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| Katechismus und Homosexualität – Eine verpasste Chance18. Mai 2022 in Kommentar, 13 Lesermeinungen „Gerade der vernachlässigte Katechismus nämlich hätte zur echten Seelsorge für homosexuelle Menschen viel zu sagen, und es gehört zur Tragik der Kirche in Deutschland wie anderswo, dass sie sich dem völlig verschloss.“ Gastbeitrag von Joachim Heimerl Wien (kath.net) Als sich 1990 in einer Fernsehserie erstmals zwei Männer küssten, war das Entsetzen in Deutschland groß. So blieb es auch drei Jahre später, als Hollywood mit dem Aids-Drama „Philadelphia“ eine in ihren Vorurteilen verhaftete Gesellschaft entlarvte, die sich in der Ausgrenzung homosexueller Menschen erschreckend einig war: Vielen galt Aids als „Schwulenseuche“, nicht wenigen gar als „Strafe Gottes“. Wer „schwul“ war, stand mehr oder minder im Off einer Gesellschaft, die partout nicht erkennen wollte, dass ein Mensch eben mehr ist als seine Veranlagung und dass er schon deshalb nie diskriminiert werden darf. Doch alles blieb, wie es immer war und dies selbst dann noch, als 1994 in Deutschland der berüchtigte Paragraph 175 des Strafgesetzbuches abgeschafft wurde, der seit der Nazizeit (männliche) Homosexualität unter verschärfte Strafe stellte. Anders als heute fehlte damals von einer „offenen“ oder „toleranten“ Gesellschaft jede Spur. Inmitten dieser Zeit erließ Papst Johannes Paul II. 1992 die Apostolische Konstitution „Fidei depositum“, mit der er den neuen Katechismus der Katholischen Kirche approbierte. „Die Hirten der Kirche und die Gläubigen“ sollten nach dem Willen des Papstes den Katechismus „bei der Erfüllung ihrer Sendung benutzen, wenn sie das Evangelium verkünden und zu einem Leben nach dem Evangelium aufrufen.“ Das war – zumal für die Kirche in Deutschland – nichts weniger als eine verpasste Chance, und bis heute ist das päpstliche Ansinnen dort völlig gescheitert. Der Katechismus blieb weitgehend ignoriert, eine profunde Katechese fiel flächendeckend aus. Dies betraf die Glaubenslehre ebenso wie die kirchliche Moral, und wenn Kardinal Marx den Katechismus jüngst mehr oder weniger als obsolet bezeichnet hat, brachte dies den antirömischen Reflex in Deutschland einmal mehr auf den Punkt. Der wiederum hat sich im Zuge des Synodalen Irrweges inzwischen mit einer antikirchlichen Agenda amalgamiert, die gerade die katholische Lehre bezüglich der Homosexualität aufs Schärfste bekämpft. Kardinal Marx und Bischof Bätzing haben bislang weite Teile des deutschen Episkopats in einen äußersten Gegensatz zum kirchlichen Lehramt gebracht und riskieren tatsächlich die Trennung von Rom. „Wie hältst Du's mit der Homosexualität“ ist gleichsam zur Gretchenfrage abtrünniger Katholiken geworden, die unter dem Schlagwort „Liebe gewinnt“ bundesweit von der Kirche verbotene „Segensfeiern“ für gleichgeschlechtliche Paare veranstalten. Kaum jemand fragt sich jedoch, gegen wen „die Liebe“ denn überhaupt „gewinnen“ solle? Etwa gegen Gott, von dem wir wissen, dass er die Liebe selbst ist (vgl. 1. Joh. 4,16), gegen sein Gebot, das er den Menschen gegeben hat, oder gegen seinen Geist, mit dem er die Kirche sicher durch Zeiten führt? Überall dort aber, wo der Mensch gegen Gott und seine Kirche „gewinnen“ will, verliert er nur sich selbst und die von Gott geoffenbarte Wahrheit. Solcher „Gewinn“ ist so nichts anderes als ein trauriger Verlust. Dabei geht es auf die Rechnung von Bätzing und Marx, dass der katholischen Glaube an den Wühltischen des Mainstreams verschleudert wird und die Menschen doch um nichts weniger betrogen sind, als um jenen Schatz des Glaubensgutes, das den Hirten der Kirche einmal anvertraut worden war. Abgesehen davon ist es schändlich, im reformistischen Kampf gegen die Kirche ausgerechnet jenen Personenkreis zu instrumentalisieren, den man zuvor viel zu lange ausgegrenzt und dem man eine echte Zuwendung ebenso versagt hat, wie man dem Volke Gottes die Katechese vorenthalten hat. Gerade der vernachlässigte Katechismus nämlich hätte zur echten Seelsorge für homosexuelle Menschen sehr viel zu sagen, und es gehört zur Tragik der Kirche in Deutschland wie anderswo, dass sie sich seit den 1990-er Jahren dem völlig verschloss. Dabei war es der Katechismus, der bei seinem Erscheinen eindringlich an die homophobe Gesellschaft der frühen 90-er Jahre appellierte, jede Form von Diskriminierung Homosexuellen gegenüber endlich zu überwinden: Ihnen dürfe man nicht mit Ausgrenzung begegnen, heißt es da, sondern nur mit „Achtung, Mitgefühl und Takt (...) Man hüte sich, sie in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen“. Hätte die Kirche genau dies dem Wunsch des Papstes entsprechend verkündigt, hätte sie schon vor Jahrzehnten eine gesellschaftliche Vorreiterrolle übernehmen, viele Wunden heilen und das Klima gegenüber homosexuellen Menschen positiv beeinflussen können. Sie hätte schon damals jene Mutter sein können, von der Papst Franziskus erst unlängst gesagt hat, dass sie alle ihre Kinder zusammenruft und keines von ihnen ablehnt, auch ihre homosexuellen Kinder nicht. Natürlich nicht, möchte man hinzufügen, denn nach dem Katechismus sind selbstverständlich auch homosexuelle Menschen „berufen in ihrem Leben den Willen Gottes zu erfüllen und, wenn sie Christen sind, die Schwierigkeiten, die ihnen aus ihrer Verfasstheit erwachsen können, mit dem Kreuzesopfer des Herrn zu vereinen.“ Diese frohe Botschaft von Inklusion, Erlösung und Liebe einer viel zu lange ausgegrenzten Minderheit auszurichten, ist in Deutschland dagegen ebenso fehlgeschlagen wie nahezu überall in der katholischen Welt. Inzwischen haben sich jedoch, wenigstens in Europa, die Zeiten drastisch geändert: Die radikalen Ablehnung homosexueller Menschen ist weit mehr als in ihr Gegenteil umgeschlagen: Aus einer Randgruppe ist eine „Pressuregroup“ geworden, die die Gesellschaft nachhaltig aufmischt. Als Ableger der Genderwahns hat sich eine „LGBTQ+“ - Ideologie entwickelt, die den Umgang mit Homosexualität zum gesellschaftlichen Kernanliegen stilisiert und allerorten regenbogenfarbene Blüten treibt. Aus einer diskriminierten Minderheit ist so eine tonangebende Stimme in der Gesellschaft geworden, die ein eigenes, unchristliches Menschenbild propagiert, die alle Spielarten der Sexualität duldet und diese unterschiedslos akzeptiert. Eins duldet sie freilich nicht: den Widerspruch zur eigenen, sehr begrenzten Sicht auf den Menschen und dies schon gar nicht, wenn sich dieser Widerspruch aus der biblischen Schöpfungsordnung ergibt. Die Selbstermächtigung des modernen Menschen braucht schließlich keinen Gott und keine Schöpfung mehr; sie gibt sich ihre Ordnung wie ihre Götter selbst und will nicht bemerken, dass gerade so jene Unordnung entsteht, die nicht erst nach Goethe die typische Handschrift des Widersachers trägt, des „Geist[s] der stets verneint.“ Nur aus dieser Verneinung heraus ist es zu verstehen, wenn plötzlich in Abrede gestellt wird, was der Schöpfer selbst in seine Schöpfung eingeschrieben hat: die offensichtliche Zweigeschlechtlichkeit des Menschen oder auch die natürliche Familie. Stattdessen wird behauptet, eine Verbindung zwischen Personen gleichen Geschlechts sei von Gott ebenso gewollt wie die Ehe von Mann und Frau, und wer auch immer wagt, diesen wie anderen haltlosen Thesen zu widersprechen, wird wie in Stahlgewittern des höchsten Vergehens angeklagt, das eine vermeintlich „tolerante“ und „liberale“ Gesellschaft kennt: dem freien Bekenntnis zur römisch-katholischen Religion. Der Geist der Verneinung tritt eben immer als der ständige „Ankläger“ auf, der alle, die ihm die Gefolgschaft verweigern, „bei Tag und bei Nacht“ (Off. 12,10) verklagt. Spätestens an diesem Punkt der Entwicklung hat die Kirche das Versagen in ihrer bisherigen Verkündigung eingeholt. Doch anstatt einer zunehmend orientierungslos gewordenen Gesellschaft endlich die ureigene Botschaft zu vermitteln, schlägt man – wieder im Gegensatz zu „Fidei depositum“ – abermals den falschen Weg ein, diesmal den Weg der völligen Assimilierung an den Geist der Verneinung, den man gefälliger den „Zeitgeist“ nennt, an den Geist der Genderideologie – und an sein neues „Credo“: „LGBTQ+“. Mit der Sendung der Kirche hat solche Praxis freilich nichts mehr zu tun, und gerade weil die Kirche nach den Worten von Papst Franziskus vor allem Mutter ist, ist es nicht nur ihre Aufgabe, sich ihrer Kinder anzunehmen, sondern sie in Liebe zu einem Leben anzuleiten, dass den Geboten Gottes entspricht. Dazu gehört eben auch, dass homosexuelle Akte, wie es der Katechismus sagt, „in sich nicht in Ordnung“ sind, auch wenn das in Zeiten allgemeiner Libertinage heute kaum einer wahrhaben will. So wahr es aber ist, dass Gott alle Menschen liebt, so wahr ist es eben auch, dass er als Zeichen seiner Liebe den Bund von Mann und Frau gestiftet und gesegnet hat - nur diesen Bund und keinen anderen, und aus diesem Grund gibt es auch keine Möglichkeit, homosexuelle Beziehungen zu segnen, wiewohl selbstverständlich jeder einzelne Gläubige, ganz gleich wie er veranlagt ist, für sich den Segen Gottes erbitten und sein Leben durch den Empfang der Sakramente heiligen kann und soll. Die Glaubenskongregation hat dies 2021 nochmals differenziert klargestellt, und es wäre einmal mehr die Aufgabe der deutschen Bischöfe gewesen, diese Position der Kirche den Menschen in der Liebe zu vermitteln, mit der dies verstärkt der Heilige Vater selber tut – und zwar ohne die Gebote Gottes zu verleugnen und wie Marx oder Bätzing billig zu polarisieren. In diesem Sinne hat mit Papst Franziskus eine neue Zeit im Umgang mit homosexuellen Menschen in der Kirche begonnen, eine Zeit der liebevollen Hinwendung und eben auch eine Zeit der Aufrichtigkeit. Niemand wird etikettiert oder abgelehnt. Wir wissen alle, dass wir Sünder sind, und wir dürfen, wie Christian de Chergé gesagt hat, darauf vertrauen, dass wir in den Augen Gottes viel mehr sind, als nur unsere Sünde und unsere Veranlagung. So wird jeder in der Weise angenommen, wie er durch die Taufe und die Firmung zur Kirche gehört. Dass dieser Weg gerade für homosexuelle Menschen einfach ist, behauptet niemand. Aber nur auf diesem aufrichtigen Weg, den Johannes Paul II. im Katechismus vorgezeichnet hat, gilt es auf dem Boden der bestehenden kirchlichen Lehre gemeinsam unterwegs zu sein: unterwegs zu Jesus Christus. Dazu wird natürlich niemand gezwungen, aber alle sind selbstverständlich dazu eingeladen, und es gehört zu den Verdiensten von Papst Franziskus, dass er diese Einladung ausdrücklich auch für alle homosexuellen Katholiken ausgesprochen hat. Diese Einladung überall weiterzugeben würde zu jenem päpstlichen Projekt gehören, von dem die reformistische Kirche in Deutschland noch immer nichts wissen will: Katechese und Evangelisation. Dr. Joachim Heimerl (siehe Link) ist Priester der Erzdiözese Wien und Oberstudienrat. Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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