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Psychiater: Kontemplation ist 'Psychohygiene in Reinkultur'

11. November 2014 in Spirituelles, 7 Lesermeinungen
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Neurowissenschaftler Bonelli: Betrachtendes Gebet ist "Angebot der Zukunft" für die Kirche - Fachtagung über Kontemplation und Multitasking am 22. November in Heiligenkreuz


Wien (kath.net/KAP) Kontemplation ist nach Ansicht des Wiener Neurowissenschaftlers Raphael Bonelli (Foto) ein Zukunftsgebiet für die katholische Kirche. Die betrachtende, anschauende Form des Gebets habe aus therapeutischer Sicht enorme positive Auswirkungen auf den Menschen - als "Psychohygiene in Reinkultur", wie der Leiter des Wiener Instituts für Religiosität in Psychiatrie und Psychotherapie am Montag im Interview mit "Kathpress" darlegte. Kontemplative Menschen zeigten oft "beeindruckenden Tiefgang und Stabilität", womit es ihnen besser gelinge, "Krisen zu bewältigen, ganz in der Gegenwart zu leben und anderen Menschen intensiv zu begegnen", so Bonelli.

Den Menschen misslinge es heute zunehmend, Ruhe zu finden oder sich zu konzentrieren, berichtete Bonelli aus der psychiatrischen Praxis: Oft verspürten Patienten wegen ständiger Aktivität innere Unordnung, bei der das eigene Leben nicht mehr nach Prioritäten geordnet werden kann. Heutige Formen der Mediennutzung verstärkten dies: "Viele fühlen sich gedrängt, immer online und erreichbar zu sein oder ständig E-Mails oder Facebook-Updates abzurufen", so der Psychotherapeut. Betroffenen falle ein Aufblicken, Rezipieren und Wahrnehmen der Realität schwer, und selbst Beziehungen würden durch das Smartphone und die Angst, etwas zu versäumen, oft gestört.


Diesem "Aktivismus-Modus" genau entgegengesetzt ist laut Bonelli die Kontemplation, das er als "Sehen, wie die Dinge wirklich sind" bezeichnete. Nicht unbedingt sei dieser Vorgang religiös, finde er doch auch bei Bergsteigern statt, die von ihren Erlebnisse mitunter als "religiöse Erfahrung" sprechen, auch ohne selbst religiös zu sein. Was hier passiere, sei ein Aufnehmen und Bewahren von Eindrücken, Reflexion statt sofortiger Reaktion, sowie Schweigen und Warten auf das Kommende - ein vor allem passiver Vorgang.

Das kontemplative Gebet trage dazu bei, dass statt dem "Ich" Gott zum Referenzpunkt werde, was eigene Probleme in neuem Licht sehen lasse. Bonelli: "Wer sich vor Gott als Geschöpf erlebt und sich in ihm geborgen erfährt, kann die neurotische Angst ablegen, die viele Menschen eine dicke, undurchdringliche Maske tragen lässt." Psychodynamisch sei die Anbetung "stimmig", zudem bewirke sie Veränderungen für den Blick auf die Welt und die Beziehungen, sowie in Folge für den Umgang mit Menschen.

Alleinstellungsmerkmal „Anbetung“

Die Gebetsform der Anbetung, bei der Menschen vor dem Allerheiligsten zu Ruhe kommen können, bezeichnete Bonelli als "Angebot der Zukunft" für die katholische Kirche und Alleinstellungsmerkmal. "Ihr 'unique selling point' ist die Eucharistie, nicht der Aktivismus. Die Kirche steht in Gefahr, dass sie mit dem Zeitgeist mitschwimmt, der glaubt, möglichst viel Programm in möglichst kurzer Zeit mit möglichst viel Spaß bieten zu müssen, wozu es jedoch ohnehin ein Überangebot gibt. Aktivismus zu bieten wäre hier zwar dieselbe Sprache, doch auch dieselbe Krankheit", so der Neurowissenschaftler.

Um Kontemplation im Alltag zu praktizieren, sei es laut Bonelli nötig, sich bewusst Zeit zu nehmen und dabei konsequent zu sein, "denn sie drängt sich nicht gewaltsam auf wie etwa das summende oder piepsende Handy". Als Schlüssel für einen kontemplativen Lebensstil bezeichnete der Neurowissenschaftler das Ordnen der Aufgaben und Lebensinhalte nach Prioritäten, das in dem Satz "Tu, was du sollst, und sei ganz in dem, was du tust" - ein Ausspruch des heiligen Josemaria Escriva - gut zusammengefasst sei.

Tagung in Heiligenkreuz

Bonelli äußerte sich im Vorfeld zur Fachtagung "Kontemplation & Multitasking", die am 22. November in der Hochschule Heiligenkreuz stattfindet. Weitere Vortragende sind u.a. die Psychotherapeutin Rotraud Perner über Arbeitssucht, der Psychiater Samuel Pfeifer über die Wechselwirkung zwischen Medien und Psyche sowie der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng, die Philosophin Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz und der Prior der Johannesbrüder von Marchegg, Luc Emmerich, über das kontemplative Gebet.

Prof. Raphael M. Bonelli und Martin Lohmann. Tischgespräche, Teil 1


Teil 2


Copyright 2014 Katholische Presseagentur, Wien, Österreich
Alle Rechte vorbehalten.
Foto Bonelli (c) Raphael Bonelli


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Lesermeinungen

  14. November 2014 
 

Wohlfühlspiritualität

So ganz allmählich driftet das Christliche ins allgemein unverbindliche Esoterische ab nach dem Motto: Eine Welt - eine Religiösität.


0
 
 PBaldauf 14. November 2014 
 

WIEN – von Stephansdom bis Prater
Die Stadt von Welt, auch der Psychiater
von Adler’s Alfred, Sigmund Freud
- der viel Abstruses eingebleut -

Nun sorgt ein Mann für frischen Wind
der dem Gebet sehr gut gesinnt
Als Wissenschaftler schätzt er schon
ausdrücklich Kontemplation
Die Wirkung: Positiv-enorm!
Der Sigmund ging hier kaum konform
Denn würde er Bonelli’s Thesen
Zigarre rauchend, heute lesen

ihn überkäm‘ gewiss VERDACHT:
‘Ja…, die Verdrängung…: Eine Macht!‘
Als Fazit zög er wohl, betreten:
‘Anbetung?! Betrachtend beten?!
Dies deutet klar auf: Kindheitsphase!‘
So käm zum Schluss er, mit Emphase
Dann nähme er noch ein paar Züge
bis Rauch ihm die Gedanken trüge:

„Sein Vorname? Ah: RAPHAEL…
Ja, schau…Hier gehe ich nicht fehl
Und stelle kühn die Diagnose
ERZENGEL-Name….wird: Neurose…
Wie schnell kam ICH ihm auf die Spur:
Was redet er von ‘Reinkultur‘?
KULTUR…, das ist der Überbau
darunter: Trieb-Gedränge-Stau:
Die Unterwelt…, das Unbewusste
das er als Kind verdrängen musste…

www.kathshop.at/suche.php?sb=9783903028371


1
 
 Elster 13. November 2014 

Niezsche und wahrscheinlich Goethe bekannt?

"Zum Sehen geboren, zum Schauen bestellt..." - stimmt?
ach nö: Niezsche meint: "bald werden die Menschen nur noch blinzeln!" Er hat Recht und auch nicht Recht! Wir werden wieder staunen; da staunst du! -was?!!!


0
 
 raph 12. November 2014 
 

Zur Unterscheidung christlicher und buddhistischer Spiritualität

@Wandersmann: Diese Unterscheidung von christlicher Spiritualität und der Achtsamkeit im Sinne der MBSR und wie sie alle heißen ist sehr wichtig. Früher hieß es in den Kursen, die Achtsamkeit habe nichts mit Buddhismus zu tun, es sei eine rein "evidence based" Methode (die Buddha Köpfe waren immer nur zufällig anwesend) Die Psychotherapie hat sich mit großem Interesse auf dieses spirituelle Angebot gestürzt, ohne aber über den spirituellen Hintergrund zu informieren. Mittlerweile tritt man recht offen als zB buddhistische Psychologie auf. Die christliche Spiritualität und Tradition hätte da auch so manches zu bieten und es ist schön, dass auch mal jemand darüber berichtet, es wird nur kaum angeboten und es ist gesellschaftlich nicht en vogue christlich zu sein. Da geht man leider lieber der Esoterik auf den Leim.


3
 
 horologius 12. November 2014 
 

Gottesbegegnung versus Wohlfühlspiritualität?

Stiller und Hildegard haben völlig Recht. Anhänger von Yoga, Zen & Co. etwa verstehen eine Sache total falsch: man kann nicht durch eine Körper- oder Psychotechnik, je besser man sie beherrscht, umso stärker eine Gottes-Begegnung oder -Erfahrung erzwingen. Diese sind immer ein Geschenk und eine Gnade, und eine Antwort Gottes auf das ehrliche Suchen des Menschen. Raphael Bonelli betont in dem Interview sozusagen die positiven Begleiterscheinungen von Kontemplation und Anbetung.


2
 
 wandersmann 11. November 2014 
 

Mindfulness bzw. Achtsamkeit

sind heute ja modern. Es wird viel darüber in der Psychologie darüber geforscht.

Ich meine, dass man das scharf von religöser Kontemplation trennen sollte, insbesondere von der Anbetung.
Anbetung ist nicht eine besonders effektive Psychotechnik. Das ist was ganz anderes.

Ich gebe Stiller Recht.


4
 
  11. November 2014 
 

"Vidi et audivi."

Hildegard von Bingen sagte dies, mahnte gleichzeitig, es gebe keine Möglichkeit das Sehen und Hören der inneren und damit Gottes Stimme zu erlernen.
Wohl aber gebe es den Weg des Bereitwerdens zur Kontemplation durch "Lectio - Meditatio - Oratio".
Wie weise!


8
 

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