugen der Geschehnisse zwischen 11. und 13. April wurde Domkurat Lothar Kodeischka (1905-1994), der als Sakristeidirektor von St. Stephan in diesen Tagen praktisch durchgehend vor Ort war. Viele Wiener - auch Geistliche - hatten vor den Bombardements Schutz in den weitverzweigten Kellern der Wiener Innenstadtkirchen und -klöster gesucht, Kodeischka verblieb teilweise als einziger Verteidiger und Brandherdlöscher im Dom, notfalls bis zum Tod, wie er später in seinen Erinnerungen schilderte.

Als am 11. April 1945 Waffen-SS und Rote Armee einander am Donaukanal gegenüberstanden, war laut Kodeischka die Nachricht aufgetaucht, SS-Einheiten würden einen Gegenstoß über die Augartenbrücke unternehmen. Teile der sowjetischen Artillerie wurden daraufhin vom Stephansplatz abgezogen. Für einige Stunden sei der zentrale Bereich der Innenstadt ohne Besatzung gewesen. Dies hätten - so die mittlerweile unwahrscheinliche These Kodeischkas - Banden von Plünderern ausgenützt, die dann Feuer in den heimgesuchten Geschäften legten, um die Spuren zu verwischen. Schließlich habe sich durch den Funkenflug das Dach des Domes entzündet.

Diese These Kodeischkas könne inzwischen "ad acta gelegt" werden, so Dombaumeister Zehetner bei der 2020 am Ostermontag ausgestrahlten Dokumentation "Brandakte Stephansdom - Rekonstruktion einer Katastrophe". Näher liege, dass im Kampf um Wien in der letzten Weltkriegsphase einer oder beide der feindlichen Verbände - deutsche Wehrmacht und Rote Armee - verantwortlich sind, so Zehetner; "entweder als Kollateralschaden beim Kampf oder aber durch blanken Zerstörungswillen".

Diese Sicht würde sich aus der Auswertung privater Tagebücher und unveröffentlichter Zeitzeugenberichte, aber auch mittels Computeranimation ergeben. Die Kampfhandlungsthese unterstützen in der ORF-Doku auch die Historiker Manfried Rauchensteiner und Markus Reisner (Autor von "Die Schlacht um Wien 1945"). Ähnliches hatte Jahre zuvor auch der bereits verstorbene bekannte Judaist Kurt Schubert vertreten, der deutschen Artilleriebeschuss verantwortlich gemacht hatte.

Der wahrscheinlichste Hergang laut dem 45-minütigem Dokumentarfilm: Genau zwischen den Fronten liegend, geriet der Stephansplatz im Herzen Wiens unter Beschuss von beiden Kriegsparteien; Granaten entzündeten die Häuserfront an der Westfassade des Doms, der Brand griff über ein altes Gerüst am Nordturm auf den hölzernen Dachstuhl über. Ein möglicher weiterer Beschuss führte zum Einbruch einer Stützmauer auf dem Gewölbe und damit zur Zerstörung des Kirchenschiffs.


Umstrittenes Symbol weiße Fahne

Dombaumeister Zehetner: "Wenn man die Quellenlage genau studiert, kann man nur zu einem Schluss kommen: Die Brandakte Stephansdom muss neu erzählt werden." Man habe aus heutiger Sicht den Eindruck, dass es die Gesellschaft nach dem Krieg gar nicht so genau wissen wollte. Nicht einmal eine feuerpolizeiliche Untersuchung habe es gegeben. Die Plünderer-Version, die sich schließlich durchsetzte, "tat niemandem weh", so Zehetner. Er erinnerte an den historisch belegten Befehl aus den Reihen der SS, den Dom unter Beschuss zu nehmen: 100 Granaten auf das Wiener Wahrzeichen sollten als Rache für die am Südturm gehisste weiße Flagge dienen - eine Order, der sich Wehrmachtshauptmann Gerhard Klinkicht widersetzte und damit sein Leben riskierte.

Die von Unbekannten gehisste weiße Fahne war für die einen ein Symbol der Kapitulation und der Befreiung von der NS-Herrschaft, für die bisherigen Machthaber freilich ein Symbol der Wehrkraftzersetzung.

Verzweifelte Löschversuche

Zurück zum Ausbruch des Brandes: Seit 1939 stand am Nordturm ein Holzgerüst für Renovierungsarbeiten, die kriegsbedingt unterbrochen waren. Dessen ausgetrocknetes Gebälk war für Zehetner ein möglicher Ausgangspunkt der Tragödie: Es fing in der Nacht von 11. auf 12. April Feuer, das über Funkenflug in das Dachinnere des Doms eindrang. Die dortigen imprägnierten Lärchenbalken hielten den Flammen zwar lange stand, doch letztlich wurde der imposante, kunsthistorisch bedeutsame Holzdachstuhl zur "Achillesferse des steinernen Doms", wie der Dombaumeister in der Dokumentation sagte.

Der 1945 wochenlang im Dom ausharrende Kodeischka, dessen Erinnerungen in Tagebuchform erst 40 Jahre nach der Brandkatastrophe erschienen, gilt als einer von drei Kronzeugen für die damaligen Ereignisse. Die beiden anderen waren Leopold Meister, als Türmer von St. Stephan für Feuerwache zuständig, und Christl Guggenberger, Tochter des Wirtschaftsdirektors des Erzbischöflichen Palais und dort wohnhaft, die mit einer Handvoll anderer bei den Löscharbeiten im Dom mithalf. Dabei erwies sich als fatal, dass durch Bombentreffer die Wasserversorgung unterbrochen war und am Dachstuhl kaum Löschwasser zur Verfügung stand.

Kodeischka schrieb in seinen Memoiren, er habe am Abend und in der Nacht von 11. auf 12. April "immer wieder neue Brandherde entdeckt und löschen können" - allein und ohne Hilfe. Um Mitternacht jedoch fing das Gerüst auf dem Nordturm Feuer. Der Glockenstuhl begann zu brennen, die zweitgrößte Glocke des Doms, die zehn Tonnen schwere "Halbpummerin" im Nordturm, fiel in das linke Querhaus. Dort wurde das Wimpassinger Kreuz, eine monumentale toskanische Arbeit des Mittelalters, ein Raub der Flammen.

Gegen 11 Uhr des 12. April brannte das Dach zwischen den beiden Domtürmen. Stück für Stück des riesigen Dachstuhls aus zehntausend Lärchenstämmen stürzte auf die Gewölbedecken. Die hielten der Last stand - noch. Aus einem der runden Deckenlöcher, das sich über der großen Orgel des Doms öffnete, fiel Glut auf das Instrument und erfasste die Tausenden von Holzteilchen in dessen Inneren. Bald stießen Flammen aus einzelnen Orgelpfeifen hoch. Augenzeugen berichten später erschüttert von leisen Klagetönen aus den Pfeifen.

Bald war der nächste dramatische Verlust zu verzeichnen: Um 14.30 Uhr sauste die Pummerin, mit 22 Tonnen die schwerste Glocke Österreichs, samt ihrem brennenden Glockenstuhl in die Tiefe und zerschellte "mit grauenhaftem Getöse" am Gewölbering der südlichen Turmhalle.

Das Dominnere schien gerettet, aber dann...

Abends war das Dach abgebrannt, auch die Heidentürme vom Feuer ergriffen; glosende Balken lagen auf den Gewölbedecken - aber das Innere des Doms schien gerettet zu sein. Abends mussten alle mittlerweile tätigen Helfer den Stephansdom verlassen, weil die Sowjets in der "Kampfzone" Stephansplatz eine Ausgangssperre verhängt hatten.

In der Nacht schien es Kodeischka, dass das Feuer unter Kontrolle sei. Doch dann sei am Freitag, 13. April, um 4.15 Uhr "völlig unerwartet die Katastrophe erfolgt": Das Gewölbe stürzte ein und bedeckte den Kirchenraum, der Domkurat und eine zu diesem Zeitpunkt anwesende Helferin entgingen nur knapp dem Tod. "Wir wurden von einer dichten, undurchdringlichen Staubwolke eingehüllt, sodass in der gähnenden Finsternis jede Orientierung unmöglich war. Ich selbst verlor einige Augenblicke das Bewusstsein", schilderte Kodeischka. "Ich weiß wieder nur, wie wir vor dem Lettnerkreuz standen und den ganzen Gräuel der Verwüstung sahen: Unter der Wucht des Einsturzes wurde die Orgelempore, die Kaiserloge und das gesamte wertvolle Chorgestühl begraben. Auch das Gewölbe des Friedrichschiffes war zum größten Teil eingebrochen. Alles brannte lichterloh, wir wussten, jeder weitere Versuch einer Hilfe war völlig aussichts- und zwecklos."

Das gotische Lettnerkreuz wurde zum Sinnbild der gewaltigsten Zerstörung in der Geschichte des Stephansdoms: Vom Triumphbogen hing es herab, nur der obere Teil des Längsbalkens und der Querbalken mit den angebrannten, herabhängenden Unterarmen des kopflosen Corpus waren noch vorhanden - "ein Bild, das jedem unvergesslich blieb, der es gesehen hat", berichtet die langjährige Wiener Diözesanarchivarin Annemarie Fenzl. Zufällig im Schutt gefunden wurde das hölzerne Haupt noch am 13. April vom Benediktiner P. Benedikt Pfundstein, der die noch züngelnden Flammen in einem Weihwasserbecken löschte. Seit 2009 hängt das vom Künstler Josef Troyer nach einer Vorlage rekonstruierte "Lettner-Kreuz" wieder an seinem angestammten Platz, der Kopf weist bis heute Brandspuren auf.

Wiederaufbau als nationaler Kraftakt

Der Stephansdom schien nach dem verheerenden Brand vom 11. bis 13. April 1945 verloren. Doch das wollten die Wienerinnen und Wiener trotz des Nachkriegselends nicht hinnehmen. Gerade die "kleinen Leute" trugen entscheidend zum Wunder des Wiederaufbaus bei. Der Umfang der erforderlichen Bauarbeiten warf bald die Frage nach ihrer Finanzierung auf, die in den ersten vier Jahren, so unglaublich es klingt, allein durch freiwillige Spenden der Menschen Wiens, die selber nur das Notwendigste hatten, erst später dann durch den Ertrag der Dombaulotterie, einer Briefmarkenserie, sowie der bekannten Dachziegel-Aktion aufgebracht wurden.

Kardinal Theodor Innitzer hatte bereits angesichts des noch glosenden, mit Schutt angefüllten, in Trümmern liegenden Stephansdoms lapidar festgestellt: "Na, wir werden ihn halt wieder aufbauen müssen." Nur wenige Wochen danach, am 15. Mai 1945, teilt er den Gläubigen seiner Diözese mit: "Unsere Kathedrale, den Stephansdom, wieder in seiner ursprünglichen Schönheit erstehen zu helfen, ist eine Herzenssache aller Katholiken, eine Ehrenpflicht aller!" Innitzers Appell sollte sich in den folgenden sieben Jahren als eine Tatsachenfeststellung erweisen. Der Dom sei nach der Katastrophe des Krieges zum "Nationalheiligtum" geworden, "in dem die Einheit des Landes in einer schönen Weise zum Ausdruck kommt", so der damalige Wiener Erzbischof bei der feierlichen Wiedereröffnung im April 1952.

Wie war es dazu gekommen? Bereits am 25. April 1945, zwei Tage, bevor die provisorische Staatsregierung unter Karl Renner erstmals zusammentrat und zwei Wochen vor der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht, konnte dank der Einsatzbereitschaft zahlreicher freiwilliger Helfer mit den Aufräumarbeiten begonnen werden. Der spätere Wiener Kulturstadtrat Jörg Mauthe (1924-1986) nannte diese Arbeiten später "ein Ruhmeskapitel in der Geschichte Wiens". Es habe "Mangel an allem" geherrscht, "nur nicht an Helfern". Mit primitivsten Mitteln sei in den ersten Monaten etwa viereinhalbtausend Kubikmeter Schutt aus der verwüsteten Kirche entfernt worden. Da es an Transportmitteln fehlte, wurde er an der Nordseite, am Erzbischöflichen Palais gelagert und erst viel später weggeschafft.

Angesichts der Not der ersten Nachkriegstage kam die Frage auf, ob die sofortige Aufnahme der Arbeit am Dom überhaupt zu verantworten sei. Das Ja darauf beruhte auch auf der Einsicht, dass jede Verzögerung zu weiteren irreparablen Schäden etwa durch Regen oder Sturm geführt hätte. Um das Langhaus vor den Unbilden der Witterung zu bewahren, wurde bald eine schützende Trennwand zwischen Querschiff und dem zerstörten Chor errichtet.

Drängendste Frage war die Finanzierung

Viele technische und auch künstlerische Fragen mussten in den Folgejahren geklärt werden. Die drängendste jedoch war die Finanzierung des Wiederaufbaues, für den rund 180 Personen jahrelang beschäftigt wurden. Vom damaligen Dombaumeister Karl Holey ist von 1948 der bitter-ironische Ausspruch überliefert, die Geldbeschaffung mache "besonders jenen große Sorgen, deren Opferbereitschaft für den Dom gering ist". Die Angst, dass die Staatskasse für die Bautätigkeit herhalten muss, könne beschwichtigt werden, setzte Holey eine Spitze gegen die damalige Kommunalpolitik: "Diese besorgten Gemüter können beruhigt werden mit der Antwort, dass bis heute nicht ein Groschen Unterstützung aus staatlichen Mitteln oder aus sonstigen Steuergeldern beigetragen wurde, sondern dass der ganze Aufwand durch freiwilligen Spenden ... aufgebracht wurde."

Die langjährige Wiener Domarchivarin Annemarie Fenzl, die Stimmen wie jene Holeys zusammengetragen hat, berichtete im Kathpress-Interview von Familienschmuck und sogar Eheringen, die Gläubige für die Restaurierung des Stephansdoms zur Verfügung stellten. Ob ein solcher Enthusiasmus heute noch denkbar ist, wage sie nicht zu sagen, angesichts verbreiteter "Ich-AGs" sei aber Zweifel daran berechtigt.

Am bekanntesten unter mehreren Spendeninitiativen wurde die sogenannte "Dachziegel-Aktion", bei der Freunde des Doms einen oder mehrere Dachziegel um fünf Schilling kaufen konnten. Auch eine Lotterie und eine Briefmarkenserie spülten dringend benötigtes Geld in den Klingelbeutel der Dombauhütte.

Alle Bundesländer leisteten Beitrag

Am 19. Dezember 1948 konnte der erste Bauabschnitt mit der Eröffnung des Langhauses beendet und kurz vor Weihnachten der erste Festgottesdienst seit der Ostermesse am 1. April 1945 im Stephansdom gefeiert. Die finanzielle Situation blieb freilich angespannt. Noch im September 1951 schien es, als ob der Bau endgültig eingestellt werden müsste. Der damalige Dompfarrer Karl Dorr startete die "Stephansgroschen-Aktion" und begab sich auf "Betteltour" durch die österreichischen Bundesländer. Den Erfolg schilderte er später mit den Worten: "Nicht ein Land schloss sich aus von dem großen Werk." Und auch die Bundesregierung trug einen Millionenbetrag bei, großzügige Spenden kamen auch von den Kammern, der Vereinigung österreichischer Industrieller - "und immer wieder von den kleinen Spendern, die im wahrsten Sinn des Wortes Stein auf Stein legten".

Fahrten von Kirchenvertretern und Unterstützungsgesuche Kardinal Innitzers bei Amtskollegen ergaben auch Hilfe aus dem Ausland. Dompfarrer Dorr sprach 1952 von insgesamt 27 Millionen Schilling, die in den Wiederaufbau des Stephansdoms flossen.

Am 23. April 1952, am Domweihetag, wurde schließlich der wiederhergestellte Dom feierlich wiedereröffnet - als "ein eindrucksvolles Zeugnis der Liebe der Menschen dieser Stadt zu ihrer Hauptkirche", wie Innitzer freudig feststellte. Schon Tags zuvor war die im oberösterreichischen St. Florian neu gegossene Pummerin nach einem Triumphzug in Wien empfangen und in einem Gerüst neben dem Dom provisorisch aufgestellt worden.

Beim Festgottesdienst am 27. April, dem Sonntag darauf, war sogar Papst Pius XII. via Funk aus dem Vatikan zugeschaltet, der in deutscher Sprache wörtlich erklärte: "Was Ihr vollbracht, ist eine gewaltige Leistung. Wir glauben sie deuten zu dürfen als Beweis Eures entschlossenen Willens, in gegenseitiger Verbundenheit der einzelnen und der Gemeinschaft, in geduldigem Harren und zähem Wirken Euch hindurchzuarbeiten durch die Unsicherheit und Not dieser Jahre in glücklichere Tage echten Wohlstands in Freiheit und Frieden." Zum Evangelium wurde erstmals die Pummerin angeschlagen. An dem feierlichen Gottesdienst nahmen alle Bischöfe des Landes, Bundespräsident Theodor Körner und die Bundesregierung teil.

Freilich waren damals noch nicht alle Schäden vollständig behoben. Die Arbeiten am Nordturm konnten erst 1957 abgeschlossen werden. Ab diesem Zeitpunkt war es auch möglich, die Pummerin an ihren zugedachten Platz im Turm hochzuziehen. Die übrigen Restaurierungsarbeiten konnten dann weitgehend bis 1965 fertiggestellt werden, Kriegsschäden am südlichen Heidenturm wurden aber auch noch später behoben, und erst 1983 wurden in der Barbarakapelle am Fuß des Nordturms die letzten Schäden aus der Kriegszeit behoben.

Abschluss mit Orgelweihe 2020

75 Jahre nach der Brandkatastrophe sollte dann zu Ostern 2020 mit der Weihe der neuen Riesenorgel der Wiederaufbau des Domes endgültig abgeschlossen werden. Die Feier viel aber dem ersten Lockdown der Coronapandemie zum Opfer und wurde schließlich am 4. Oktober 2020 nachgeholt. "Die letzte Wunde des Krieges wird heute mit der Weihe der erneuerten Riesenorgel geschlossen", erinnerte Kardinal Christoph Schönborn damals in seiner Predigt beim vom Geläut der Pummerin begleiteten Festgottesdienst.

Der Dombrand am 12. April 1945 sei eine der vielen Folgen des Zweiten Weltkriegs gewesen, der "bisher wohl größten Katastrophe der Menschheitsgeschichte" und "Ausgeburt eines wahnwitzigen Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus", wie der Wiener Erzbischof betonte. "Als der Dom am Kriegsende brannte, war das wie ein Schlusspunkt einer unvorstellbaren Tragödie, deren brennender Ausdruck der Brand aller Synagogen am 9. November 1938 war", hielt der Kardinal damals fest.

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Lesermeinungen

 Tante Ottilie vor 2 Tagen 
 

Eine erschütternde Schilderung

Von diesen Ereignissen haben wir trotz 2maligem Wien-Besuchs mit tägl. Besuch Hl. Messen und Vespern im Stephansdom nichts gewusst.
Danke für diesen Bericht!


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