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'Unfehlbar' - Welche Antwort auf Hans Küngs Buch?

26. April 2003 in Weltkirche, keine Lesermeinung
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Ein Vortrag von Prof. Cajiao aus Bogotoa anlässlich der von der Kongregation für den Klerus organisierten monatlichen Weiterbildung der Priester zum Thema "Der Primat Petri" vom 28. März 2003


Der Vortrag im Wortlaut:

Anläßlich des 100sten Jahrestages des I Vatikanischen Konzils (1869-1870), veröffentlichte Hans Küng, Schweizer Theologe und Theologiedozent an der Tübinger Universität, folgendes Buch: "Unfehlbar? Eine Frage", in dem er ernsthaft die dogmatische Aussage in Frage stellte, die eben dieses Konzil in Bezug auf die Unfehlbarkeit ausgesprochen und durch Papst Pius IX. ratifiziert hatte (18.Juli 1870, vgl. DZ 1839).

Um das was angefochten wird zu verstehen, erachte ich es als notwendig, kurz an das zu erinnern, was Küng sagt. Der Prolog des Werkes will darauf verweisen, wie - trotz der durch das II.Vatikanische Konzil erwirkten Erneuerungen - die Machtstruktur der Kirche weiterhin unverändert besteht; daher die dringende Notwendigkeit auf die Bedeutung, das Wesen und die Funktion des Lehramtes zu verweisen, vor allem in seiner höchsten Form, dem unfehlbaren Magisterium.

Küng entwickelt den Kern der Diskussion von Humanae vitae ausgehend. Von der Problematik des natürlichen Rechts absehend, geht er direkt zum lehramtlichen Aspekt über und fragt sich: warum hat der Papst nicht die von der Mehrheit vorgeschlagene Lösung übernommen? Die Antwort, die er ausmacht ist, daß der Papst so gehandelt hat, da er nur so die lehramtliche Kontinuität des Magisteriums wahren konnte. Küng bemüht sich auch zu beweisen, daß gemäß der geltenden Kriterien in Bezug auf ordentliches und universales Magisterium, die Lehren der Humanae Vitae als unfehlbar gelten müssen. In Bezug auf diese Enzyklika Stellung zu nehmen, ohne den Aspekt der Unfehlbarkeit zu berücksichtigen, entspricht einem völligen Abweichen vom Thema.

Der zweite Teil des Werkes definiert die Grundlagen dieses unfehlbaren Magisteriums und weist daraufhin, dass das II. Vatikanische Konzil sich auf die bereits vom Vatikanum I festgelegten Prinzipien berufen hat, die Betonung jedoch auf die Unfehlbarkeit des Bischofskollegs in Gemeinsamkeit mit dem Papst, setzend. Küng macht jedoch einige problematische Punkte dieser Doktrin aus, da es seiner Ansicht nach nicht ausreicht zu behaupten, die Bischöfe seien qualifizierte, direkte und ausschliessliche Nachfolger der Jünger und dass die Jünger diese Unfehlbarkeit für sich eingefordert haben sollen. Der weitere Bezugspunkt sei gerade das Vatikanum I, dessen Bedeutung schon aus sich heraus geprägt ist durch sein in-Frage-stellen sei es des historischen wie auch des traditionellen Aspekts. Küng folgert daraus, dass besagte Grundlagen für die heutige Theologie eigentlich weder sicher noch unumstösslich sind, wie sie es wohl auch nicht für die Theologie zu Zeiten des Vatikanums I waren.

Die zentrale Problematik ist von ihm erst von der negativen und anschliessend von der positiven Sicht aus angegangen worden. Beginnen wir mit der negativen: man kann unmöglich diskutieren, geht man von der Hypothese aus, dass die Konziliarväter des Vatikanum I sich nicht frei fühlten, da die Definition der Unfehlbarkeit von der Mehrheit verfechtet wurde. Man kann auch nicht über das Recht des Einzelnen, seinem Gewissen entsprechend mit den lehramtlichen Inhalten nicht einverstanden zu sein, diskutieren, auch nicht, wenn man auf die Grenzen der lehramtlichen Definition Bezug nimmt. Sollte ein Papst so weit gehen eine derartige dogmatische Definiton auszusprechen, müsste man sich fragen ob ein Mensch der nicht Gott ist, unfehlbar sein kann. Was zur Debatte steht ist also die Wahrheit und Authorität der Kirche. Die Wahrheit der Kirche kann nicht mit jener Gottes gleichgestellt werden, doch die Kirche kann von der Wahrheit Gottes gültiges Zeugnis ablegen. Deshalb fragt sich Küng, ob solcherlei Zeugnisse unfehlbaren Formulierungen entsprechen. Der Author stellt die theologische Ansicht Rahners in Frage, indem er die Wahrheit in den eschatologischen Horizont Gottes einfügt, jedoch die Fehler und Sünde ermöglichende, eschatologische Vergänglichkeit und Fragmentation der Wahrheit der Kirche nicht ernst nimmt.

Die positive Sicht wird folgendermassen formuliert: Braucht die Unfehlbarkeit der Kirche unfehlbare Propositionen? Küngs Ansicht nach braucht der Glaube Propositionen die sie zusammenfassen, wie die Glaubensbekenntnisse oder die apologetisch-definierenden Propositionen in Notfällen, braucht jedoch keine tendentiös-erklärende Propositionen, die eine Entwicklung des Dogmas gemäss einer problematischen Auffassung der Evolution vorschlagen. Küng ist der Ansicht, dass nicht bewiesen worden ist, dass der Glaube diese unfehlbaren Formulierungen braucht, und diese grundlegende Frage ist in keinem der beiden Konzile Diskussionsgegenstand gewesen. Im Vatikanum I wurde dem Papst das Dogma der Unfehlbarkeit der Kirche zugesprochen, ohne jedoch zu erklären, worin diese Unfehlbarkeit bestehen solle, von der Voraussetzung ausgehend, dass eine Kirche die über solcherlei Eigenschaften verfügt, nur unfehlbare Behauptungen aufstellen könne. Daher die Frage: werden die der Kirche gegebenen Versprechen nur gehalten sofern sie in spezifischen unfehlbaren Propositionen konkretisiert werden?

Im letzten Teil bereitet Küng seine Antwort durch hermeneutische Überlegungen allgemeiner Art vor, in Bezug auf die Problematik der Propositionen, die – obwohl sie richtig sind – nicht zur Wahrheit durchdringen und somit zweideutig interpretiert werden können, auch wenn sie von der Perspektive des rationalistischen Ideals ausgehen, das klare, also fehlerfreie, Aussagen fordert, welche einen starken Einfluss auf die katholische Theologie des 19. Jahrhunderts gehabt haben. Küng hat diese Problematik auf die ekklesiastischen Definitionen übertragen. In diesem Zusammenhang könnten die Propositionen wahr oder unwahr erscheinen, entsprechend der Einseitigkeit der Formulierung innerhalb eines polemischem Zusammenhangs. Somit entsteht die Aporie der Gleichzeitigkeit des Versprechens Jesu an die Kirche in Bezug auf seine Unfehlbarkeit mit dem in den ekklesiatischen Definitionen bestehendem Fehler. Es ist somit ein übergeordneter Standpunkt erforderlich um das Bestehen der Wahrheit der Kirche aufzunehmen, und es wäre hier angebrachter nicht von Unfehlbarkeit zu sprechen, sondern von Unvergänglichkeit; die besonderen Fehler würden das Bestehen in der Wahrheit nicht auslöschen.

Es offenbart sich somit ein Unterschied zwischen dem alttestamentarischen Volk Gottes und der neutestamentarischen Kirche, da diese nicht ein fragmentiertes und provisorisches Wort besitzt, sondern ein letztes und definitives. Keinerlei Bedrohung des neuen Gottesvolkes dürfte sie an der Sicherheit ihrer Erlösung zweifeln lassen, obwohl sie in ihrer Schwäche verharrt. Auch die für den Glaubenden typische Sicherheit des Glaubens unterliegt hier nicht, auch nicht den zweideutigen oder unwahren Propositionen die Jesus Christus im Laufe seiner Predikation vorgegeben wurden.

Küng verweist auf die ekumänischen Problematiken, die eigene Ausrichtungen haben, da die orthodoxe Theologie die Authorität des Papstes durch die der Konzile ersetzt, während die Protestanten die Unfehlkbarkeit der Bibel verkünden; doch auch auf sie fallen die gleichen Fragen zurück, die vom katholischen Glauben gestellt werden. Zweifelsohne muss man die Wahrheit und Authorität der Heiligen Schriften anerkennen, jedoch nicht im Sinne einer prinzipiell vorausgesetzten Fehlerlosigkeit ihrer Aussagen, als vielmehr im von Jesus Christus gegebenen, guten und getreuen Sinne.

Küng sinniert über den Begriff des Magisteriums, betrachtet es als träge und undurchschaubar. Er weist daraufhin, wie alle Glaubenden die Aufgabe der Prädikation haben und dass diejenigen, die die Kirche verwalten, nicht mehr und nicht weniger sind als ihre Meister. Er erinnert daran, dass diese Funktion des Meisters/Lehrers im Neuen Testament auf eine andersgeartete Gruppe innerhalb der Gemeinschaft bezogen ist und nicht von der Hierarchie absorbiert werden darf. Gleichzeitig wird die Funktion des Theologen in diesem Zusammenhang ausgeübt und solcherlei Einschränkungen der Funktionen sollten dazu führen, dass die verschiedenen Formen des Dialogs als Notwendigkeit empfunden werden. Es ist Aufgabe der Hierarchie, angesichts der Ketzerei, die Grenzen zu stecken und Aufgabe des Theologen, vor den Hierarchien, der Wahrheit Zeugnis abzulegen.

Ich bin der Ansicht, dass es durchaus Wert ist, die Ergebnisse der bezüglich des obengenannten Buches, innerhalb der Katholischen Kirche entstandenen, offenen und angeregten Debatte, vorzulegen. Ergebnisse, die erst durch Karl Rahner und dann durch Walter Kasper weiter ausgearbeitet worden sind.

Karl Rahner

Die von Küng aufgeworfenen exegetischen und historischen Grundlagen beiseite lassend, argumentiert Rahner: wenn die Verfahrensweise, die die Geschichte berücksichtigt, die alten Realitäten nicht in den heutigen wiederfindet, so muss man daraus folgern, dass die Aktualität keine Gültigkeit hat.

Küng scheint zu unterscheiden zwischen "bestehen in der Wahrheit" und "Wahrheit der Propositionen". Er ist der Ansicht, dass die Kirche unvergänglich ist, geht jedoch nicht soweit auch anzugeben, welche Strukturen der Kirche es seien und behauptet im Widerspruch dazu, dass die Propositionen als solche weder unfehlbar noch unvergänglich seien: weder jene des Papstes, noch jene des Konzils, noch jene der Heiligen Schrift selbst, so dass prinzipiell, jede Proposition des Magisteriums unwahr sein könnte.

Um dies zu beweisen, würde es ausreichen unwahre Prinzipien anzuführen, die als Dogmen ausgesprochen worden sind. Gleichzeitig scheint Küng Humanae Vitae in Frage zu stellen, dessen Lehraussage, gemäss der geltenden römischen Prinzipien, als Dogma erachtet werden sollte, obwohl sie fehlerhaft ist, da in ihr Paul VI. der Ansicht der römischen Minderheit Folge leistet um die traditionelle Lehraussage über Geburtenkontrolle, die zuvor von Pius XI und Pius XII. befolgt wurde, nicht abzuändern. Doch damit, so Küng, beweist sich auch die Fehlbarkeit des Magisteriums der Deutschen Bischofskonferenz, die sich gegen die Aussagen Paul VI. ausgesprochen hatte.

Rahner ist der Ansicht, dass man dezidiert die Tatsache anfechten sollte, er gehe so weit zu behaupten, dass die Doktrin, die der Humanae Vitae bereits schon vor Ausarbeitung der Enzyklika zugrunde lag, ein Dogma sei. Deshalb versichere er, dass die Stellungnahme der Minderheit nicht von einem Dogma spreche; allgemein argumentierend und auf die lehramtliche Authorität und den Heiligen Geist Bezug nehmend, warnt er vor der Gefahr, dass – sollte Paul VI. vom vorhergehenden Magisterium Abstand nehmen – er dessen Authorität in Frage stellen würde. Seitens des ordentlichen Magisteriums wird nur dann eine absolut verpflichtende Glaubensproposition verkündet, wenn das Magisterium selbst sie vorschlägt, nicht nur als allgemeine, traditionelle und unangefochtene Proposition, sondern auch als solche, die den absoluten Konsens des Glaubens erfordert, somit also als von Gott offenbart erachtet wird, aufdass über die spezifische Qualität derselben keinerlei bedeutender Zweifel bestehen bleibt.

In der weiteren Diskussion seines Buches argumentiert Küng gegen Rahner, dass der römischen Auffassung zufolge, die Unmoral der Empfängnisverhütung dann als unfehlbare Doktrin erachtet werden muss, wenn die Proposition des Vatikanum II in Lumen Gentium als authentisch erachtet wird: "wenn die in der Welt verstreuten Bischöfe, die jedoch die Bindung der Komunion zwischen ihnen und dem Nachfolger Petri bewahren, in ihrer authentischen Lehre über Aberglaube und Moral in Bezug auf ein Urteil übereinkommen, dieses als definitiv zu erachten, verkünden sie unfehlbar die Lehre Christi" (LG25 sinngemäss). Es wird also festgestellt, dass es sich nicht einfach um glauben handelt sondern um erachten.

In seiner Antwort an Küng scheint Rahner auf der Tatsache zu bestehen, dass die Unterscheidung zwischen glauben und erachten ihn nicht überzeugt, ohne dass er damit die in Humanae Vitae enthaltene Doktrin diskreditieren will, der eine wenn auch nicht endgültige Anerkennung zusteht; eine theoretische Doktrin wie diese setzt eine schwerwiegende ethische Verpflichtung Gott gegenüber voraus.

Was das Dogma der Unfehlbarkeit selbst anbelangt, so erklärt Rahner, dass zum Unterschied der anderen Definitionen, dieses Dogma nicht auf die Unfehlbarkeit des Papstes aufbauen kann, und sollte es auf die Unfehlbarkeit eines Konzils oder auf die der Kirche übertragen werden, so ergäbe sich für uns nur daraus, dass das Problem auf eine andere Instanz übertragen wird, da diese Proposition nur auf der Grundlage anderer geglaubter Propositionen verständlich erscheint, deren Fundament nicht die Gültigkeit des Dogmas der Unfehlbarkeit ist. Dieses Dogma bildet eine besondere, dem System immanente Proposition, ist jedoch nicht deren Fundament. Das Wahrheitssystem des christlich-katholischen Glaubens in seiner Gesamtheit und in seinem subjektiven Verständnis muss sei es subjektiv wie auch objektiv durch das System unterstützt werden und hat nur eine relativ zweitrangige Kontrollfunktion innerhalb des Systems. Ausserdem bezöge es sich nicht in der Weise, in der dieses uns interessiert, auf das Dogma der Unfehlbarkeit, sondern insofern als es andere Propositionen unfehlbar macht.

Das Dogma der Unfehlbarkeit kann nur angenommen werden wenn man das System in seiner Gesamtheit annimmt, ohne eine logische Bezugnahme auf das Dogma der Unfehlbarkeit. Dies bedeutet, dass man Christ sein muss, bevor man an die Unfehlbarkeit des Papstes oder des Konzils glaubt. Es bedeutet desweiteren, dass die Überzeugung, der Papst oder das Konzil können nichts als unwahr bezeichnen, nicht grösser ist als die Überzeugung über das Wissen des Dogmas der Unfehlbarkeit, ohne jedoch darauf zurückzugreifen, darauf aufzubauen. Von diesen Voraussetzungen ausgehend scheint Rahner sich zu fragen ob die Diskussion mit Küng eine intrakatholische Debatte oder ausserhalb dieses Rahmens anzusiedeln sei.

Es ist erforderlich, dass die Unvergänglichkeit in Propositionen zum Ausdruck kommt die wiederum eine Regelung der Sprache darstellen, jedoch im Bewusstsein, dass sie an eine Glaubensgemeinschaft gerichtet sind deren Konfession, allerdings stets auf der Grundlage von unangemessenen und analogen Auffassungen, reglementiert werden soll. Diese Propositionen unterscheiden sich von der einheitlichen Sprache (die genau und empirisch überprüfbar ist) in dem Masse, als sie analoge konzeptuelle Alternativen ermöglichen gegenüber der Wahrheit der Proposition; diese Alternativen massen sich nicht an, die Wahrheit der genannten Proposition zu bestätigen. Ein solches wären die Begriffe Mensch, Natur, Erbsünde, Unfehlbarkeit.

WALTER KASPER

Der damalige Tübinger Kollege Hans Küngs und derzeitige Kardinal, wies daraufhin, wie schwierig es in dieser Debatte sei, auf das Wesentliche zu setzen. Es ist eine Tatsache, dass die Debatte zu diesem Zeitpunkt die Krise zwischen "offizieller Theologie" und "progressistischer Theologie" widerspiegelte, die - insofern sie nicht eine solche sein wollte - genau den Gedanken einer postkonziliaren Kirche aufzeigen würde. Kaspar ist der Ansicht, dass Küngs Buch sei es die Aporien der römischen Theologie wie auch die der progressistischen Theologie widerspiegelt.

Um das aufzuzeigen, was als eigentliches Problem angesehen wurde, weist Kaspar auf jenen Aspekt hin, den Küng nicht behaupten wollte, um dann dazu überzugehen, das was er als eigentliches Problem erachtete, zu erläutern. Betrachten wir einmal das, was nicht behauptet wird: Küng streitet nicht ab, dass es wahre Propositionen gibt und dass die Gleichzeitigkeit von Wahrheit und Unwahrheit in den Propositionen festzustellen sei; er sagt statt dessen, dass ihre Realität im Endeffekt von ihrem konkreten und situationsbezogenen Verständnis der Wahrheit abhängt, daraufhinweisend, welche die praktische Funktion der Wahrheit in der sprachlichen Verwendung im Rahmen einer bestimmten Situation ist. Es wird auch nicht abgestritten, dass der Glaube sich in dogmatischen Propositionen verpflichtender Art äussert, doch er sieht auch nicht deren Wichtigkeit. Was er ablehnte waren die "tendentiös-explikativen" Propositionen, obwohl diese Unterscheidung nicht besonders ideal ist, da eine einschränkende Angabe notwendigerweise der Hinweis auf eine Tendenz ist, die sich einer weiteren ketzerischen Tendenz entgegensetzt. Auch Küng scheint sich Definitionen entgegenzustellen die nicht aus einer wahren Notwendigkeit entstehen, beweist jedoch auch nicht, welche – im Rahmen der Dogmentheorie – diese Eigenschaften aufgewiesen haben.

Wo ist also das wahre Problem auszumachen? Es befindet sich weder im Bereich der verpflichtenden dogmatischen, noch im Bereich der wahren Aussagen, sondern ausschliesslich im Bereich der unfehlbaren Propositionen. Wie soll man jedoch die einen von den anderen unterscheiden? Küngs Ansicht nach sind die unfehlbaren Propositionen jene, die "auf Grund eines göttlichen Verprechens, a priori als frei von Fehlern betrachtet werden müssen: Propositionen die nicht nur de facto nicht falsch sind, die es jedoch auch prinzipiell nicht sein könnten". Hier hat der Kern des Problems seinen Ursprung, in der Unterscheidung zwischen wahr und unfehlbar, wie auch in der Definition die Küng für den Begriff "unfehlbar" gibt.

Kasper hat den Mut, Küng im Sinne der Wahrheit mit dem a priori der Nicht-Fehlbarkeit zu interpretieren und dies auf die Unfehlbarkeit zu übertragen, dabei hinzufügend, dass sich dies auf den Papst anwenden lasse: wenn dieser, in seinem Amt als höchster Kirchenvater, in verpflichtender Form über eine Glaubensfrage spricht und dies gemäss der gängigen Interpretation, ist er a priori unfehlbar; das heisst, er postuliert nicht a posteriori eine Klärung der Heiligen Schriften, der Tradition oder des in der heutigen Kirche bestehenden Glaubens. Mit anderen Worten, was Küng erwirken will, ist das Ersetzen eines rein formellen Verständnisses der Authorität mit einem, das auf dem Inhalt selbst aufbaut. Deshalb ist Kasper auch verwundert wie Rahner die Definition des Problems auf der Basis der unfehlbaren Propositionen habe annehmen können und nicht auf der Basis des Sinns den sie für die Tradition und für Vatikanum I hatten, da es sich nicht um unfehlbare Aussagen und um ihre Formulierung handelt, sondern um ihre Bedeutung, um vom Papst, dem Konzil und der Kirche klar definierte Handlungen. Trotzdem erweist sich diese Unterscheidung als wenig hilfreich, da das Konzil und die Tradition aus diesen Handlungen die Tatsache abgeleitet haben, die Propositionen seien nicht-fehlerhaft; dem widerspricht Küng wenn er behauptet, dass jene Propositionen fehlerhaft sein können. Küng folgert daraus: wenn die Propositionen fehlerhaft sind, können es auch die Handlungen sein.

So entsteht Küngs Frage: wie lassen sich diese klar als unfehlbar definierten Handlungen von jenen unterscheiden, die es nicht sind? In einen Minimalismus der Handlungen zu verfallen bedeutet, sich auf gefährliches Gelände zu begeben, Alfaros Ansicht nach sogar in die Aufklärung vorzudringen. Deshalb hat die Einschränkung der Handlungen seitens einer Minderheit des Vatikanum I, das eigentliche Problem ausser acht gelassen. Kaspers Ansicht nach muss man Küng die Scharfsinnigkeit anerkennen mit der er die Problematik der Lehre des Vatikanum I hervorhebt, jedoch verzerrt er dessen Stellungnahme wenn er behauptet, dass der Papst, eben demselben Konzil gemäss, alles ohne die Kirche tun kann. Kasper lehnt diese Behauptung dezidiert ab, insofern als gerade das Konzil die Unfehlbarkeit auf Glaubensfragen beschränkt hat und diese als der Unfehlbarkeit der Kirche verpflichtet betrachtet.

Sicherlich ist der Papst nur unfehlbar wenn er ex cathedra spricht, das heisst, wenn er als zum Bewusstsein aufrufendes Oberhaupt der Kirche spricht und in diesem Amt die Unfehlbarkeit hat, die Christus seiner Kirche gab (vgl. DS 3074). Sicher hat das Vatikanum I nicht klar definiert und es auch bewusst unterlassen zu erklären, was ex cathedra zu sprechen bedeutet. Für Kasper ist dies das ungelöste – und z.T. unlösbare - Problem über die Lehre der Unfehlbarkeit. So ist die Theologie nicht gezwungen vorauszusetzen, dass es spezifisch zu definierende päpstliche Handlungen gibt, die unfehlbar sind, eine Art ex opere operato. Auch nicht die unklarste Proposition, dernach Definitionen ex cathedra nicht per se (ex sese) und auch nicht durch Zustimmung der Kirche reformierbar sind, würde es erlauben, diese Ansicht im Rahmen einer sinnvollen historischen Interpretation, zu bestätigen.

Küng scheint uns also auf eine vom Vatikanum I offen gelassene Frage hinzuweisen, und wider alle seine Einseitigkeit und Übertreibung, hat er recht – wenigstens historisch betrachtet – wenn er sich nicht als in direkter Opposition zum Vatikanum I betrachtet. Daraus ergibt sich, dass seine Frage im Rahmen eines intrakatholischen Dialogs betrachtet werden und dazu beitragen kann, das Problem einen bedeutenden Schritt weiterzubringen.

Was ist also – Kaspers Ansicht nach - Küngs eigener Vorschlag zur Lösung der Frage? Es ist der Versuch in einem Zusammenhang Stellung zu nehmen, der jenseits aller links –oder rechtsorientierten Tendenzen liegt, daraufhinweisend, dass "die Kirche trotz aller möglichen Fehler in der Wahrheit bleiben wird". Indem man also die Unfehlbarkeit als Unvergänglichkeit interpretiert. Diese Stellungnahme beinhaltet jedoch zwei Missverständnisse.

Das erste besteht darin, dass Küng die Behauptung zugeordnet wird, die Unfehlbarkeit sei nur göttlich und dass die Kirche keine gleichwertige Teilnahme an derselben innehabe, während das Bestehen der Kirche in der Wahrheit diese Teilnahme voraussetzt; was der Author ablehnt ist die Zustimmung der Kirche zu klar bestimmten Handlungen und Propositionen. Seiner Ansicht nach kann eine Proposition fehlerhaft sein ohne dass jedoch deswegen das Bestehen der Kirche in der Wahrheit in Frage gestellt, gelöscht werden kann. Küng anerkennt andererseits, dass in Extremfällen die Kirche dazu verpflichtet ist das Wort bezüglich dessen zu ergreifen, was den christlichen Glauben ausmacht. Hieraus entsteht also die Schwierigkeit, unterstreicht Kasper auf die Hegel'sche Dialektik Bezug nehmend (die zwischen der allgemeinen und der spezifischen Dimension unterscheidet), dass – wenn die Kirche auch die Aufgabe hat dem Glaubenden verpflichtende Wahrheiten vorzuschlagen, doch in der Formulierung derselben nicht verpflichtend wirkt - sie immer die Tür der Nicht-Verpflichtung einer Glaubenspflicht offen lassen wird, da der Zweifel darüber ob die konkrete Proposition in Wahrheit besteht, immer vorhanden sein wird.

Das zweite Missverständnis besteht darin, dass Küng als Jemand betrachtet wird, der das Bestehen in der Wahrheit, der Wahrheit der Propositionen und der verpflichtenden dogmatischen Propositionen entgegenstellt. Seine drastische Sprache vermittelt diesen Eindruck, doch er sagt, dass es wahre und als solche erkennbare Propositionen gibt. Hinter seiner pragmatischen Auffassung der Wahrheit und des Dogmas versteckt sich jedoch ein grundlegendes Problem, da von dieser Voraussetzung ausgehend, Küng die Dogmen einzig und allein als "eine durch die Umstände beeinflusste pragmatische Regelung der Sprache" betrachtet und als solche "provisorisch". Wie kann jedoch eine provisorische Formel ein bedingungsloses "Ja" oder "Nein" erfordern? Es ergibt sich daraus, dass der Verpflichtungs-Charakter der dogmatischen Propositionen das Nicht-Vorhandensein von Fehlern voraussetzt, da man es ansonsten mit einem willkürlichen Totalitarismus zu tun hätte.

Zusammenfassend: Küng widersetzt sich einer nicht dialektischen und akritischen Verabsolutierung des Dogmas, die die Funktionalität einer Definition und ihre objektive Verpflichtung nicht berücksichtigt und das "Dogma der Geschichte" nicht ernst nimmt. Trotzdem scheint in seinem Buch (latent) die Gefahr durch, die Ernsthaftigkeit der evangelischen Anforderung zu relativieren, sich in provisorische pragmatische Lösungen flüchtend.



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