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Hurra, wir öffnen ein Fensterchen zur Welt!

11. Jänner 2022 in Kommentar, 3 Lesermeinungen
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Mehr Fortschritt wagen: Im Winter wird es da bei Kirchen's plötzlich lausig kalt - Ein Kommentar von Franz Norbert Otterbeck


Köln (kath.net)

Der Mann im Mond könnte ein Fenster zur Welt öffnen. Er sieht dann den blauen Planeten still im All, wie ihn die Mondfahrer sahen. Aus den Schießscharten der deutschen Bischofsburgen blickt man nur auf schmale Ausschnitte der Welt, zumeist Kirchenland. Das Licht der Sonne Satans fällt allerdings ungehindert in den Innenhof ein, vielleicht auch, wenn dort zur Sommersonnenwende die Diözesangewerkschaft das Mastkalb schlachtet und es festlich krachen lässt. Welt, sei umschlungen!

Welt. Der Begriff ist im 21. Jahrhundert nicht sehr viel eindeutiger geworden als zu biblischen Zeiten. Niemand von uns steht lebzeitig außerhalb dieser Welt. Das ist banal. Die Welt als Schöpfung ist das gute Werk des lieben Gottes. Zweifellos. Ihr gilt unsere Achtung, unsere Bewunderung und immer noch kindliches Staunen. Es gibt aber auch die böse Welt, den Ort des Ursprungs aller Missetat. Es existiert die Welt der Mächte, Kräfte und Gewalten, die uns Menschen, also speziell auch die Christen, sogar die Seelen, die in der Taufe schon die Erbsünde überwunden haben - weil sie Christus gehören, von der Liebe Gottes hinwegführen wollen. Die Kirche kann ein Fenster zur guten Welt öffnen, aber auch Fenster zu schlechten Welten.

Die "Öffnung zur Welt" als kirchenpolitische Parole ist in den deutschen Zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts sehr ins Zwielicht geraten, als wohlfeile Parole, die alles und nichts begründet. Sodass man den Kirchenpolitikern, den kleinen und großen, zurufen möchte: Gleicht Euch nicht dieser Welt an! Meidet das Böse, vollbringt das Gute! Aber wo können wir die Unterscheidung der Geister noch lernen? Allzu einheitlich scheinen Gesellschaft, Politik und Wirtschaft "den Menschen" vorzugeben, was gut für sie ist, angeblich auch gut für die "deutsche Kirche". Allzu deutlich ist auch, dass diese nationale Sonderkirche beinahe jede moralische Autorität verspielt hat, ihren Weg aber unverdrossen fortsetzen will, nur mit "Reform" übertitelt. Sodass etliche ihrer Bischöfe ihre Aura damit retten möchten, dass sie reden, was man von ihnen vermeintlich hören will. Es gibt respektable Ausnahmen. Aber wer auf kath.net positiv erwähnt wird, der muss damit rechnen, dass die teilautonomen Medienstellen im Dunstkreis der DBK sich den Kardinal, Erzbischof, Bischof oder Weihbischof gnadenlos vorknöpfen: So wie jüngst Kardinal Müller wieder einhellige Verdammungsurteile erntete, zum Glück von unzuständiger Stelle.


 

Meinungsfreiheit existiert. Aber wehe Du wählst Dir eine Meinung außerhalb des lizenzierten Katalogs. Das kann Folgen haben.

 

Denken wir uns ein hübsches, sattes Bistum mit Schwerpunkt in Ostfalen oder Westfalen. Nennen wir es mal den Bienenstaat. An der Spitze drohnt der glückliche Bischof Dr. Klemm. Man weiß nicht genau, ob er noch alles mitbekommt, was ihm die Mitarbeiter vorarbeiten oder nacharbeiten. Er verbietet mal einen katholischen Verein, bei dem es Sorgen gab. Aber wo es Sorgen anderer Art gibt, da lässt er gern weiterspielen. Er suspendiert auch mal einen konservativen Priester, der, zugegeben, in gewisse Schwulitäten geraten ist, wie man im Ruhrgebiet sagt. Es gab aber weder Missbrauch noch Straftaten. Egal. An den Pranger! Was sich sonst so auf diesem Gebiet rund um den Dom abspielt? Versickert wohl auf dem Dienstweg. Klemmi riskiert auch Zoff mit Gemeinden, die populäre Priester behalten wollen. Da ist er wohl mal wieder nicht so genau ins Detail eingestiegen, bevor die Sache brenzlig wurde. Bischof ist man ja, um zu delegieren, nicht um zu verantworten. Immerhin möchte er den Bienenstaat in Kürze sauber und finanziell solide an einen Günstling weitergeben, um dann noch ein paar schöne Jahre in der Abendsonne dieses rundum behaglichen Kirchenlebens zu genießen. Es sei ihm gegönnt! Gern schon vorzeitig, denn er kommt ja aus Trier oder so.

 

An meinem Heimatort, einem bald ehemaligen Wallfahrtsort, probt man den "Aufbruch" inzwischen in der Weise, dass erst einmal das Pflaster des Kapellenplatzes aufgerissen wird; Pflaster von 1979, nicht von 1879. Da muss neue Kanalisation verlegt werden. Dann kommt ein neues Pflaster drauf. Für die alten Linden gibt es auch schon ein Konzept: teils weg, teils neu, teils zu retten. Vielleicht ist das alles notwendig. Aber warum hat niemand die Geduld, dem coronageplagten Pilgerziel erst einmal fünf Jahre zur Erholung zu gönnen? "Siehe, ich mache alles neu!" Es wurde auch ein "Raumkonzept" für die pastoralen Räume erstellt. Diesmal im buchstäblichen Sinn: Auch an dem einstmals so profilierten katholischen Ort ist das Angebot an Räumen und Sälen für die zerfallende Rest-Pastoral längst viel zu groß. Aber muss deshalb das "neue" Pfarr- und Wallfahrtszentrum (von 1981) jetzt schon de facto geschlossen werden bzw. ab 2023, abgesehen von der Bücherei, an einen führenden karitativen Konzern vermietet werden? Immerhin fließen dann mehrere Mieten, die gewiss im ehemaligen Priesterhaus für gute Zwecke zur Verfügung stehen werden, beispielsweise für kulturelle Zwecke. Das pastorale Programm zum Advent war reichhaltig, fast zu üppig und lockte auch mich. Wegen eines dummen Zwistes, an dem ich sicherlich nicht unschuldig bin, mit der führenden Clique vor Ort, war ich aber quasi "ausgesperrt". So muss mein Lob sich also auf die Vermutung stützen, dass man dort für gewöhnlich hält, was man verspricht. Aber ein Detail am Rande irritierte doch, ein öffentliches, auffälliges Detail, dessen Sinn sich dem eiligen Besucher des Kapellenplatzes nicht erschloss: Trauer, Angst, Freude, Hoffnung. Kontextlos waren diese vier Schlagworte in vier Fenstern der Fassade des alten Oratoriums zu lesen. Man hatte an jedem Adventssamstag symbolisch ein "Fenster zu Welt" geöffnet. Also in Wahrheit wurde je ein Fenster, zum Heiligtum hin, jeweils zugehängt mit einem großen Plakat mit "Stichwort". Aber nicht einmal in einem Fernsehquiz hätte man die Kandidaten zu fragen gewagt: Welches dieser vier Wörter passt traditionell zum III. Advent, wenn die rosa Kerze brennt? Freude! Freude, schöner Götterfunken! Man muss den Kreativen, die diesen Coup ausgeheckt haben, eine gewisse Narrenfreiheit zubilligen. Sie kennen die Welt ja nicht mehr, wie sie wirklich ist. Die Konzilskonstitution "Gaudium et spes" von 1965, also bald in Frührente entsorgt, kennt so gut wie niemand mehr in Deutschland. Vielleicht einer von zehntausend Kevelaer-Pilgern würde richtig raten, dass diese vier "Kampfbegriffe" aus dem ersten Satz des Konzilstextes stammen. Ich zitiere den jetzt nicht und vertiefe mich auch nicht in die Interpretationsprobleme desselben. Nur soviel: Es gibt vornehmlich zwei Lesarten. Ein bissel "neokonservativ" denkt man: Die Kirche fühlt mit Euch, liebe Mitmenschen. Gebt ihrer Botschaft eine Chance. Ein bissel zu weit "progressiv" sagt man: Wir Christen sind genauso wie ihr Nichtchristen seid. Es gibt nichts, was wir Euch voraus haben. Woraufhin die kritische Gegenseite wieder zurückfragt: Also ist die Kirche der Zukunft eine, die lernt? Nicht eine, die lehrt? Dann ist Kirche nur Nihilismus mit Geld ...  und Weihrauch. (Evangelisch: ohne Weihrauch.) Wobei freilich nicht der Kritiker entscheidet, ob seine Kritik zutrifft. Das erledigt der weitere Lauf der Welt für ihn. Klar ist aber auch, dass diese vier oder auch andere Worte dem Passanten gar nichts übermitteln. Friede-Freude-Eier-Kuchen? Geht auch nicht, ist auch zu angreifbar, speziell an Gaudete.

Die Anekdote um den guten Papst Johannes, die diesem Fensterspiel zugrunde liegt, hat sein Sekretär, der sehr viel spätere Kardinal Capovilla, vermutlich etwas ausgeschmückt. Angeblich hat ein Besucher den Konzilspapst gefragt, was denn Zweck des Konziles sei. Der habe dann einfach ein Fenster geöffnet und gesagt: "Frische Luft". Sinn hat dieser Ausspruch je nach Jahreszeit, Witterung und Luftverschmutzung. Im Apostolischen Palast gab es vor 60 Jahren vielleicht noch keine Klimatechnik. Man kann dem Scherz unter Umständen etwas abgewinnen. Aber wieviel Unsegen hat es gebracht, das Zweite Vatikanum auf eine permanente Stoßlüftung zu reduzieren, und das im Sturm '68 ff. In bestimmten Regionen der Kirche ist seither die chronische Grippe überall anzutreffen, kurioserweise sogar in Dürresommern. Das kann an der sündhaft teuren Extrem-Klimatechnik in den Immobilien der deutschen Kirchenverwaltungen liegen. Die läuft immer auf Hochtouren. Sonderwelt stabil abgeschottet halten. Bloß in diesen "pastoralen" Räumen keine Fenster öffnen!

Fazit: Öffnen wir demnächst lieber etwas kleinere Fenster zur "Wääält", damit es nicht ganz so schnell so kalt wird, in den wintergeplagten "pastoralen Räumen". Oder noch mehr Fortschritt wagen? Die Drohne an der Spitze des Bienenstaates könnte dann demnächst von einer eisfesten Königin gestürzt werden, jedenfalls wenn es nach den führenden Weltöffnungsexpertinnen des "Synodalen Wegs" geht. Ich schlage schonmal ganz frech Christiane Florin für die Bistumsspitze a.a.O. vor, falls sie nicht schon als nächste Generalvikarin in Köln fest eingeplant ist. Die ist immerhin etwas weniger langweilig als Gähn.

 

 


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Lesermeinungen

 physicus 11. Jänner 2022 
 

@FNO

Interessant!

Ob Papst Johannes wohl in eine der aktuell kalten deutschen Kirche gegangen wäre ...

Man kann einigen deutschen Bischöfen nur wünschen, sich an ihre gewiss noch vorhandene Liebe zur Mutter Kirche zu erinnern und sich nicht von der Fortschrittszugluft einen zu fangen.


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 FNO 11. Jänner 2022 

@physicus

Wie ich soeben las, hat Loris Capovilla die Anekdote nicht ausgeschmückt, sondern sogar schlicht dementiert: Papst Johannes habe Zugluft gar nicht vertragen. Siehe: link.

www.welt.de/kultur/article2634320/Johannes-XXIII-der-sturste-aller-Paepste.html


1
 
 physicus 11. Jänner 2022 
 

Trefflich formuliert

... und zutreffend auch im wörtlichen Sinn:
"Im Winter wird es da bei Kirchen's plötzlich lausig kalt" --
In manchen Kirchen (zum Glück nicht allen) wird praktisch nicht geheizt und so mancher eigentlich willige Kirchgänger noch zusätzlich abgeschreckt. Ziemlich absurd.


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