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Ein Weihepriestertum der Frau?

2. Jänner 2021 in Kommentar, 7 Lesermeinungen
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Kritische Bemerkungen zur Aktion „Maria 2.0“ fünfundzwanzig Jahre nach dem Apostolischen Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“. Gastbeitrag von Manfred Hauke


Lugano (kath.net/Theologisches) Vorbemerkungen

Unter dem Titel „Maria 2.0“ hat eine in Münster entstandene Initiative eine Petition an Papst Franziskus gerichtet und für eine Woche (11.-18. Mai 2019) zu einem „Kirchenstreik“ aufgerufen. Die Fälle klerikalen Missbrauchs wurden zum Anlass genommen, Forderungen zu stellen, die den Glauben der Kirche betreffen: „Zugang von Frauen zu allen Ämtern der Kirche“, „Aufhebung des Pflichtzölibates“, „kirchliche Sexualmoral an der Lebenswirklichkeit der Menschen auszurichten“. Um diese Forderungen zu unterstreichen, sollten die Frauen keine Kirche betreten und keinen (eh-renamtlichen) Dienst tun. Am Sonntag sollten Gottesdienste vor den Kirchentüren abgehalten mit „neuen Formen“. Maria solle „vom Sockel“ geholt werden als „Schwester“, welche in die gleiche Richtung schaue wie die Organisatorinnen der Aktion 1.

Dass dergleichen Forderungen erhoben werden, ist seit der Kulturrevolution von 1968 im deutschsprachigen Katholizismus nichts Neues. Neu ist freilich die Unterstützung dieser Aktion durch einige Bischöfe und deren Ablauf im Rahmen eines sogenannten „synodalen Prozesses“ im Bereich der Deutschen Bischofskonferenz, der die Lehre der Kirche in den angedeuteten Punkten überprüfen will.

Aufgegriffen sei im vorliegenden Aufsatz nur das Thema des Weihepriestertums der Frau. Dar-gelegt werden in aller Kürze die Grundlagen für die Haltung der Kirche in der Heiligen Schrift und in der Überlieferung. In einem späteren zweiten Teil (geplant für September/Oktober) wird eingegangen auf die systematische Begründung für die männliche Bindung des Weihesakramentes. Ein dritter Teil (November/Dezember) erinnert an die mit Papst Franziskus abgesprochene Stellungnahme der Glaubenskongregation vom vergangenen Jahr, bald nachdem der Heilige Vater den Bericht der Theologenkommission über die Frage des weiblichen Diakonates in der alten Kirche entgegen-genommen hatte.

Der Verfasser hat seinerzeit, betreut von Leo Scheffczyk, eine Doktorarbeit veröffentlicht, die in deutscher Sprache von 1982 bis 1995 in vier Auflagen erschienen ist und eine englische Übersetzung erfahren hat 2. Eine ausführliche Zusammenerfassung der Ergebnisse findet sich, inzwischen gratis abrufbar im Internet, schon 1982 in unserer Zeitschrift „Theologisches“ 3. Die deutschsprachige Fassung der Doktorarbeit ist vergriffen, aber eine kürzere Darstellung des Verfassers ist nach wie vor lieferbar; die folgenden Ausführungen zitieren ausführlich aus diesem Werk 4. Es erschien seinerzeit zehn Jahre nach dem Apostolischen Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“ (1994), das mittlerweile seinen 25jährigen Jahrestag begeht.

Hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auch auf das Schreiben der Glaubenskongregation, auf das sich Johannes Paul II. 1994 für die nähere Begründung bezieht: „Inter insigniores“ aus dem Jahre 1976. Dieses Schreiben ist als pdf-Datei gratis abrufbar auf der Internetseite der Deutschen Bischofskonferenz 5. Es gelesen zu haben, ist eine Pflichtlektüre für alle katholischen Christen, die trotz irrgläubiger Hirten dem Glauben der Kirche treu bleiben und sich der geistigen Auseinandersetzung bewusst stellen wollen.

Die Diskussion um das Apostolische Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“ enthüllt in aller Schärfe gegensätzliche Grundpositionen innerhalb der Kirche. Papst Johannes Paul II. hat mit seinem Lehr-schreiben die Absicht bekundet, die vorliegende Streitfrage definitiv zu klären:

„Damit also jeder Zweifel bezüglich der bedeutenden Angelegenheit, die die göttliche Verfassung der Kirche selbst betrifft, beseitigt wird, erkläre ich kraft meines Amtes, die Brüder zu stärken (vgl. Lk 22,32), dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben“ .6

Diese Lehrentscheidung ist nicht bloß disziplinärer Art, sondern betrifft (wie der Papst betont) „die göttliche Verfassung der Kirche selbst“, den Willen Christi bei der Einsetzung des Weihesakramentes. Auch wenn es sich hier nicht formell um eine Kathedralentscheidung handelt, so kommt die Qualifikation des vorgelegten Inhaltes einem Dogma gleich, einer von der Kirche verbindlich gelehrten Glaubenswahrheit. Nach Kardinal Ratzinger wird in „Ordinatio Sacerdotalis“ „keine neue dogmatische Formel gesetzt, sondern eine Gewissheit bekräftigt, die in der Kirche beständig gelebt und festgehalten wurde. In der Fachsprache müsste man sagen: Es handelt sich um einen Akt des ordentlichen Lehramtes, nicht um eine feierliche Definition ‚ex cathedra‘, auch wenn inhaltlich dabei eine als definitiv zu betrachtende Lehre vorgelegt wird“ 7. Als Antwort auf schriftlich geäußerte „Zweifel“ betont eine Stellungnahme der Glaubenskongregation, die in „Ordinatio Sacerdotalis“ vorgelegte Lehre gehöre zum Glaubensgut (depositum fidei) und sei unfehlbar 8.

Das päpstliche Lehrschreiben über das Frauenpriestertum (Ordinatio Sacerdotalis von 1994) bildet zweifellos einen Markstein in der einschlägigen Diskussion. Vorausgesetzt wird dabei die ausführliche Stellungnahme der Glaubenskongregation (Inter insigniores von 1976). Zum Verständnis der kirchlichen Lehrentscheidung sei mit einigen Hinweisen auf die biblischen Grundlagen begonnen.

Das Verhalten Jesu

Die Befürworter der Frauenordination weisen normalerweise auf den Einfluss des sozialen Milieus, das in früheren Zeiten ein Weihepriestertum der Frau verhindert habe, es heute aber nahelege. Jesus, so wird dann gesagt, habe nur deshalb keine Frau zum Apostel ernannt, weil die sozialen Um-stände ihm das nicht erlaubt hätten. Beispielhaft für diese Argumentation ist Karl Rahner, der 1977 meinte: „Für das Verhalten Jesu und seiner Apostel genügt zur Erklärung das damalige kulturelle und gesellschaftliche Klima, in dem sie handelten und so handeln mussten, wie sie gehandelt haben …“ 9. Wenn das Verhalten Jesu allein aus den damaligen gesellschaftlichen Bedingungen abgeleitet werden könnte, dann wäre auch für die heutige Situation eine Anpassung zu fordern, nämlich eine Zulassung der Frau zum Weihepriestertum.

In der Tat enthält die zeitgenössische Umwelt Jesu manche Faktoren, die man nicht gerade als frauenfreundlich bezeichnen kann. Um nur einige Beispiele zu nennen: Während in der Frühzeit Israels noch gleichermaßen beide Geschlechter zum Tempel Zutritt hatten, gelangte die Frau zur Zeit Jesu nur bis in einen Vorhof. In den Synagogen wies man ihr auf der Empore oder in einem Nebenraum den Platz zu. Um einen Sabbatgottesdienst zu feiern, mussten mindestens 10 Männer anwesend sein; selbst wenn 100 Frauen da gewesen sein sollten, aber nur 9 Männer, dann fiel der Gottesdienst aus. Töchter im mosaischen Gesetz zu unterweisen, galt als ungehörig. Selbst das Gespräch mit einer Frau war für einen Mann verpönt 10.

In dieses soziale Milieu hat sich Jesus freilich nicht einzwängen lassen. Ganz im Gegensatz zur rabbinischen Praxis führt Jesus regelrechte Lehrgespräche mit Frauen. So mit Maria und Marta oder mit der Samariterin. Er lässt sich von Frauen begleiten, die ihm bis unter das Kreuz nachfolgen. Gegen Mose schärft Jesus ein: Scheidung und Wiederverheiratung sind gegen den Willen Gottes. Dies kommt vor allem der Frau zugute. War es doch nach einer liberalen Auslegung mancher Rabbinen für den Mann möglich, seine Gattin schon dann wegzuschicken, wenn sie die Suppe hatte anbrennen lassen oder wenn er eine schönere Frau fand. Für seine Korrektur beruft sich Jesus ausdrücklich auf die göttliche Schöpfungsordnung für Mann und Frau: „Am Anfang aber war es nicht so” (nämlich die Scheidung) 11.

Jesus hat also sehr bewusst eine andere Umgangsweise mit den Frauen praktiziert, als sie im damaligen Judentum üblich war. Er hat damit Aufsehen und Anstoß erregt.

Trotz dieses neuartigen Verhaltens hat Jesus bekanntermaßen keine Frau unter die zwölf Apostel bestellt, in deren Amt das Weihepriestertum den entscheidenden Ursprung findet. Grundlegend für dieses Amt ist nicht eine demokratische Delegation oder die eigene Wahl, sondern die Berufung, auf die niemand einen Anspruch erheben kann, übrigens auch kein Mann: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt“ (Joh 15,16).

Das Besondere der apostolischen Berufung zeigt sich beim Letzten Abendmahl. Nur die Zwölf werden als Teilnehmer erwähnt, weil dabei (zumindest einschlussweise) der Auftrag ergeht: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ 12. Dass keine Frau den apostolischen Auftrag erhält, ist besonders bemerkenswert, denn die Eucharistie ist in ein Paschamahl hinein gestiftet worden oder verweist zumindest darauf. Zur Osterfeier hatten nun auch Frauen und Kinder Zutritt und aßen in der Tischgesellschaft mit. Aber obwohl die angesehensten Frauen aus Jesu Umgebung und die allernächste Jüngerschar sich zur gegebenen Zeit in Jerusalem befanden, nahm offenbar niemand außer den Zwölf am Abendmahl teil. Diese Tatsache ist umso auffallender, als man bei allen anderen Mählern während Jesu Lebenszeit von einer solchen Grenzziehung nichts hört.

Nach der Auferstehung zeigte sich Jesus nach dem Bericht von Matthäus und Johannes zuerst Frauen, die durch ihr Zeugnis gewissermaßen „Apostel der Apostel“ wurden. Dies geschah entgegen der zeitgenössischen Praxis, die keine Frauen als Zeugen kannte. Dennoch hat Christus ihnen nicht – wie den Zwölf und später dem Paulus – das Apostolat übergeben 13.

Gegen die erwähnten Daten wendet man gelegentlich ein, Jesus habe ja nicht nur keine Frauen, sondern auch keine Heiden zum Apostolat berufen. Trotzdem habe sich die Kirche später bei dem von den Aposteln weitergegebenen Amt nicht auf Juden beschränkt.

Dieser Einwand vergisst die universale Richtung des Auftrages Jesu. Mit dem Missionsbefehl ist die Ausweitung des Amtes von selbst gegeben. Die Absicht Jesu beschränkt sich von vornherein nicht auf sein eigenes Volk, sondern zielt auf die Erlösung der ganzen Menschheit. Dennoch richtet er sich zunächst an Israel; erst nach der Ablehnung durch die offiziellen Repräsentanten seines Volkes, konkretisiert in der Kreuzigung, wird der Weg frei zur Mission der Heidenvölker. Diese zeitliche Dynamik (erst Israel, dann die übrigen Völker) ist nicht zu vergleichen mit der Dualität von Mann und Frau, die auf die Schöpfung zurückgeht und mit der Jesus von Anfang an unmittelbar konfrontiert ist. Von daher hat es in der frühen Kirche, der bevollmächtigten Interpretin des Willens Jesu, auch keinen Streit gegeben über die Zulassung von Nichtisraeliten zum apostolisch begründeten Amt. Abgelehnt wurde aber (mit Hinweis auf den Willen Jesu) die Teilnahme von Frauen an ebendiesem Amt. Die Deutung des Verhaltens Jesu lässt sich nicht von der Institution der Kirche trennen.


Des Weiteren sagt man, die Auswahl der 12 Apostel gründe auf der Vorbildlichkeit der 12 Stämme Israels, deren Stammväter nun einmal Männer gewesen seien. Dieser heilsgeschichtliche Bezug sei aber nur an die 12 Apostel gebunden und brauche die spätere Zeit nicht mehr verpflichten.

Der Bezug auf die Stammväter ist gewiss vorhanden. Deutlicher im Vordergrund steht im neutestamentlichen Zeugnis als Kern des Apostolats jedoch der Gedanke der Sendung: der Gesandte (hebr. „schaliach“, griech. „apostolos“) ist wie derjenige, der ihn sendet. Danach etwa das Wort: „Wer euch hört, der hört mich“ (Lk 10,16). Im Übrigen wird man fragen müssen, ob nicht bereits in der Repräsentation der zwölf Stämme Israels durch Männer eine wichtige Struktur vorliegt. Auch die Gestalt Christi ist ja im Alten Testament in vielfacher Weise typologisch vorgebildet, u. a. in Adam, Jakob, Mose und David.

Der Apostel repräsentiert Christus, der ihn berufen hat. Diese Christusrepräsentation bildet den entscheidenden Punkt, der für die theologische Deutung noch weiter auszufalten ist. Wenn der geweihte Amtsträger Christus vertritt, der als Mann Mensch geworden ist, dann ist für ein symbolhaft sakramentales Denken ein wichtiges Moment vorgegeben. Doch dazu später mehr 14.

Der Blick auf das Verhalten Jesu zeigt, dass hier keinesfalls ein „Zeitgeistsurfing“ vorliegt. Zu Recht betont der Heilige Vater: „Wenn Christus nur Männer zu seinen Aposteln berief, tat er das völlig frei und unabhängig. Er tat es mit derselben Freiheit, mit der er in seinem Gesamtverhalten die Würde und Berufung der Frau betonte, ohne sich nach den herrschenden Sitten und nach der auch von der Gesetzgebung der Zeit gebilligten Tradition zu richten“ 15.

Was bis jetzt zum Verhalten Jesu gesagt wurde, kann nicht mit absoluter Sicherheit beweisen, dass zur Nachfolge des apostolischen Amtes keine Frauen berufen werden dürfen. Es mahnt aller-dings zur Vorsicht gegenüber der Annahme, dass das Beispiel Christi hier ohne Belang sei. Die vom Vorbild Jesu geleitete Praxis der Kirche könnte nur dann geändert werden, wenn eine solche Neuerung sich aus einer echten Glaubenseinsicht ergäbe und alle Gegengründe schlüssig entkräften könnte. Eine bloße Anpassung an die gegenwärtigen Sozialstrukturen oder eine schlagwortartige Reklamation von Gleichheit reicht dafür nicht. Für eine definitive Entscheidung unserer Frage braucht es über den Schriftbefund hinaus das Zeugnis der Tradition.

Das Zeugnis des hl. Paulus 16

Das Verhalten Jesu gegenüber der Frau wird fortgesetzt von der Kirche. Das früheste Zeugnis dafür sind die Briefe des Apostels Paulus.

Wenn man den Ausschluss der Frau vom Apostelamt im zeitgenössischen „Milieu“ begründen will, dann verliert dieses Argument bezüglich der frühen Kirche an Bedeutung. Denn in der hellenistischen Welt, der auch Paulus entstammt, nimmt die Betätigung der Frau im sozialen und religiösen Leben einen viel größeren Raum ein als in Palästina. Die zumal im alten Griechenland verbreitete Beschränkung der Frau auf den häuslichen Bereich ist von einer regelrechten „Emanzipation“ verändert worden, die fast das gesamte Römische Reich erfasste. In manchen Dingen waren die Frauen in der Welt des griechisch römischen Hellenismus sogar „emanzipierter“ als die heutigen Frauen. Es gab nicht nur Unternehmerinnen, Ärztinnen usw., sondern selbst Gladiatorinnen und Ringkämpferinnen. In manchen Philosophenschulen gaben Frauen Unterricht und zogen dabei von Ort zu Ort wie ihre männlichen Kollegen und ähnlich wie ein Paulus. Bekannt sind auch die Priesterinnen, besonders in den Mysterienreligionen, einer starken Konkurrenz des Christentums. Dort standen Frau-en am Altar, gaben auch Männern gegenüber den religiösen Unterricht und vollzogen den Aufnahmeritus. All dies geschah auch in der Stadt der Korinther, die Paulus mit dem gleich zu erwähnen-den „Gebot des Herrn“ konfrontierte. Es ist darum fraglich, die Praxis der frühen Kirche einfachhin aus dem sog. „patriarchalischen Milieu“ abzuleiten. Das hellenistische Umfeld war für eine Frauenordination so ungünstig nicht.

Paulus ist zwar in der jüdischen Rabbinenschule des Gamaliel ausgebildet worden, aber er hebt wie kein anderer das Neue der christlichen Religion hervor. Das zeigt sich auch in seiner Stellung zur Frau. Seine Unbefangenheit bezüglich der Mission und Missionshilfe von Frauen hebt sich wohl-tuend ab von der Haltung der jüdischen Rabbinen. Aufgrund der Taufe, so betont Paulus, „gibt es nicht mehr Juden und Griechen, Sklaven und Freie, Mann und Frau. Denn ihr alle seid einer in Christus Jesus” (Gal 3,28). Das neue Verhalten gründet im Erlösungswerk Christi, wodurch Mann und Frau gleichermaßen Kinder Gottes werden. Das Zitat aus dem Galaterbrief klingt dabei wie ein polemischer Kontrapunkt zu einem jüdischen Gebet, in dem der Mann an jedem Morgen dafür dankte, nicht als Heide, nicht als Unwissender und nicht als Frau geschaffen worden zu sein.

Das Verbunden sein kraft der Taufe ebnet freilich nicht alle Unterschiede ein zugunsten einer allgemeinen Gleichheit, sondern begründet einen vielgestaltigen Leib, in dem jedes Glied seine eigene Aufgabe besitzt (1 Kor 12).

Die Einheit in Christus ist also nicht aus der Optik moderner Gleichheitsforderungen zu interpretieren. Die Fragwürdigkeit einer solchen Umdeutung zeigt sich auch bei anderen paulinischen Aussagen. In 1 Kor 11 fordert Paulus die Verschleierung der Frauen im Gottesdienst. Diese zeitgebundene Vorschrift hat deswegen paradigmatische Bedeutung, weil die Bedeckung oder Nichtbedeckung des Hauptes nur ein Ausdruck ist für den zugrundeliegenden Unterschied zwischen den Geschlechtern. Dieser Unterschied ist für Paulus in der Schöpfung grundgelegt und wirkt sich bis in den Gottesdienst hinein aus.

Die anstößigste, häufig miβverstandene, aber bedeutsamste biblische Aussage zu unserem Thema findet sich in 1 Kor 14,33b 38. Dort heiβt es:

„Wie in allen Gemeinden der Heiligen, so sollen (auch bei euch) die Frauen in den Versammlungen schweigen; denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie es auch das Gesetz sagt. Wenn sie sich aber über etwas unterweisen lassen wollen, sollen sie zu Hause ihre Ehemänner befragen; denn es ist unschicklich für eine Frau, in einer Gemeindeversammlung zu reden. Oder ist etwa von euch das Wort Gottes ausgegangen oder bloß zu euch gekommen? Wenn einer ein Prophet oder Geistbegabter zu sein glaubt, so soll er anerkennen, daβ das, was ich euch schreibe, ein Gebot des Herrn ist. Erkennt einer das nicht, so wird er auch von Gott nicht erkannt”.

Die innere Zusammengehörigkeit dieser Verse ist erst durch neuere exegetische Untersuchungen zutage getreten. Das Dokument der Glaubenskongregation von 1976, auf das sich das Apostolische Schreiben des Papstes bezieht, arbeitet damit noch nicht. Vor allem lutherische Neutestamentler aus Schweden haben diese Entdeckung ermöglicht, und unabhängig davon ein deutscher Schnacken-burg Schüler, Gerhard Dautzenberg. Dautzenberg erklärt jedoch das Ganze für eine nachpaulinische Interpolation, die missbräuchlich mit den höchsten theologischen Qualifikationen arbeite 17.

Nach dieser neugewonnenen Sicht bietet diese Stelle für das inhaltlich noch zu klärende „Redeverbot” sämtliche Argumente auf, die nur denkbar sind:

1. die Praxis der Kirche („wie in allen Gemeinden der Heiligen”; „ist von euch das Wort Gottes ausgegangen”?).
2. das AT (die Unterordnung; gemeint ist hier vermutlich nicht das „Beherrscht werden”, das in Gen 3,16 als Folge des Sündenfalls erwähnt wird, sondern das in 1 Kor 11 als Schöpfungsgabe erwähnte „Hauptsein” des Mannes, womit eine besondere Führungsverantwortung gemeint ist).
3. die allgemeine Sitte (es sei unschicklich).
4., als Höhepunkt der Argumentation, „ein Gebot des Herrn”.
Zum Schluss wird betont, daβ bei einem Ungehorsam gegenüber diesem Gebot das ewige Heil auf dem Spiel steht: „Erkennt einer das nicht, so wird er (auch von Gott) nicht erkannt”.

Interessant ist hier eine Parallelstelle, worauf die schwedische Exegese nachdrücklich hinweist 18, die aber von den Anhängern der Interpolationshypothese nicht beachtet wird: 1 Kor 9,1 14. Dort findet sich die gleiche Staffelung der Argumente wie in 1 Kor 14,33b 38:

Paulus beweist in 1 Kor 9, daβ er auf eine finanzielle Unterstützung seitens der Gemeinde Anspruch hat und sein Verzicht darauf ganz freiwillig geschieht. Er begründet seinen Anspruch 1. mit der Praxis der Kirche (die anderen Apostel leben von den Gemeinden), 2. mit der allgemeinen Sitte (niemand leistet Kriegsdienst für eigenen Sold), 3. mit dem AT („du sollst dem dreschenden Ochsen nicht das Maul verbinden”) und 4. mit einer Anordnung des Herrn („so hat der Herr auch verordnet, daβ” die Verkünder des Evangeliums vom Evangelium leben).

Die Praxis der Kirche kann sich gegebenenfalls ändern und ebenso das Empfinden für die allgemeine Sitte, wie das Schicksal der Schleiervorschrift zeigt. Das Thema „Unterordnung” wäre eigens zu besprechen 19. Der springende Punkt ist das Gebot des Herrn. Die in 1 Kor 9 erwähnte Anordnung Jesu ist uns auch aus der synoptischen Tradition bekannt (Mt 10,10 par.). Für 1 Kor 14,37 trifft das jedoch nicht zu. Worum geht es da?

Bevor wir auf die Tatsache des „Gebotes” näher eingehen, ist zu klären, was eigentlich geboten bzw. verboten wird. Paulus verbietet der Frau hier das „Reden in der Versammlung”. Andererseits scheint er in 1 Kor 11 das „Beten” und „prophetische Reden” von Frauen vorauszusetzen. Um diese Spannung zu lösen, gibt es verschiedene Lösungsmöglichkeiten. Die plausibelste Lösung scheint die, dass in 1 Kor 11 ein anderes Reden gemeint ist als in 1 Kor 14. Der Dienst des Propheten, von dem 1 Kor 11 spricht (das spontan vom Geist eingegebene prophetische Reden) ist nämlich zu unterscheiden von dem des Lehrers (vgl. 1 Kor 12,28: es gibt „Apostel”, „Propheten” und „Lehrer”). Unmittelbar vor dem „Redeverbot” werden die Prophetenworte erwähnt, die in der Gemeinde zu beurteilen sind (1 Kor 14,29-33a) eine Aufgabe, die vor allem in den Bereich der „Lehrer”, der „didaskaloi”, hineinfällt. Bei diesem Lehrgespräch spielen Frage und Antwort eine wichtige Rolle. Wer fragt, kann nun leicht ins Lehrgespräch verwickelt werden und selbst dazu gedrängt werden, den Dienst des Lehrers zu übernehmen. Dieses auf das amtliche Lehren im Gottesdienst zielende Reden wird den Frauen untersagt, obwohl außerhalb der Gemeindeversammlung sehr wohl von einer missionarischen Unterweisung auch durch Frauen berichtet wird. So das Beispiel des Ehepaares Priska und Aquila (Apg 18,24-26).

Das sog. „Redeverbot” meint also nicht einfach „den Mund halten”, „nicht schwätzen” oder „Passivität”, sondern ein „Lehrverbot”, das sich gegen eine Beteiligung der Frau an der lehramtlichen Tätigkeit während des Gemeindegottesdienstes richtet. Diesem Ergebnis entspricht auch die Parallelstelle 1 Tim 2,11 12, die der Frau im Kontext des Gottesdienstes das „Lehren” untersagt. Im heutigen Kirchenrecht finden die paulinischen Stellen ihren Ausdruck in der Weisung, daβ die Predigt in der Eucharistiefeier dem geweihten Amtsträger vorbehalten ist (CIC 1983, can. 767 § 1).

Das genannte Lehrverbot findet sich nicht in den Evangelien. Man hat darum schon die Meinung vertreten, das „Gebot des Herrn” meine Pauli eigene Autorität oder den Brauch der Gemeinden. Paulus unterscheidet aber, gerade im ersten Korintherbrief, sehr genau zwischen eigenen Weisungen, dem Brauch der Kirche und dem Alten Testament einerseits und den Anordnungen Jesu anderer-seits, besonders deutlich in 1 Kor 7,10ff: „Den Verheirateten befehle nicht ich, sondern der Herr ... Den übrigen aber sage ich, nicht der Herr ... Was aber die Jungfrauen betrifft, so habe ich kein Ge-bot des Herrn, wohl aber gebe ich einen Rat …” 20.

Ist der Hinweis auf eine unmittelbare Weisung Jesu glaubwürdig? Im Ersten Clemensbrief, um 96 von der Christengemeinde in Rom an die Gemeinde in Korinth geschrieben, spiegelt sich jeden-falls das Wissen der Urkirche um konkrete Weisungen des Herrn auch für die Amtsnachfolge. Wir haben hier zugleich ein in der Exegese oft übersehenes wertvolles Zeugnis für die apostolische Suk-zession:

„Die Apostel empfingen die Frohe Botschaft für uns vom Herrn Jesus Christus; Jesus, der Christus, wurde von Gott gesandt. Christus kommt also von Gott, und die Apostel kommen von Christus her; beides geschah demnach in schöner Ordnung nach Gottes Willen. Sie empfingen also Aufträge, wurden durch die Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus mit Gewissheit erfüllt und durch das Wort Gottes in ihrer Treue gefestigt ... So predigten sie in Stadt und Land und setzten ihre Erstlinge nach vorhergegangener Prüfung im Geiste zu Bischöfen und Diakonen für die künftigen Gläubigen ein … Auch unsere Apostel wussten durch unseren Herrn Jesus Christus, dass es Streit geben würde um das Bischofsamt. Aus diesem Grunde nun setzten sie, da sie genauen Bescheid im Voraus erhalten hatten, die oben Genannten ein und gaben dabei Anweisung, es sollten, wenn sie stürben, andere erprobte Männer deren Dienst übernehmen” 21.

Der Erste Clemensbrief betont die apostolische Nachfolge, die sich (wie nebenbei gesagt wird) auf männliche Amtsträger bezieht. Dieser Hinweis entspricht durchaus der genannten Interpretation von 1 Kor 14,37 („Gebot des Herrn”). Unter den deutschsprachigen Neutestamentlern vertritt auch Klaus Berger diese Deutung: „Für die Regelung in 1 Kor 14 beruft sich Paulus unmissverständlich auf ein Herrenwort (14,37)“ 22.

Das Zeugnis der paulinischen Briefe ist freilich nicht nur „negativ” in dem Sinne, dass der weiblichen Aktivität Grenzen gezogen würden. Die Ablehnung des gottesdienstlichen „Lehramtes” ist verbunden mit der entschiedenen Bejahung weiblichen Mitwirkens in der Gemeinde. Im „Redeverbot” selbst ist die Rede von der Unterweisung der Frau; gegenüber der rabbinischen Kennzeichnung des weiblichen Torastudiums als „Ausschweifung” 23 ist das gewiss ein erheblicher Unterschied. In den paulinischen Gemeinden wird zudem von Männern und Frauen die Gabe der Prophetie ausgeübt, eine hochangesehene Position, die freilich von dem Amt des Lehrers und des Apostels zu unterscheiden ist. In seinen Briefen erwähnt Paulus des Öfteren weibliche Helferinnen, die im Gemeindeleben eine bedeutende Rolle spielen.

Manche Autoren schieben bezüglich der Frauenfrage einen Keil zwischen Paulus und den als nachpaulinisch angesehenen Pastoralbriefen. Der echte Paulus habe eine emanzipatorische Gleichheit vertreten, während die Pastoralbriefe sich wieder in reaktionärer Weise an das Judentum angeglichen hätten 24. Von daher sei dann auch das Redeverbot 1 Kor 14 interpoliert.

Diese Kritik übersieht, dass gerade die Pastoralbriefe die Texte des Neuen Testamentes sind, die sich am ausführlichsten mit den Anliegen der Frau befassen und praktische Handreichungen für das christliche Leben geben. Es gibt Frauen, die sich wohl schon in einem institutionellen Rahmen mit caritativen Aufgaben beschäftigen, und die Witwen bilden einen eigenen Stand, der sich auch in spezifischer Weise betätigt haben dürfte. Die Stellung der Frau ragt hier über das im Diasporajudentum Gewohnte hinaus. Gleichzeitig wenden sich die Pastoralbriefe gegen eine Haltung, welche die geschlechtliche Differenz des Menschen für den Christen als unwichtig betrachtet; in dieser Position kündigt sich schon die Gnosis an, mit der die Kirche im 2. Jh. einen geistigen Kampf auf Leben und Tod führt.

Ein paar knappe Worte seien noch hinzugefügt zur sog. „Apostelin Junia” 25. In Röm 16,7 heiβt es: „Grüßt Andronikus und Junias (auf Griechisch im Akkusativ: Iouniân), meine Landsleute und Mitgefangenen, die unter den Aposteln hochgeschätzt sind und die schon vor mir in Christus waren”.

Andronikus und Junias werden entweder von den Aposteln geschätzt oder – was meist angenommen wird – selbst unter die „Apostel” gezählt. In diesem Fall haben sie entweder (als Apostel im engeren Sinne) nach der Auferstehung von Christus selbst die Sendung empfangen, oder aber es handelt sich in einem weiteren Sinne um „wandernde Verkündiger des Evangeliums” 26. Die paar-weise Aussendung von Missionaren findet ihr Vorbild bereits im Leben des vorösterlichen Jesus.

Der Akkusativ „Iounian” kann entweder vom männlichen „Iuniánus“/ „Iounianós” abgeleitetet werden; solche Kurzformen sind bei Paulus häufig, so „Silas” für „Silvanós”. Oder aber es geht um das weibliche „Iounia”. In den profanen antiken Namensbefunden, soweit sie uns überkommen sind, ist „Iounia” belegt, nicht aber „Iounias”. Johannes Chrysostomus hat „Iounia” den Titel „Apostel” zuerkannt, freilich in einem weiteren Sinne, denn ein lehramtliches Auftreten im Gottesdienst wird von ihm ausgeschlossen 27. Andronikus und Junia wären dann ein missionierendes Ehepaar, ähnlich wie Priska und Aquila.

Die Kurzformhypothese (Männername „Junias”) kann sich dagegen auf die ältesten Minuskelhandschriften berufen. Nach dem philologischen Standardwerk zum NT, der Grammatik von Blass Debrunner, wäre bei einem Femininum „Iounían” zu lesen, nicht aber wie im gegebenen Text „Iouniân” 28.

Lange übersehen wurde in der aktuellen Diskussion um den Namen das Zeugnis der altkirchlichen Jüngerlisten. Diese Listen, ediert und kommentiert bereits 1907 durch Theodor Schermann, existieren unabhängig voneinander in verschiedenen Traditionen. Die ältesten Fassungen sind sy-isch palästinensischen Ursprungs und werden von Schermann in das 4. Jh. datiert. Die Jüngerlisten bieten, soweit sie den Namen erwähnen, durchwegs die männliche Form „Junias”. Die bei Pseudo Epiphanius überlieferte Liste nennt Junias als Bischof von Apamea in Syrien 29.

Exegetisch ist die Streitfrage „Junia oder Junias?” wohl nicht definitiv zu klären. Selbst das hier gewiss unverdächtige „Wörterbuch der feministischen Theologie” hält es für offen, ob eine „Junia” oder ein „Junias” erwähnt sei 30. Auch wenn der Name weiblich zu deuten wäre, bräuchte die Aufgabe einer „Apostelin” nicht im Bereich der öffentlichen Verkündigung zu liegen 31. Die strikten Lehrverbote in 1 Kor 14 und 1 Tim 2 wären beim legitimen Vorhandensein einer predigenden Missionarin nicht leicht verständlich. Für welche Hypothese man sich auch entscheiden mag: eine auf der gleichen Ebene wie der hl. Paulus angesiedelte „Apostelin Junia” ist exegetisch unbeweisbar 32.

Das Gewicht der kirchlichen Tradition

Entscheidender Orientierungspunkt für einen Katholiken ist nicht die jeweilige private Exegese (wie sie gerade versucht wurde), sondern die Lehre der Kirche, die sich zu bestimmten Fragen verbindlich geäußert hat. Das Thema Frauenpriestertum ist nicht erst seit dem II. Vatikanum in die Diskussion gekommen, sondern hat eine lange Vorgeschichte 33. Höchst interessant ist hier bereits das Verhalten der frühen Kirche in den ersten Jahrhunderten. Auch damals gab es schon weibliche Gemeindeleiter, ja sogar Bischöfinnen und Priesterinnen – allerdings nicht in der katholischen Kirche, sondern bei häretischen Gruppen, bei Gnostikern und Montanisten. Ein besonderes Ringen hat sich dabei im 2. Jh. abgespielt. Die theologische Literatur der Häretiker hat damals an Umfang die orthodoxen Schriften weit übertroffen. Die „Pistis Sophia“ z. B. (eine gnostische Schrift) spielt die Frauen des Evangeliums gegen Petrus aus, und das ungebundene Wehen des Lichtgeistes wird gegen die Jesustradition gesetzt. Die montanistische Prophetin Priscilla beruft sich auf die Erscheinung einer „Jesa Christa“; die gleiche Gruppe ignoriert die Worte des hl. Paulus, zitiert aber andererseits wie moderne Feministinnen Gal 3,28, wonach es in der Kirche weder Mann noch Frau gebe. Irenäus, Tertullian, Hippolyt, die Didaskalie, die Apostolischen Konstitutionen, Epiphanius, Johannes Chrysostomus, die Apostolische Kirchenordnung sowie Augustinus und Johannes Damaszenus sind die wichtigsten kirchlichen Gegeninstanzen. Die beiden letztgenannten beschreiben die einschlägige Praxis der Sekten ausdrücklich als „Häresie“.

Ähnliches könnte man zum Mittelalter ausführen: Auch dort gab es einige Sekten, die weibliche Amtsträger auf die Kanzel und an den Altar gerufen haben, angefangen bei den Katharern und Waldensern. Das soziale „Milieu“ wäre dem also nicht durchweg verschlossen gewesen. Die Gegen-argumente der kirchlichen Autoren berufen sich entscheidend nicht auf irgendeine krude Frauenfeindlichkeit, sondern auf den Willen Christi und die Tradition der Kirche. Einigen Äbtissinnen in Spanien, die im Gottesdienst gepredigt und ihren Nonnen die Beichte abgenommen hatten, schrieb Papst Innozenz III. einen Brief, in dem es heißt: „Mag auch die allerseligste Jungfrau Maria höher stehen und (mag sie) auch mehr ausgezeichnet sein als alle Apostel zusammen, so hat der Herr doch nicht ihr, sondern diesen die Schlüssel des Himmelreiches anvertraut“ 34.

Auf die beständige Überlieferung der Kirche beruft sich Papst Johannes Paul II., wenn er definitiv erklärt, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben” 35.

Könnte ein Nachfolger des gegenwärtigen Papstes eine solche definitive Lehrentscheidung auf-heben? Einige Kritiker der kirchlichen Lehre verweisen auf Wandlungen, wonach angeblich eine Glaubenslehre sich in ihr kontradiktorisches Gegenteil verkehren könnte. Das vielleicht massivste Beispiel einer solchen Argumentation ist die Rechtmäßigkeit der Sklaverei: in früheren Zeiten sei es Gang und gäbe gewesen, die Sklaverei als Wille Gottes darzustellen, während das Zweite Vatikanische Konzil sie als „Schande“ bezeichne und als „Widerspruch gegen die Ehre des Schöpfers“ (Gaudium et spes 27) 36. Wenn es schon bei so zentralen Fragen in der Kirche einen grundlegenden Wandel gegeben habe, warum dann nicht auch in Zukunft bezüglich der Frauenordination?

Auf den ersten Blick ist tatsächlich der Unterschied frappierend: über viele Jahrhunderte hinweg gilt Sklaverei als legitim, wird dann zunehmend abgelehnt, und die Enzyklika „Veritatis splendor“ nennt Versklavung als in sich schlechte Handlung. Gesellschaftliche Veränderungen haben auch den Wandel in der Auffassung der Kirche beeinflusst.

Allerdings wird man auch hier genau zuschauen müssen. Ein kontradiktorischer Wandel wäre nur dann gegeben, wenn das Lehramt in der Vergangenheit definitiv gesagt hätte: „Es gehört zum Glaubensgut der Kirche, dass Sklaven gehalten werden dürfen“. Was sich tatsächlich findet, ist eine Duldung oder sogar ein Gutheißen der Sklaverei, da die ökonomische Bindung der äußeren Freiheit an einen Herrn die christliche Freiheit nicht verunmöglicht 37. Gleichzeitig hat das Christentum maßgeblich dazu beigetragen, die Sklaverei von innen her zu überwinden. Dies war umso leichter, als die Sklaverei (im Unterschied zum Geschlechterverhältnis) nicht in der Schöpfung verwurzelt ist.

Der gesellschaftliche Wandel hat auch das Verhältnis Mann-Frau verändert, was die Dokumente des päpstlichen Lehramtes prinzipiell bejahen. Dennoch gibt es auch im gesellschaftlichen Wandel für die Kirche Konstanten, die mit der Schöpfungs- oder Erlösungsordnung zusammenhängen. Wo der Unterschied zwischen Konstante und Wandel besteht, kann im Einzelfall (wie zeitweise bei der Diskussion um die Sklaverei) Gegenstand innerkirchlicher Auseinandersetzung werden. Dass die Nichtordination der Frau zu den bleibenden Faktoren gehört, hat „Ordinatio Sacerdotalis“ definitiv festgestellt. Eine vergleichbare Festlegung des Lehramtes, die sich für ein innerkirchlich diskutiertes Thema auf das Glaubensfundament bezieht, hat es für die Sklaverei in der Vergangenheit nicht gegeben. (Fortsetzung folgt).

1 Vgl. die Internetseite der Initiative www.mariazweipunktnull.de (Zugang 28. Mai 2019).
2 HAUKE, Manfred, Die Problematik um das Frauenpriestertum vor dem Hintergrund der Schöpfungs- und Erlösungsordnung, Paderborn 41995; Ders., Women in the Priesthood? San Francisco 1988.
3 HAUKE, Manfred, „Priestertum der Frau?“ Theologisches Nr. 156 (April 1983) 5160 5169. Vgl. www.theologisches.net.
4 HAUKE, Manfred, Das Weihesakrament für die Frau – eine Forderung der Zeit? Zehn Jahre nach der päpstlichen Erklärung „Ordinatio Sacerdotalis“ (Respondeo 17), Siegburg 2004. Lieferbar bei: Verlag Franz Schmitt, Postfach 1831, D-53708 Siegburg, verlagfranzschmitt@t-online.de.
5 https://www.dbk-shop.de/de/deutsche-bischofskonferenz/verlautbarungen-des-apostolischen-stuhls/erklaerung-frage-zulassung-frauen-priesteramt.html (Zugang 28. Mai 2019).
6 JOHANNES PAUL II., Apost. Schreiben „Ordinatio Sacerdotalis“, Nr. 4 (VAS 117, S. 6).
7 RATZINGER, Joseph, „Grenzen kirchlicher Vollmacht. Das neue Dokument von Papst Johannes Paul II. zur Frage der Frauenordination“: Internationale katholische Zeitschrift „Communio“ 23 (1994) 337-345, hier 342f.; nachgedruckt in MÜLLER, G. L. (Hrsg.), Von „Inter insigniores“ bis „Ordinatio Sacerdotalis“. Dokumente und Studien der Glaubenskongregation, Würzburg 2006, 15-27 („Einführung“).
8 GLAUBENSKONGREGATION, Antwort auf den Zweifel bezüglich der im Apostolischen Schreiben „Ordina-tio Sacerdotalis“ vorgelegten Lehre (28.10.1995): MÜLLER, G. L. (Hrsg.), Der Empfänger des Weihesakra-ments. Quellen zur Lehre und Praxis der Kirche, nur Männern das Weihesakrament zu spenden, Würzburg 1999, 208f; vgl. AAS 87 (1995) 1114. Siehe dazu auch den ungezeichneten offiziösen Kommentar: L‘Osservatore Romano (dt.), 24.11.1995, S. 4; CONGREGAZIONE PER LA DOTTRINA DELLA FEDE (Hrsg.), Dall‘“Inter Insigniores“ all‘“Ordinatio Sacerdotalis“. Documenti e commenti (Documenti e studi 6), Vatikan-stadt 1996, 205-209; deutsch in MÜLLER, G.L. (Hrsg.), Von „Inter insigniores“ bis „Ordinatio Sacerdotalis“. Dokumente und Studien der Glaubenskongregation, Würzburg 2006, 195-199.
 
9 RAHNER, KARL, „Priestertum der Frau“: Stimmen der Zeit 195 (1977) 291-301, hier 299.
10 Vgl. HAUKE, Frauenpriestertum 322f.
11 Vgl. HAUKE, Frauenpriestertum 323-325.
12 Das Konzil von Trient betont: „Wer sagt, mit den Worten: ´Tut dies zu meinem Gedächtnis´ (Lk 22,19; 1 Kor 11,24), habe Christus die Apostel nicht als Priester eingesetzt, oder er habe nicht angeordnet, dass sie selbst und die anderen Priester seinen Leib und sein Blut opferten: der sei mit dem Anathem belegt” (DH 1752).
13 Auf die sog. „Apostelin Junia“, die von manchen als Argument für die Frauenordination angeführt wird, kommen wir gleich zurück.
14 Im folgenden Heft.
15 OS 2 = Mulieris dignitatem 26.
16 Vgl. dazu im einzelnen HAUKE, Frauenpriestertum 334-399. 509-513.
17 Vgl. DAUTZENBERG, Gerhard, Urchristliche Prophetie (BWANT 104), Stuttgart 1975; Ders., „Tradition, paulinische Bearbeitung und Redaktion in 1 Kor 14,26-40“: Jendorff, B./Schmalenberg, G. (Hrsg.), Tradition und Gegenwart (Theologie und Wirklichkeit 5), Bern-Frankfurt 1974, 17-29, hier 19: die Stelle 1 Kor 14,33b-38 arbeitet „unter dem missbräuchlichen Einsatz höchster theologischer Qualifikationen: des Brauches aller Gemeinden, des Willens des Gesetzes, eines Gebots des Herrn, des Apostels als dessen Übermittler".
In dem vom gleichen Verfasser herausgegebenen Werk zur Frau im Urchristentum wird die Sprengkraft dieser Stelle, insbesondere der VV 37-37 (Gebot des Herrn, Sanktion durch das göttliche Gericht ...) jedoch scham-haft verschwiegen: Ders., „Zur Stellung der Frauen in den paulinischen Gemeinden“: Ders. u. a. (Hrsg.), Die Frau im Urchristentum (QD 95), Freiburg i. Br. 1983, 182-224.
18 So JOHANSSON, Nils, Women and Church's Ministry. An Exegetical Study of 1 Corinthians 11-14, Ottawa 1974, 81f.
19 Vgl. das folgende Heft.
20 N. Baumert meint, das „Gebot des Herrn“ sei auf das ganze Kapitel 1 Kor 14 zu beziehen (BAUMERT, Norbert, Frau und Mann bei Paulus, Würzburg 1992, 315, Anm. 589); der einzige Grund ist ihm die Behaup-tung, Paulus könne sich hier unmöglich auf ein geschichtliches Wort Jesu beziehen: Ders., Antifeminismus bei Paulus? (FzB 68), Würzburg 1992, 139.
Baumert weist immerhin energisch die These zurück, es handle sich bei 1 Kor 14,33b-38 um eine Interpolati-on; gleichfalls (u. a.) SCHÜSSLER-FIORENZA, Elisabeth, ... Zu ihrem Gedächtnis. Eine feministisch-theologische Rekonstruktion der christlichen Ursprünge, München 1988, 287.
21 1 Clem 42,1-4; 44,1-2 (ed. J. A. Fischer 81).
22 BERGER, Klaus, Kommentar zum Neuen Testament, Gütersloh 22012, 618. Vgl. bereits Ders., Priesterweihe auch für Frauen? Münster 2012, 77-88.
23 Rabbi Eliezer (um 90 n. Chr.): „Wer seine Tochter die Thora lehrt, der ist wie einer, der sie Ausgelassenheit lehrt ... Mögen die Worte der Thora verbrannt werden, aber man soll sie nicht den Weibern überliefern“: STRACK-BILLERBECK III 469.
24 Vgl. insbesondere SCHÜSSLER-FIORENZA, Zu ihrem Gedächtnis.
25 Vgl. u. a. FABREGA, Valentin, „War Junia(s), der hervorragende Apostel (Rom. 16,6), eine Frau?“ JAC 27/28 (1984/85) 47-64.
26 So etwa SCHLIER, Heinrich, Der Römerbrief (HThK VI), Freiburg i. Br. 1977, 444.
27 Vgl. GRYSON, Roger, Le ministère des femmes dans l'Église ancienne, Gembloux 1972, 135ff.
28 BLASS, FRIEDRICH/DEBRUNNER, ALBERT, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch I, Göttingen 141976, 101, Anm. 6.
29 SCHERMANN, Theodor (Hrsg.), Propheten- und Apostellegenden nebst Jüngerkatalogen des Dorotheus und verwandter Texte (TU 31/1), Leipzig 1907, 292-321.339.
30 ALBRECHT, Ruth, „Apostelin/Jüngerin“: Gössmann, Elisabeth u. a. (Hrsg.), Wörterbuch der Feministi-schen Theologie, Gütersloh 1991, 24-28, hier 25. In der zweiten Auflage verwandelt sich die Apostelin-Junia-Hypothese freilich in feministische Gewissheit: op. cit., 22002, 33-36, hier 33.
31 Vgl. BAUMERT, Frau und Mann bei Paulus 187f.
32 Vgl. auch WEHR, Lothar, „Charisma einer Christin“: Die Tagespost, 6. Juni 2019, S. 36 (Forum: Warum es die Frauenweihe nicht geben wird).
33 Vgl. HAUKE, Frauenpriestertum 399-466.513-516 sowie die Quellensammlung von MÜLLER, G. L. (Hrsg.), Der Empfänger des Weihesakraments. Quellen zur Lehre und Praxis der Kirche, nur Männern das Weihesakra-ment zu spenden, Würzburg 1999.
34 10,X, de poenitentiis, V.38 (ed. Friedberg 2, 886).
35 OS 4.
36 Mit diesem Beispiel beginnt etwa die Kritik von WIJNGAARDS, John, The Ordination of Women in the Ca-tholic Tradition. Unmasking a Cuckoo‘s Egg Tradition, London 2001, 8-16.
37 Dass im strikten Sinne jedwede in der Vergangenheit praktizierte Sklaverei tatsächlich generell als „actum intrin-sece malum“ zu sehen ist, scheint auch aus der Enzyklika Johannes Pauls II., „Veritatis splendor", Nr. 80, nicht hervor-zugehen. Eine Sklaverei, die nur eine Bindung der Arbeitskraft und äußeren Freiheit an einen Herrn kennt und im übri-gen die Personenwürde des Sklaven zu respektieren sucht, ist zu unterscheiden von einer Versklavung, die den Sklaven als rechtlos betrachtet. Die zweite Form der Sklaverei ist sicher „intrinsece malum", was für die erste, mildere Form nicht gesagt werden kann, auch wenn sie ganz gewiss nicht dem Ideal entspricht. Die Enzyklika (mit ihrem Zitat aus „Gaudi-um et spes“ 27) hat die Gegenwart im Auge und will keine Wertung geben für alle Situationen der Vergangenheit. Für eine differenzierte Wertung des komplexen Themas vgl. z. B. in aller Kürze MAUSBACH, Joseph/ERMECKE, Gustav, Ka-tholische Moraltheologie III, Münster 101961, 454-456. S. a. BEDOUELLE, Guy, L´Église et l´abolition de l´esclavage ..., Centre d´Études du Saulchoir, Paris 1999.

 


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Lesermeinungen

 Chris2 5. Jänner 2021 
 

Schade, dass dieser wichtige Beitrag,

der viele ArgumentIonshilfen geben kann, gewissermaßen auch ein Opfer von Corona würde...


0
 
 lesa 4. Jänner 2021 

Der Herr lässt seine Kirche nicht im Stich

Sehr geehrter @ girsberg 74: Ihr Kommentar spricht an, was auf dem Spiel steht: Der Widerstand gegen die Offenbarung führt nicht zur "Erfüllung" sondern zu Leere, Auflösung und Spaltung. Die sakramentale Struktur der Kirche und die praktische Relevanz, die auf Ergänzung im Dienst am Leben angelegte Begabung und Aufgabe von Mann und Frau sind zuinnerst verbunden.
Dieser Artikel von Prof. Hauke mit seinen unwiderlegbaren Ausführungen sind ein Zeichen, dass der Herr die Kirche nicht verlässt, sondern ihr den Geist der Wahrheit bzw. die verschiedenen Gaben, in diesem Fall die Gabe der heiligen Wissenschaft und des Lehrens, weiterhin schenkt.


2
 
 SalvatoreMio 2. Jänner 2021 
 

Welch eine Arbeit , sagenhaft!

Herzlichen Dank!


10
 
 H.v.KK 2. Jänner 2021 
 

H.v.KK

Danke für diesen hervorragenden Artikel!


11
 
 Chris2 2. Jänner 2021 
 

Großartiger Beitrag,

der gleich zu Beginn die Auswahl der Apostel durch den Sohn Gottes beleuchtet und klarstellt, warum Jesus, "wenn er heute leben würde", eben auch keine Apostelinnen berufen würde. Ich hoffe, unsere Bischöfe lesen diese Zeilen auch...


13
 
 girsberg74 2. Jänner 2021 
 

So langsam reicht's mit dem Thema

Gemeint, das ständige Nörgeln nach "Erfüllung", dabei die eigentlichen spezifischen Aufgaben vernachlässigend oder gar nicht sehend.

Wie kommt es, dass mir altorientalische Tempel vor Augen stehen, wo man weibliches und männliches Kultpersonal hatte.


5
 
 Zeitzeuge 2. Jänner 2021 
 

Herzlichen Dank der kath.net-Redaktion für die Veröffentlichung dieses

wichtigen Beitrages!

H.H.Prof.Dr. Manfred Hauke ist ein würdiger

Schüler des großen Dogmatikers

Leo Kardinal Scheffczyk!

Im Link die Internetpräsenz von Prof.Dr. Hauke,

ich wünsche ggfls. gute Lesefrüchte!

www.manfred-hauke.de/


14
 

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