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Stalin wollte Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl aufnehmen

vor Minuten in Chronik, keine Lesermeinung
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Italienischer Forscher stellt bei Historikertreffen im Vatikan bisher unbekannte Dokumente über geheime diplomatische Kontakte in den Jahren 1952/53 vor


Rom (kath.net/KAP) Der sowjetische Diktator Josef Stalin wollte am Ende seiner Herrschaft und trotz aller weltanschaulichen Gegensätze diplomatische Beziehungen mit dem Heiligen Stuhl aufnehmen. Das zeigen bisher unbekannte Dokumente über geheime Verhandlungen, die ein italienischer Forscher dieser Tage bei einem Historikertreffen im Vatikan präsentiert hat. Dabei ging es zusammen mit dem Vorschlag zur Eröffnung einer sowjetischen Botschaft beim Heiligen Stuhl offenbar um eine mögliche Vermittlung des Papstes zwischen den Konfliktparteien im Kalten Krieg.

Laut dem italienischen Online-Portal "Vatican Insider" stellte Prof. Matteo Luigi Napolitano bei der jüngsten Runde der Historiker-Gespräche zwischen Experten der Russischen Akademie der Wissenschaften und des Päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaften (22./23. Mai) das bisher unbekannte Kapitel der geheimen Avancen Stalins gegenüber dem Heiligen Stuhl von Februar 1952 bis zum Tod Stalins im März 1953 dar.

Die Kontakte fanden demnach unter größter Geheimhaltung im Haus des Marchese Falcone Lucifero statt, der bis zum Ende der italienischen Monarchie 1946 Minister des Königlichen Hauses Savoyen war. Für die sowjetische Seite agierte dabei der italienische kommunistische Historiker und spätere Senator Ambrogio Donini, für den Heiligen Stuhl der Jesuit P. Giacomo Martegani, Chefredakteur der Zeitschrift "Civilta Cattolica", der Zugang zu Papst Pius XII. (1939-58) hatte. Die bisher nicht veröffentlichten minutiösen Aufzeichnungen über die Gespräche hat Donini 30 Jahre später an den Architekten der sogenannten Vatikanischen Ostpolitik, Kardinal Agostino Casaroli, übergeben.


Bei einer Unterredung im Haus Luciferos am 13. Februar 1952 teilte Donini seinen Gesprächspartnern den Vorschlag Moskaus mit, eine Botschaft beim Heiligen Stuhl zu eröffnen. "Der Heilige Stuhl hat einen Repräsentanten der USA akzeptiert. Warum haben Sie nie daran gedacht, der UdSSR einen ähnlichen Vorschlag zu machen?" Jesuitenpater Martegani antwortete zunächst, dass das sicher ein sehr wichtiger Schritt wäre, aber man könne nicht "den Wagen vor das Pferd spannen". Die Ernennung eines Moskauer Repräsentanten beim Heiligen Stuhl könne am Ende eines langen Prozesses der Klärung stehen, nicht am Anfang. Diplomatische Repräsentanten würden ernannt, wenn sich die Beziehungen entsprechend entwickeln, "nicht, wenn die Beziehungen abgebrochen sind".

Nachdem Donini gegangen war, besprach sich P. Martegani mit einem der anwesenden Zeugen, Graf Paolo Sella. Gemeinsam erstellten sie ein Gedächtnisprotokoll und hielten fest, dass Donini klar von einer Vermittlung der Kirche im gerade einem Höhepunkt zustrebenden Kalten Krieg gesprochen und den formalen sowjetischen Vorschlag zur Eröffnung einer offiziellen diplomatischen Repräsentanz der UdSSR beim Heiligen Stuhl unterbreitet hatte.

Martegani habe den Vorschlag nicht sofort zurückgewiesen, sondern weitere Schritte vom konkreten Verhalten der Sowjetregierung abhängig gemacht. Als Stalin am 5. März 1953 starb, war damit auch der Kontakt beendet.

Kontakte trotz "roten Terrors"

Die Dokumenten belegten, dass es lange vor der Vatikanischen Ostpolitik ab den 1970ern eine Moskauer Initiative zum Dialog gegeben habe, sagte Prof. Napolitano bei dem russisch-vatikanischen Historikertreffen.

Wie der italienische Priester, Russlandexperte und Dozent am Päpstlichen Ostinstitut, Stefano Caprio, in einem Bericht von derselben Tagung im römischen Pressedienst "AsiaNews" schreibt, schilderte die Moskauer Historikerin Ewgenija Tokarewa bei der Konferenz auch, dass es sogar auf dem Höhepunkt des stalinistischen "roten Terrors" von 1935 bis 1940 Kontakte zwischen dem Heiligen Stuhl und der Sowjetunion gab. Die vatikanische Diplomatie war demnach hellsichtiger als andere, befürchtete den Ausbruch eines neuen Weltkriegs und versuchte, auch durch Kontakte mit Moskau an der Verhinderung dieses Unheils zu arbeiten.

Die Mailänder Historikerin Maria Chiara Dommarco sprach bei der Konferenz über die Erfahrungen des weitgehend aus dem Bewusstsein geschwundenen Päpstlichen Hilfswerks für das nach dem Bürgerkrieg und dem Sieg der Bolschewiki hungernde Russland. Der deutsche Journalist und Historiker Hansjakob Stehle hatte die Geschichte dieses Hilfswerks, das von 1921 bis 1924 unter Leitung des US-amerikanischen Jesuiten P. Edmund Walsh in Russland tätig war, in seinem 1975 erschienenen Werk "Die Ostpolitik des Vatikans" erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Caprio schrieb jetzt in seinem "AsiaNews"-Bericht über das Historikertreffen, dass das Päpstliche Hilfswerk im Zeichen der bedingungslosen Nächstenliebe der einzige "Anker der Mäßigung und Hoffnung" in einem tragischen und turbulenten Augenblick der Geschichte war.

Copyright 2018 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
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