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„Kardinal Müller stellt die Frage in den Raum ‚Was ist katholisch?‘“

30. Juni 2021 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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„Sein neustes Buch zeigt echte Reformwege auf, sucht offenes Gespräch mit denen, die an einer Diskussion sich beteiligen möchten, statt nur eigene Vorstellungen durchzusetzen.“ Von Christian Schaller/Institut Papst Benedikt XVI.


Regensburg-Vatikan (kath.net) Ein Buch zur rechten Zeit ist in diesen Tagen beim Freiburger Herder Verlag erschienen. Kardinal Müller stellt die Frage in den Raum „Was ist katholisch?“ und legt mit beeindruckender Kenntnis der biblischen, philosophischen, theologiehistorischen und systematischen Fundamente eine Antwort vor, die sich, jenseits der Lehrbücher und Katechismuskompendien, als eine in die gegenwärtige Zeit unmittelbar hineingesprochene lesen lässt. Nichts scheint im katholischen Glaubens- und Kirchengefüge noch unumstößlich zu sein. Fast alles wird derzeit in Frage gestellt und soll unter der Rubrik „Reform“ einer Veränderung zugeführt werden, die sich ihren „Ritterschlag“ durch die postmoderne und transzendenzfeindliche Epoche selbstverliebt abholt. Im Ränkespiel der Ideologien und einer abwegigen Ekklesiologie, deren Hauptfehler in der Einschätzung der Kirche als rein sozio-funktionales Gebilde von Menschenhand liegt, wird Reform zum misslichen Ergebnis einer Mehrheitsentscheidung. Synodalität ist etwas anderes. Es ist das gemeinsame Ringen bei der Vertiefung des Glaubens, bei der persönlichen Lebensanstrengung und das im Einklang mit dem Lehramt. Einfach zu behaupten, der christliche Glaube müsse, um attraktiv zu bleiben, sich der eigenen Identität berauben und Grundlagen des Selbstverständnisses als einer von Christus gestifteten Heilsgemeinschaft sui generis aus dem Weg räumen, macht es sich zu leicht. Kirchenbilder, so verheißungsvoll diese vielleicht für den einen oder anderen scheinen, sind nicht unbedingt plausibler oder wahrer und richtiger als die, die sich aus der Lektüre der Schrift, den Tiefen der Theologiegeschichte und deren systematischer Entfaltung erkennen lassen. Dass der Autor hier den Leser hineinnimmt in die Facetten wissenschaftlicher Forschung, intellektueller Erkenntnis und glaubhafter Vermittlung in einer allen gerecht werdenden Sprache, ist das große Verdienst der über 300 Seiten starken Studie.


Ohne den Blick auf die verheißungsvollen Gemeinsamkeiten im ökumenischen Disput zu verlieren, werden die Spezifika des katholischen Glaubens hervorgehoben: die zentrale Feier der Eucharistie als die „katholische Lebensmitte“, das Denken und Fühlen mit der Kirche (sentire cum ecclesia), die Katholizität als weltumspannende Einheit und als ökumenische Chance der stärkeren Betonung christlicher Identität. Mit persönlichen biographischen Erfahrungen angereichert, wird das sukzessive Hineinwachsen in den Glauben beschrieben, der das eigene Leben umgreift und somit zu einer Entscheidung in Freiheit aufruft. Hat der Glaube noch Sinn? Ist er noch vermittelbar? Zieht man die ausführlichen Reflexionen zum „nachmetaphysischen Zeitalter“ heran, das sich einer innerweltlich-abgeschlossenen Sicht von Welt und Mensch ergeben hat und alles auf ein empirisch-messbares Maß reduziert hat, das jederzeit gewandelt, angepasst und verändert werden kann, so wird der Themenkanon „Glaube und Vernunft“ mit seinen wechselseitigen Korrekturmöglichkeiten und Notwendigkeiten zu einem Kernstück des Buches. Empfindungen, Visionen, gesellschaftlich Gegebenes müssen auf einer objektiv-sachlichen Ebene diskutiert und hinterfragt werden. Die Kirche ist es dem Gläubigen schuldig – es ist ihre Verantwortung und ihre Sendung – den Gläubigen nicht der Subjektivität weniger auszuliefern.

Die alles entscheidende Frage für die Einordnung und Durchdringung der Themen Glaube, Kirche, Katholisch, Sakramente, Schöpfung, Lebensgestaltung, Erlösung und Vollendung ist aber: Ist Jesus von Nazaret der Sohn Gottes? Die letztgültige Offenbarung Gottes an seine Schöpfung? Daran steht und fällt jeder Umgang mit den skizzierten Begriffen. Beantwortet man die Frage positiv, dann ist entschieden, dass die Kirche eine Gründung Jesu ist, der er auch Strukturen gegeben hat, die sich menschlichem Konstruktionswahn entziehen. Dann kann auch Erlösung nur von ihm kommen, nicht von gesellschaftlichen Vorgaben, die man zur scheinbaren Rettung der Kirche kopieren will.

Gerhard Kardinal Müller hat ein Buch für alle Christen geschrieben. Es zeigt echte Reformwege auf und sucht das offene Gespräch mit denen, die an einer Diskussion sich beteiligen möchten, statt nur eigene Vorstellungen durchzusetzen. Auf dem Rücken der Theologie und der Philosophie wurden die großen Dispute der Menschheit ausgetragen. Die nun vorgelegte Publikation ist ein wichtiger Beitrag zur Wiederbelebung einer Kultur des Austausches. Diese Chance sollte von allen genutzt werden.

Dr. Christian Schaller ist Stellvertretender Direktor am Institut Papst Benedikt XVI.

Großer kath.net-Buchtipp! - Neuerscheinung

Was ist katholisch?
Von Gerhard Kardinal Müller
Hardcover, 320 Seiten
2021 Herder, Freiburg
ISBN 978-3-451-39074-6
Preis Österreich: 24.70 EUR


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