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| 'Wir sind viele...' – Und alle staunten...1. Februar 2021 in Aktuelles, 2 Lesermeinungen Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: wir müssen uns wohl bewusst sein, dass das Böse nicht eine anonyme Kraft ist, die auf unpersönliche oder deterministische Weise in der Welt agiert. ‚Mein Name ist Legion. Denn wir sind viele’. Von Armin Schwibach Rom (kath.net/as) Montag der vierten Woche im Jahreskreis: die erste Begegnung Jesu mit der Heidenwelt. Sie hatte etwas Unheimliches. Das Judentum dachte von den Heiden nicht sehr freundlich. Man brachte sie mit Schweinen, Hunden und unreinen Geistern in Verbindung (Mk 5,11; 7,25.27f.) und betrachtete ihre Wohnungen als „unrein“, ebenso wie die Gräber. Der Geheilte: er wird als Missionar zurückgesandt. Alle fürchten sich, die Freude aber überwindet die Furcht. „Sie kamen an das andere Ufer des Sees, in das Gebiet von Gerasa. Als er aus dem Boot stieg, lief ihm sogleich von den Gräbern her ein Mensch entgegen, der von einem unreinen Geist besessen war. Er hauste in den Grabstätten. Nicht einmal mit einer Kette konnte man ihn bändigen. Schon oft hatte man ihn mit Fußfesseln und Ketten gebunden, aber er hatte die Ketten zerrissen und die Fußfesseln durchgescheuert; niemand konnte ihn bezwingen. Bei Tag und Nacht schrie er unaufhörlich in den Grabstätten und auf den Bergen und schlug sich mit Steinen. Als er Jesus von Weitem sah, lief er zu ihm hin, warf sich vor ihm nieder und schrie laut: Was habe ich mit dir zu tun, Jesus, Sohn des höchsten Gottes? Ich beschwöre dich bei Gott, quäle mich nicht! Jesus hatte nämlich zu ihm gesagt: Verlass diesen Menschen, du unreiner Geist! Jesus fragte ihn: Wie heißt du? Er antwortete: Mein Name ist Legion; denn wir sind viele. Und er flehte Jesus an, sie nicht aus diesem Gebiet fortzuschicken. 11 Nun weidete dort an einem Berghang gerade eine große Schweineherde. Da baten ihn die Dämonen: Schick uns in die Schweine! Jesus erlaubte es ihnen. Darauf verließen die unreinen Geister den Menschen und fuhren in die Schweine und die Herde stürmte den Abhang hinab in den See. Es waren etwa zweitausend Tiere und alle ertranken. Die Hirten flohen und erzählten es in der Stadt und in den Dörfern. Darauf eilten die Leute herbei, um zu sehen, was geschehen war. Sie kamen zu Jesus und sahen bei ihm den Mann, der von der Legion Dämonen besessen gewesen war, bekleidet und bei Verstand. Da fürchteten sie sich. 16 Die es gesehen hatten, berichteten ihnen, wie es mit dem Besessenen und den Schweinen geschehen war. Darauf baten die Leute Jesus, ihr Gebiet zu verlassen. Als er ins Boot stieg, bat ihn der Mann, der zuvor von den Dämonen besessen war, dass er bei ihm sein dürfe. Aber Jesus erlaubte es ihm nicht, sondern sagte: Geh nach Hause und berichte deiner Familie alles, was der Herr für dich getan und wie er Erbarmen mit dir gehabt hat! Da ging der Mann weg und verkündete in der ganzen Dekapolis, was Jesus für ihn getan hatte, und alle staunten“ (Mk 5,’1-20). „Wir müssen uns wohl bewußt sein, daß das Böse nicht eine anonyme Kraft ist, die auf unpersönliche oder deterministische Weise in der Welt agiert. Das Böse, der Dämon führt über die menschliche Freiheit, über den Gebrauch unserer Freiheit. Es sucht einen Verbündeten, den Menschen. Das Böse braucht, um sich auszubreiten, den Menschen. Nachdem es auf diese Weise das erste Gebot der Gottesliebe beleidigt hat, geht es daran, das zweite Gebot der Nächstenliebe zu entstellen. Damit verschwindet die Nächstenliebe zugunsten der Lüge und des Neides, des Hasses und des Todes. Aber es ist möglich, sich nicht vom Bösen besiegen zu lassen und das Böse durch das Gute zu besiegen (vgl. Röm 12,21). Zu dieser Umkehr des Herzens sind wir aufgerufen. Ohne sie stellen sich die so sehr ersehnten menschlichen „Befreiungen“ als Enttäuschungen heraus, denn sie bewegen sich in dem von der Enge des menschlichen Geistes, seiner Härte, seiner Intoleranz, seines Günstlingsgehabes, seiner Rachegelüste, seines Todestriebs eingeschränkten Raum. Die Umwandlung in der Tiefe des Geistes und des Herzens ist notwendig, um einen gewissen Scharfblick und eine gewisse Unparteilichkeit, den tiefen Sinn für Gerechtigkeit und für das Gemeinwohl zurückzugewinnen. Ein neuer und freierer Blick soll dazu fähig machen, menschliche Systeme, die in Sackgassen führten, zu analysieren und in Frage zu stellen, um der Vergangenheit Rechnung tragend voranzuschreiten, damit diese mit ihren verheerenden Auswirkungen nicht wiederholt werden. Diese erforderte Umkehr reißt mit, denn sie eröffnet Möglichkeiten dadurch, daß sie einen Anruf an die zahlreichen Ressourcen richtet, welche im Herzen so vieler Männer und Frauen wohnen, die sich nach einem Leben in Frieden sehnen und bereit sind, sich für den Frieden einzusetzen. Diese Umkehr ist nun besonders anspruchsvoll, wenn es darum geht, nein zur Rache zu sagen, eigene Fehler einzugestehen, Entschuldigungen anzunehmen, ohne sie zu suchen, und schließlich zu vergeben. Denn nur die gewährte und empfangene Vergebung legt die dauerhaften Grundlagen der Versöhnung und des Friedens für alle (vgl. Röm 12,16b.18)“. Benedikt XVI., Begegnung mit Mitgliedern der Regierung, der Institutionen des Staates, mit dem Diplomatischen Corps, den Verantwortungsträgern der Religionen und Vertretern der Welt der Kultur (Salon „25. Mai“ im Präsidentenpalais von Baabda, 15. September 2012, Libanon: Herr Präsident! Meine Damen und Herren Vertreter des Parlaments und der Regierungsowie der öffentlichen und politischen Institutionen des Libanon! Meine Damen und Herren Missionschefs der diplomatischen Vertretungen! Eure Seligkeiten! Werte religiöse Würdenträger! Liebe Brüder im Bischofsamt! Meine Damen und Herren! Liebe Freunde! سَلامي أُعطيكُم [„Meinen Frieden gebe ich euch“] ( Joh 14,27). Mit diesem Wort Jesu Christi möchte ich Sie begrüßen und Ihnen für den Empfang und für Ihre Anwesenheit danken. Ich danke Ihnen, Herr Präsident, nicht nur für Ihre herzlichen Worte, sondern auch dafür, daß Sie diese Begegnung möglich gemacht haben. Zusammen mit Ihnen habe ich eben eine Libanonzeder, Symbol Ihres schönen Landes, gepflanzt. Beim Anblick dieses Bäumchens, das viel Betreuung brauchen wird, bis es kräftig wird und seine majestätischen Äste ausbreiten kann, habe ich an euer Land und sein Schicksal gedacht, an die Libanesen und ihre Hoffnungen, an alle Menschen in dieser Region der Welt, welche die Schmerzen einer nicht enden wollenden Niederkunft durchzumachen scheint. Da habe ich Gott gebeten, euch zu segnen, den Libanon und alle Bewohner dieser Region zu segnen, die große Religionen und hohe Kulturen entstehen sah. Warum hat Gott diese Region erwählt? Warum ist sie solchen Stürmen ausgesetzt? Gott hat sie, so scheint mir, als Beispiel ausgewählt, damit sie vor der Welt bezeugt, welche Möglichkeiten der Mensch hat, um seine Sehnsucht nach Frieden und Versöhnung konkret zu leben! Dieses Streben ist seit jeher in den Plan Gottes eingeschrieben, der es in des Menschen Herz eingeprägt hat. Der Friede ist es, über den ich mit euch sprechen möchten, denn Jesus hat gesagt: سَلامي أُعطيكُم [„Meinen Frieden gebe ich euch“].
Ein Land ist reich vor allem durch die Menschen, die in ihm leben. Von jedem von ihnen und von allen zusammen hängen seine Zukunft und seine Fähigkeit ab, sich für den Frieden zu engagieren. Ein solches Engagement wird nur in einer geeinten Gesellschaft möglich sein. Einheit bedeutet jedoch nicht Einförmigkeit. Der Zusammenhalt der Gesellschaft wird durch die ständige Achtung der Würde jedes Menschen gewährleistet ebenso wie durch den verantwortlichen Beitrag eines jeden einzelnen entsprechend seiner Fähigkeiten zu ihrem Besten. Um den für den Aufbau und die Festigung des Friedens notwendigen Dynamismus sicherzustellen, muß man immer wieder zu den Grundlagen des Menschen zurückkehren. Die Würde des Menschen ist nicht zu trennen von der Heiligkeit des vom Schöpfer geschenkten Lebens. Im Plan Gottes ist jeder Mensch einzigartig und unersetzbar. Er kommt in einer Familie zur Welt, die der erste Ort seiner Humanisierung und vor allem die erste Erzieherin zum Frieden ist. Um den Frieden aufzubauen, muß sich daher unsere Aufmerksamkeit auf die Familie richten, um ihre Aufgabe zu erleichtern, sie auf diese Weise zu unterstützen und dadurch überall eine Kultur des Lebens zu fördern. Die Wirksamkeit des Einsatzes für den Frieden hängt davon ab, welche Auffassung vom menschlichen Leben die Welt haben kann. Verteidigen wir das Leben, wenn wir den Frieden wollen! Diese Logik schließt nicht nur den Krieg und terroristische Aktionen aus, sondern auch jeden Angriff auf das Leben des Menschen, des von Gott gewollten Geschöpfes. Die Gleichgültigkeit oder die Leugnung dessen, was die wahre Natur des Menschen ausmacht, verhindern die Achtung jener Grammatik, die das dem Menschen ins Herz eingeschriebene Naturrecht ist (vgl. Botschaft zum Weltfriedenstag 2007, Nr. 3). Die Größe und der Seinsgrund jedes Menschen sind nur in Gott zu finden. Die bedingungslose Anerkennung der Würde jedes Menschen, eines jeden von uns und die Anerkennung der Heiligkeit des Lebens schließen die Verantwortung aller vor Gott ein. Wir müssen deshalb unsere Anstrengungen vereinen, um eine gesunde Anthropologie zu entwickeln, die die Einheit der Person einschließt. Ohne sie ist der Aufbau wahren Friedens nicht möglich. Auch wenn sie in den Ländern sichtbarer sind, die bewaffnete Konflikte – diese Kriege voll Selbstüberhebung und voll Schrecken – durchmachen, so gibt es Angriffe auf die Unversehrtheit und das Leben von Menschen auch in anderen Ländern. Arbeitslosigkeit, Armut, Korruption, verschiedene Abhängigkeiten, Ausbeutung, Handel aller Art und Terrorismus führen neben dem unannehmbaren Leid der davon betroffenen Opfer zu einer Schwächung der menschlichen Möglichkeiten. Die Wirtschafts- und Finanzlogik will uns unaufhörlich ihr Joch aufzwingen und dem Haben vor dem Sein den Vorrang geben! Aber der Verlust jedes Menschenlebens ist ein Verlust für die ganze Menschheit. Diese ist eine große Familie, für die wir alle verantwortlich sind. Gewisse Ideologien, die immer wieder direkt oder indirekt oder sogar legal den unveräußerlichen Wert jedes Menschen und die natürliche Grundlage der Familie in Frage stellen, untergraben damit die Fundamente der Gesellschaft. Wir müssen uns dieser Angriffe auf den Aufbau und die Harmonie des Zusammenlebens bewußt sein. Nur eine echte Solidarität ist das Gegenmittel gegen all das. Solidarität, um das abzuweisen, was die Achtung jedes Menschen behindert; Solidarität, um die politischen Maßnahmen und die Initiativen zu unterstützen, die darauf hinarbeiten, die Völker auf ehrliche und gerechte Weise zu vereinen. Es ist schön, die Aktionen von Zusammenarbeit und echtem Dialog zu sehen, die eine neue Weise des Zusammenlebens schaffen. Eine bessere Qualität des Lebens und einer ganzheitlichen Entwicklung ist nur möglich, wenn unter Achtung der Identität jeder Seite ein Teilen der Reichtümer und Kompetenzen erfolgt. Aber eine solche Weise ausgeglichenen und dynamischen Zusammenlebens kann es ohne das Vertrauen in den anderen, wer immer es auch sei, nicht geben. Heute müssen die kulturellen, sozialen und religiösen Unterschiede dazu führen, ein neues Modell von Brüderlichkeit zu leben, wo eben das Verbindende die gemeinsame Auffassung von der Größe des ganzen Menschen ist und das Geschenk, das er für sich selbst, für die anderen und für die Menschheit ist. Dort ist der Weg des Friedens zu finden! Dort liegt das Engagement, das von uns verlangt wird! Dort liegt die Orientierung, welche die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen auf jeder Ebene und in planetarem Maßstab leiten muß! Um den Generationen von morgen eine Zukunft in Frieden zu eröffnen, ist daher die erste Aufgabe die Erziehung zum Frieden, um eine Friedenskultur aufzubauen. Die Erziehung in der Familie oder in der Schule muß vor allem Erziehung zu den geistigen Werten sein, die der Weitergabe des Wissens und der Traditionen einer Kultur ihren Sinn und ihre Kraft geben. Der menschliche Geist hat einen angeborenen Sinn für das Schöne, Gute und Wahre. Das ist das Siegel des Göttlichen, die Spur Gottes in ihm! Von diesem universalen Streben rührt eine feste und rechte Moralauffassung her, die immer den Menschen ins Zentrum rückt. Der Mensch kann sich aber nur frei zum Guten hinwenden, denn „die Würde des Menschen verlangt, daß er in bewußter und freier Wahl handle, das heißt personal, von innen her bewegt und geführt und nicht unter blindem innerem Drang oder unter bloßem äußerem Zwang“ ( Gaudium et spes, 17). Es ist Aufgabe der Erziehung, das Reifen der Fähigkeit zu begleiten, freie und rechte Entscheidungen zu treffen, die gegenläufig zu verbreiteten Meinungen, Moden, politischen und religiösen Ideologien sein können! Der Aufbau einer Friedenskultur hat diesen Preis! Die verbale oder physische Gewalt muß sichtlich ausgemerzt werden. Gewalt ist immer ein Angriff auf die menschliche Würde sowohl des Opfers wie des Täters. Wenn die Friedenswerke und ihre Ausstrahlung auf das Gemeinwohl aufgewertet werden, weckt man außerdem auch das Interesse für den Frieden. Wie die Geschichte bezeugt, spielen solche Friedensgesten eine beachtliche Rolle im gesellschaftlichen, nationalen und internationalen Leben. Die Erziehung zum Frieden wird somit hochherzige und aufrechte Männer und Frauen formen, die allen gegenüber, besonders den Schwächsten gegenüber aufmerksam sind. Gedanken, Worte und Gesten des Friedens erzeugen eine von Achtung, Ehrlichkeit und Herzlichkeit geprägte Atmosphäre, wo die Fehltritte und Beleidigungen tatsächlich zugegeben werden können, um dann gemeinsam zur Versöhnung weiterzuschreiten. Mögen die Staatsmänner und die Verantwortungsträger der Religionen darüber nachdenken! Wir müssen uns wohl bewußt sein, daß das Böse nicht eine anonyme Kraft ist, die auf unpersönliche oder deterministische Weise in der Welt agiert. Das Böse, der Dämon führt über die menschliche Freiheit, über den Gebrauch unserer Freiheit. Es sucht einen Verbündeten, den Menschen. Das Böse braucht, um sich auszubreiten, den Menschen. Nachdem es auf diese Weise das erste Gebot der Gottesliebe beleidigt hat, geht es daran, das zweite Gebot der Nächstenliebe zu entstellen. Damit verschwindet die Nächstenliebe zugunsten der Lüge und des Neides, des Hasses und des Todes. Aber es ist möglich, sich nicht vom Bösen besiegen zu lassen und das Böse durch das Gute zu besiegen (vgl. Röm 12,21). Zu dieser Umkehr des Herzens sind wir aufgerufen. Ohne sie stellen sich die so sehr ersehnten menschlichen „Befreiungen“ als Enttäuschungen heraus, denn sie bewegen sich in dem von der Enge des menschlichen Geistes, seiner Härte, seiner Intoleranz, seines Günstlingsgehabes, seiner Rachegelüste, seines Todestriebs eingeschränkten Raum. Die Umwandlung in der Tiefe des Geistes und des Herzens ist notwendig, um einen gewissen Scharfblick und eine gewisse Unparteilichkeit, den tiefen Sinn für Gerechtigkeit und für das Gemeinwohl zurückzugewinnen. Ein neuer und freierer Blick soll dazu fähig machen, menschliche Systeme, die in Sackgassen führten, zu analysieren und in Frage zu stellen, um der Vergangenheit Rechnung tragend voranzuschreiten, damit diese mit ihren verheerenden Auswirkungen nicht wiederholt werden. Diese erforderte Umkehr reißt mit, denn sie eröffnet Möglichkeiten dadurch, daß sie einen Anruf an die zahlreichen Ressourcen richtet, welche im Herzen so vieler Männer und Frauen wohnen, die sich nach einem Leben in Frieden sehnen und bereit sind, sich für den Frieden einzusetzen. Diese Umkehr ist nun besonders anspruchsvoll, wenn es darum geht, nein zur Rache zu sagen, eigene Fehler einzugestehen, Entschuldigungen anzunehmen, ohne sie zu suchen, und schließlich zu vergeben. Denn nur die gewährte und empfangene Vergebung legt die dauerhaften Grundlagen der Versöhnung und des Friedens für alle (vgl. Röm 12,16b.18). Nur so können das gute Einvernehmen zwischen den Kulturen und den Religionen, die gegenseitige Wertschätzung ohne Herablassung und die Achtung vor den Rechten jeder Seite wachsen. Im Libanon wohnen Christen und Muslime seit Jahrhunderten auf gleichem Raum zusammen. Nicht selten sind beide Religionen in ein und derselben Familie anzutreffen. Wenn das in einer Familie möglich ist, warum dann nicht auch auf der Ebene der gesamten Gesellschaft? Die Besonderheit des Nahen Ostens besteht in der Vermischung verschiedener Komponenten über Jahrhunderte. Gewiß, sie haben sich leider auch bekämpft! Eine pluralistische Gesellschaft kann nur auf der Grundlage des gegenseitigen Respekts, des Wunsches, den anderen kennenzulernen, und des andauernden Dialogs bestehen. Dieser Dialog unter den Menschen ist nur in dem Bewußtsein möglich, daß es Werte gibt, die allen großen Kulturen gemeinsam sind, weil sie in der Natur des Menschen verwurzelt sind. Diese Werte, die so etwas wie ein Nährboden sind, bringen die authentischen und charakteristischen Züge des Menschlichen zum Ausdruck. Sie gehören zu den Rechten jedes Menschen. In der Bestätigung der Existenz dieser Werte leisten die verschiedenen Religionen einen entscheidenden Beitrag. Vergessen wir nicht, daß die Religionsfreiheit das Grundrecht ist, von dem viele andere abhängen. Sich zu seiner Religion zu bekennen und sie frei zu leben, ohne sein Leben und seine Freiheit in Gefahr zu bringen, muß jedem möglich sein. Der Verlust oder die Schwächung dieser Freiheit beraubt den Menschen des heiligen Rechts auf ein ganzheitliches Leben auf geistlicher Ebene. Die sogenannte Toleranz hebt die Diskriminierungen nicht auf, mitunter verstärkt sie diese sogar. Und ohne die Öffnung zum Transzendenten, die ihn Antworten auf die Fragen seines Herzens nach dem Sinn des Lebens und nach der Art der moralischen Lebensführung finden läßt, wird der Mensch unfähig dazu, gemäß der Gerechtigkeit zu handeln und sich für den Frieden einzusetzen. Die Religionsfreiheit hat eine für den Frieden unverzichtbare gesellschaftliche und politische Dimension! Sie fördert eine Koexistenz und ein harmonisches Leben durch den gemeinsamen Einsatz im Dienst edler Anliegen und durch die Suche nach der Wahrheit, die sich nicht durch Gewalt aufdrängt, sondern „durch die Kraft der Wahrheit selbst“ ( Dignitatis humanae, 1), jener Wahrheit, die in Gott ist. Denn der gelebte Glaube führt stets zur Liebe. Der echte Glaube kann nicht zum Tod führen. Der Friedensstifter ist demütig und gerecht. Die Gläubigen haben deshalb heute eine wesentliche Rolle, nämlich Zeugnis zu geben von dem Frieden, der von Gott kommt und der ein Geschenk an alle im persönlichen, familiären, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Leben ist (vgl. Mt 5,9; Hebr 12,14). Die Untätigkeit der rechtschaffenen Menschen darf nicht zulassen, daß das Böse triumphiert. Noch schlimmer aber ist es, gar nichts zu tun. Diese wenigen Überlegungen über den Frieden, die Gesellschaft, die Würde des Menschen, über die Werte der Familie und des Lebens, über den Dialog und die Solidarität können nicht bloß geäußerte Ideen bleiben. Sie können und sollen gelebt werden. Wir befinden uns im Libanon, und hier sollen sie gelebt werden. Der Libanon ist jetzt mehr denn je dazu aufgerufen, ein Vorbild zu sein. Politiker, Diplomaten, Vertreter der Religionen, Männer und Frauen aus der Welt der Kultur, ich fordere euch daher auf, gelegen oder ungelegen in eurer Umgebung mutig Zeugnis davon zu geben, daß Gott den Frieden will, daß Gott uns den Frieden anvertraut. سَلامي أُعطيكُم [„Meinen Frieden gebe ich euch“] ( Joh 14,27), sagt Christus! Gott segne euch! Danke! Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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