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‚Der Funke des Glaubens springt über!‘

31. März 2013 in Deutschland, keine Lesermeinung
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Predigt des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, in der Osternacht im Münster Unserer Lieben Frau, Freiburg.


Freiburg (www.kath.net/ dbk)
„Der Funke springt über!“ Dies können wir erleben, wenn ein Konzert, die Zuhörer fasziniert und es dem Dirigenten gelingt, das Orchester und das Publikum mitzureißen, so dass die Begeisterung mit Händen zu greifen ist. Wir erleben es, wenn bei einer Sportveranstaltung die Sportler mit Höchstleistungen die Zuschauer von den Sitzen reißen. Oder wenn ein Gemeinschaftserlebnis alle packt und zusammen führt, dass jeder dazu gehört und keiner ausgeschlossen ist. Dass der Funke überspringt, haben wir dieser Tage erleben dürfen, als Papst Franziskus das erste Mal auf dem Balkon des Petersdomes stand, und seine Bescheidenheit, seine Frömmigkeit und sein Humor sofort die Herzen der Menschen erreichte. Schon nach einem kurzen Moment des Kennenlernens war eine Verbundenheit hergestellt.

„Der Funke springt über!“ Das gilt auch für die Feier der Osternacht und des Osterfestes. Wir erleben es jedes Jahr aufs Neue eindrucksvoll. Wenn die Funken des Osterfeuers die Osterkerze entzünden und wir mit dem kleinen Licht dieser Kerze in unser Münster einziehen. Wenn dieses Licht ausstrahlt in die dunkle Kirche. Wenn es sich verbreitet, die anderen Kerzen anzündet, bis die vielen kleinen Flammen die Dunkelheit erhellen. Die Freude darüber erfüllte das feierliche Osterlob, das der Diakon zu Beginn der Feier gesungen hat: „Lobsinge, du Erde, überstrahlt vom Glanz aus der Höhe! […] Siehe geschwunden ist allerorten das Dunkel.“

Das ist weit mehr als eine Begeisterung über eine gelungene künstlerische Darbietung oder die Faszination eines mitreißenden Fußballspiels. Dass dieser Funke tatsächlich übergesprungen ist, verändert unser Leben. Das Licht der Osternacht strahlt nun dauerhaft in unsere Welt hinein! Es „zerbricht die Ketten des Todes“ […] „gibt den Sündern die Unschuld, den Trauernden Freude.“ Welch eine neue Perspektive, die wir durch Jesu Tod und Auferstehung erhalten! Mitten hinein in die Trostlosigkeit des Karfreitags und Karsamstags, in die Ausweglosigkeit des Todes erstrahlt der Glanz des Osterfestes, das Licht des Lebens! Das ist es, was das Herz aus Stein in ein Herz aus Fleisch wandelt. (vgl. Ez 36,26f)

Wen dieser Funke des Lebens erfasst, der wird selbst lebendig und setzt sich für das Leben ein. Der fühlt mit den anderen mit. Dem können Leid und Not der anderen, ob seelisch oder materiell, nicht gleichgültig sein. Dieser Funke sprüht in das Leben hinaus.


Wir tragen das Wissen darum in unseren Herzen, wenn wir das Osterlicht in unsere Wohnungen mitnehmen, zu denen bringen, die nicht mit uns feiern können: Das Licht von Ostern leuchtet nicht nur hier in dieser feierlichen Stunde in der Kirche. Dieses Licht drängt uns, nach außen zu gehen; die Strahlen und den Glanz dieses Festes zu den Kranken und Einsamen zu tragen; es den Bedürftigen und Schwachen zu schenken. Das Licht des Glaubens, das uns neue Hoffnung und neues Leben schenkt, es verlangt danach, weiter gegeben zu werden.

Und doch – so schnell und einfach wie das Verteilen des Lichtes der Osterkerze in der Kirche geht es mit dem Licht des Glaubens nicht ohne weiteres. Wir haben soeben im Evangelium gehört, wie die Jünger Jesu zum leeren Grab kommen und dem Auferstandenen begegnen. Die erste Reaktion der Frauen am Grab ist: sie erschrecken; unsicher schauen sie auf den Boden. Und als Petrus das leere Grab sieht, da ist er verwundert und sprachlos. (vgl. Lk 24,5.12)

Es ist nicht gleich die helle Flamme, die in ihnen leuchtet und die sie nur noch weiter zu reichen brauchen. Sie sind unsicher und zögern. Dürfen sie dieser unglaublichen Botschaft tatsächlich trauen? Kann es wirklich sein, dass Jesus, der vor drei Tagen am Kreuz starb, auferstanden ist und lebt?

Es ist ein Zeichen für die Glaubwürdigkeit des Evangeliums, dass es den Jüngern nicht leicht fällt, diese Nachricht anzunehmen. Dass sie Zeit brauchen, bis ihnen zur Gewissheit wird: Jesus ist vom Tod auferstanden. Sie brauchen dafür die Begegnung mit dem Auferstandenen, bis dahin, dass der Apostel Thomas ihn berühren muss.

In ihren Zweifeln sind sie uns nahe. Es braucht auch bei uns immer wieder Zeit, bis der Funke des Glaubens überspringen kann. Der Glaube muss wachsen, er fällt nicht einfach vom Himmel. Wir brauchen Menschen, die uns an den Glauben heran- und in den Glauben einführen, mit denen wir gemeinsam unseren Glauben teilen. Wir benötigen Offenheit, um in dem, was sich in unserem Leben ereignet, die Spuren Gottes zu entdecken. Dann kann der Funke des Glaubens auch auf uns überspringen und leuchten. Dann werden wir selbst zu Lichtträgern.

Dankbar dürfen wir erleben, dass uns solche Erfahrungen immer wieder geschenkt werden. Es ist ein Geschenk, dass es Ereignisse und Menschen gibt, die in uns das Licht des Glaubens entzündet haben. Ein solches Erlebnis hat auch Sebastian Herrmann, der heute in der Osternacht das Sakrament der Taufe empfängt, machen dürfen. Der Funke des Glaubens konnte zu ihm überspringen, weil ihn Mitstudenten an der Hochschule angesprochen haben, ob er denn nicht Lust hätte, mit ihnen eine Woche nach Taizé zu gehen. Ohne genau zu wissen, was ihn da erwarten würde, hat er sich darauf eingelassen.

Dort hat er in der Stille, im Gebet, im Miteinander und in Gesprächen gespürt, dass ihn Jesus nicht mehr loslässt. Dass sein Licht in ihm brennen will. Seitdem ist er immer wieder an diesen geistlichen Ort gefahren und hat sich nun seit einiger Zeit auf die Taufe vorbereitet. Ja, es braucht Menschen, die in anderen das Licht des Glaubens entzünden. Glauben können wir nicht allein – stets sind wir dabei auf Andere, auf die Gemeinschaft der Glaubenden angewiesen.

Zugleich spüren wir, wie wir dadurch selbst herausgefordert werden: wir können uns nicht damit begnügen, im Gottesdienst das Licht der Osterkerze weiter zu geben. Das wahre Licht, das in uns leuchtet, ist der Glaube an Jesus Christus, der das Licht der Welt ist. Wo dieser Funke zu uns überspringt, wollen wir Andere daran teilhaben lassen. In der alten Kirche wurde die Taufe griechisch „Photismos“ genannt – Erleuchtung.

Wer das Licht der Taufe in sich trägt, den drängt es, das Dunkel, das in der Welt ist, zu erhellen. Das Dunkel aus Gewalt und Armut, von Hass und Tod. Dem setzen wir aus dem Glauben heraus das Licht der Liebe und Hoffnung, Hilfsbereitschaft und Güte entgegen. Gibt es nicht gerade in unserer westlichen Welt noch eine andere Dunkelheit, die um sich greift? Das Denken, alles in den materiellen Dingen und Gütern haben zu können. Zu meinen, nicht mehr danach fragen zu müssen, was unser Leben eigentlich trägt und lenkt. Zu behaupten, dass wir gar nicht mehr nach Gut und Böse zu fragen brauchen.

Papst Benedikt XVI. hat dies in seiner Osteransprache im vergangenen Jahr deutlich hervorgehoben: „Das Gottesdunkel und das Wertedunkel ist die eigentliche Bedrohung unserer Existenz und der Welt überhaupt. Wenn Gott und die Werte, der Unterschied von Gut und Böse dunkel bleiben, dann sind alle anderen Erleuchtungen, die uns ein so unglaubliches Können ermöglichen, nicht nur Fortschritte, sondern zugleich Bedrohungen, die uns und die Welt gefährden.

Wir können heute unsere Städte so grell erleuchten, dass die Sterne des Himmels nicht mehr sichtbar sind. Ist das nicht ein Bild für die Problematik unserer Aufgeklärtheit? Wir wissen und können in den materiellen Dingen unerhört vieles, aber was darüber hinausgeht, Gott und das Gute, vermögen wir nicht mehr zu identifizieren. Deshalb ist der Glaube, der uns das Licht Gottes zeigt, die wahre Aufklärung, ist Einbruch von Gottes Licht in unsere Welt, Öffnung unserer Augen für das wirkliche Licht.“

Liebe Schwestern und Brüder, das Osterlicht wurde in unsere Hände gegeben; der Funke des Glaubens hat unser Herz entzündet. Es liegt an uns, dieses Licht durch unsere Worte und Taten weiter zu schenken. Wir brauchen dabei keine Angst zu haben, dem nicht gewachsen zu sein. Die Jünger Jesu selbst waren weder großartige Rhetoriker noch geniale Strategen; eines allerdings waren sie: getragen von der Gewissheit und Begeisterung, dass Jesus Christus von den Toten auferstanden ist; erfüllt vom Licht Gottes, das in das Dunkel der Welt leuchtet. So konnten sie den Funken des Glaubens, der zu ihnen übergesprungen war, weiter geben und so hat sich das Evangelium durch die Jahrhunderte und Kontinente hindurch ausgebreitet.

Heute sind wir es, die diesen Funken in die Welt tragen dürfen. Lassen wir uns vom Glanz der Osternacht dazu neu senden, indem wir uns zu unserer Taufe bekennen! Sagen wir der Welt, dass Hoffnung und Liebe stärker sind als Hass und Tod; dass das Leben letztlich siegt. Diese Botschaft von Ostern ist es, auf die unsere Welt wartet, die wir dorthin zu tragen haben, wo wir in unseren Familien leben, wo wir arbeiten und unsere Freizeit verbringen. Das Licht dieser Nacht will uns selbst dazu stärken und die Auferstehung Jesu Mut machen, den Funken des Lebens weiter zu schenken.


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