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Ist Judas nun in der Hölle, denn im Himmel kann er doch nicht sein?

5. April 2012 in Spirituelles, 52 Lesermeinungen
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Kardinal Meisner zum Gründonnerstag: Dass so etwas möglich ist: trotz Berufung und trotz dreijähriger intensiver Gemeinschaft mit dem geliebten Meister zum Verräter zu werden!


Köln (kath.net)
Die Predigt von Kardinal Meisner zum Gründonnerstag im Hohen Dom zu Köln am 5. April 2012

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

1. Bei keinem Gottesdienst im Laufe des Kirchenjahres berührt mich persönlich so tief das Schicksal des Judas wie am Gründonnerstag. Er ist doch auch ein von Jesus Christus erwählter Jünger wie die anderen Elf ebenso.

Er durfte doch auch drei Jahre lang in der Lebens-, Lern- und Glaubensgemeinschaft mit Jesus Christus stehen. Warum ist denn das Ergebnis dieser drei Jahre derart, dass aus dem Jünger der Verräter wurde? Es läuft mir jedes Mal kalt über den Rücken, wenn ich im Johannesevangelium lese, dass Jesus beim Letzten Abendmahl dem Judas die Eucharistie in die Hand gibt und er mit der Leibhaftigkeit des Herrn in der Hand nach draußen geht. Und der Evangelist sagt: „Es war aber Nacht“ (Joh 13,30). Ein großer Theologe sagt: „Das ist das äußerste „Domine, non sum dignus““ – „Das äußerste „Herr, ich bin nicht würdig““.

Dass so etwas möglich ist: trotz Berufung und trotz dreijähriger intensiver Gemeinschaft mit dem geliebten Meister zum Verräter zu werden! Wie kann man sich das vielleicht erklären? Viele Theologen und Heilige haben darüber nachgedacht. Und ich glaube, es scheint richtig zu sein, was viele vermuten: Judas ist dem Ruf des Herrn gefolgt in der Meinung, dass er der damals erwartete Messias sei, der mit Feuer und Schwert das Volk Israel aus seiner Bedrückung befreien werde. Darin stand Judas sicher nicht allein da, wenn uns berichtet wird, dass bei der Gefangennahme Jesu am Ölberg Petrus selbst zum Schwert greift und einem Knecht das Ohr abschlägt (vgl. Joh 18,10). Das ist auch für uns alle eine Gefahr und Versuchung, uns ein Christusbild zu Recht zu machen nach unserem Ebenbild und Gleichnis. So kann sich das Gottesbild in uns, in einer ganzen Generation zu einem Götzenbild disqualifizieren.


2. Ich erinnere mich immer noch an eine Begegnung in meiner Kaplanszeit. Ich kam anlässlich eines Hausbesuches mit einem älteren Förster ins Gespräch, der Gott und der Kirche den Rücken gekehrt hatte. Als ich versuchte, ihm wieder eine Brücke zu Gott zu bauen, sagte er mir kühl: „Herr Kaplan, geben Sie sich gar keine Mühe. Das Gottesbild meiner Kindheit können Sie mir doch nicht mehr zurückgeben“.

Ich habe ihm gesagt: „Das darf ich Ihnen gar nicht zurückgeben, und das will ich Ihnen nicht zurückgeben. Ich will Ihnen ein Gottesbild bringen, das viel schöner, das größer, das tiefer, das faszinierender und hinreißender ist“. Der Mensch ist götzendienerisch veranlagt. Er neigt sehr dazu, Gott, Christus und die Kirche nach seinen eigenen Maßstäben zu bemessen und zu gestalten. „Du sollst keine fremden Götter neben mir haben“ (vgl. Ex 20,5), ist immer eine hochaktuelle Mahnung und Warnung an uns, und das werden wir uns am Gründonnerstag erneut sagen lassen müssen, damit wir nicht in den Bannkreis des Judas geraten, der so gut angefangen hat wie die anderen Elf auch. Aber in ihm ist wohl im Laufe der Zeit unmerklich Stück für Stück eine Entfremdung vom Herrn und eine Distanzierung vom Herrn entstanden, sodass er fähig wurde, ihn für 30 Silberlinge auszuliefern. Vielleicht meinte er, dass dieses jetzt eine gewisse Entschädigung für die vertanen drei Jahre in seiner Nachfolge sei.

Das Evangelium ist ja nicht nur Geschichte, in der uns berichtet wird, was einmal früher war, sondern das Evangelium ist Prophetie. Es deckt auf, was auch heute ist. Ich glaube, die Judasse sterben nicht aus. Und vielleicht war damals der Johannes an der Brust des Herrn am Abendmahlstisch ein kleiner Trost für den Weggang des Judas in die Nacht mit der Eucharistie in der Hand. Der Herr wartet auch heute auf solche Johannesgestalten, die im gesunden Sinn in der Intimität Jesu zu Hause sind. Von Johannes heißt es: Es ist der Jünger, der Jesus liebte. Und warum liebte er ihn? – Weil er seine Heilserwartungen, seine eigenen Messiasvorstellungen und seine eigenen Gedanken über den Sinn des Lebens vor der strahlenden Botschaft des Jesus von Nazareth hinter sich warf und sich mit ganzem Herzen und mit beiden Händen dem Herrn entgegenhielt. „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebhabe“ (Joh 21,17), wie Petrus sagte.

3. Judas erhängte sich mit einem Strick, das ist das unfassbare Ergebnis eines Jüngerlebens. Das ist eine Katastrophe, die auch Jesus in seiner Passion nicht erspart blieb. Wie muss er gerade daran gelitten haben! Und wie müssen – so stelle ich mir das vor – die übrigen Apostel über das Ende ihres Kollegen deprimiert gewesen sein. So etwas bleibt uns auch heute nicht erspart. Der Judas spürte das brennende Feuer des Verrätergeldes in seinen Händen. Und er wollte es auch zurückbringen.

Er legte dabei das Bekenntnis ab: „Ich habe euch einen unschuldigen Menschen ausgeliefert“ (Mt 27,4). Warum endet er dann trotzdem am Baum? Eines der teuflischsten Worte, die im Neuen Testament stehen, heißt: „Was geht das uns an? Das ist deine Sache“ (Mt 27,4). Es ist die Antwort des Hohenpriesters und der Ältesten an Judas, der das Geld bringen wollte und dabei bekannte, dass er unschuldiges Blut verraten habe. Das Bekenntnis wurde nicht angenommen: „Das ist deine Sache!“, und das Geld wurde nicht angenommen, weil es Blutgeld war. Was Jesus mit seiner Botschaft für die Menschen getan hat, war bis zu den religiösen Führern Israels noch nicht vorgedrungen. Das ist das Schlimmste, was uns als Kirche passieren kann, in die Rolle der Hohenpriester zu fallen, das Schuldbekenntnis der Menschen nicht anzunehmen und das schreckliche Wort zu wiederholen: „Das ist deine Sache!“ und die Unrechtsgabe als Sühnegabe abzuweisen. Das lässt den Sünder in der Verzweiflung ersticken. Dann bleibt wohl nur noch der Strick.

Schon seit Kindheitszeiten habe ich mich oft aus Mitleid mit dem armen Judas gefragt: „Ist er nun in der Hölle, denn im Himmel kann er doch nicht sein? Er hat doch Jesus verraten!“. Ich habe in meinem langen Leben oft mit Priestern und gläubigen Menschen darüber gesprochen. Es wurde dabei oft gesagt: „Die Kirche hat noch niemanden verdammt, aber sehr viele heiliggesprochen“. Also hätte man auch Hoffnung für Judas zu haben. Das ist richtig! Aber eine Lösung war es für mich nicht.

Bis ich eines Tages die Holzschnitte eines Kreuzweges einer modernen Künstlerin in die Hände bekam. Sie hatte zu den vierzehn Stationen eine fünfzehnte hinzugefügt: Jesus stirbt am Baum des Kreuzes, und Judas stirbt mit dem Strick um den Hals am Baum der Verzweiflung.

Seine Füße aber sind überkreuzt. Sie erwecken den Eindruck wie betende Hände. Auf meine Nachfrage bei der Künstlerin, was denn die überkreuzten Füße des Judas sollen, gab sie die Antwort: „In der letzten Sekunde vor seinem Tod rief er den Erlöser am Kreuz um Vergebung an. Es war ihm nur noch mit den Füßen möglich“. Die drei Jahre mit Jesus waren wohl doch nicht umsonst und auch nicht der Erlösertod des Meisters. Die Gestalt des Judas will nicht das verhaltene tiefe Leuchten um den Abendmahlstisch mit der Eucharistie verdunkeln, sondern Judas möchte uns gleichsam einladen, uns nicht den Blick des Glaubens auf den Herrn verstellen zu lassen, der sich für uns ausgehändigt hat in der heiligen Eucharistie, damit wir immer eingehändigt bleiben in seinen guten Händen.

Amen.

+ Joachim Kardinal Meisner
Erzbischof von Köln


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