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| Reform ja – Reformation nein!28. Jänner 2022 in Kommentar, 4 Lesermeinungen „‚Wenn ihr euch fragt, wie es damals passieren konnte: weil sie damals so waren, wie ihr heute seid‘ (Henryk Broder). Diese Worte treffen auch auf die Empörungswelle zu, die nach Münchener Gutachten durch Presse geht.“ Gastkommentar von Helmut Müller München (kath.net) Leider muss man auch sagen, dass sich viele Kirchenvertreter in punkto Pädophilie von damals gängigen Überzeugungen nicht genügend distanziert hatten: Denn die „DNA“ ihrer Lehre enthielt immer ein klares Profil gegen Kindesmissbrauch. Wenn ausnahmslos allen Erzbischöfen im Münchener Gutachten, angefangen bei einer liberalen Ikone wie Kardinal Döpfner bis zum emeritierten Papst, vorgeworfen wird ohne entsprechende Sorgfalt bis zu aktivem Vertuschen schuldig geworden zu sein, sollte man sich zunächst fragen: Hätte ich wirklich anders gehandelt? Wären Feigheit, Zeitgeistigkeit, Unkenntnis oder Pragmatismus die Gründe gewesen? Dieses oder ähnliches müsste man sich heute vorwerfen lassen. Jedenfalls ist es kein Ruhmesblatt journalistischer Recherche, die damaligen Täter jetzt zu Opfern einer maßlosen Berichterstattung zu machen, die weder mentalitätsgeschichtlich sensibel verfährt, noch den Wissensstand über Pädophilie berücksichtigt, die linksgrünen aktiven Täter von damals (z. B. Daniel Cohn-Bendit) kaum wahrnimmt, dafür aber den katholischen Vertuscher um so mehr. Jedenfalls sollten wenigstens einmal über die weisen mentalitätssensiblen Worte von Henryk M. Broder nachgedacht werden. Reformen erneuern die Kirche – eine Reformation schafft sie ab und ersetzt sie durch eine andere. Einige Klarstellungen zum Münchener Gutachten: Anthropologisch • Die Sozialstruktur von Homo sapiens ist nicht diejenige eines Heringsschwarms, in dem alle Individuen durch das Seitenlinienorgan justiert, auf gleicher Höhe schwimmen. Auf „Augenhöhe“ ist dann in unserer Spezies bestenfalls eine zu beachtende Maxime im individuellen Zueinander. Diese Maxime kann nicht die wesensmäßigen Hierarchien unserer Spezies ersetzen. D. h. aber dass Personen niederer Hierarchien vor Missbrauch durch Personen höherer Hierarchien geschützt werden müssen. Missbrauch ist so gesehen kein systemisches katholisches Phänomen, sondern viel ursprünglicher schon ein anthropologisches. Zur Sozialstruktur von homo sapiens gehören Hierarchien über alle Ethnien und Zeiten hinweg. Soziologisch • Daher ist Missbrauch eine auch in Sport- und Reitvereinen vorkommende Konstante, vom Politikbetrieb gar nicht zu reden. Missbrauch wird überall begünstigt, wo Abhängigkeitsverhältnisse vorkommen. Theologisch/Philosophisch: • Der kanadische Philosoph und Kyoto-Preisträger Charles Taylor spricht von einer Minus-Vernunft, wenn Menschsein ohne die Dimension des Transzendenten begriffen werden will. D. h. zu einer dem Menschsein immanenten Hierarchie kommt nach Taylor auch noch eine ebenso wesentlich transzendente Hierarchie, nämlich die zwischen Gott und Mensch hinzu. Im platonischen Dialog Nomoi aber auch in der Politeia ist Platon etwa der Auffassung, dass Menschen nicht selber Gesellschaft bauen können, sondern den Beistand der Götter benötigen. So wie der Mensch Schafe führt, braucht der Mensch den Beistand der Götter. Das scheint achsenzeitliches (Karl Jaspers) Allgemeinwissen zu sein – wie auch Habermas in seinem Alterswerk anmerkt. Israel hat im Dekalog diese beiden Hierarchien, den Bund mit Gott und untereinander vorbildhaft ausbuchstabiert. Die katholische Kirche bildet diese transzendente Hierarchie ab. Der synodale Weg ist auf dem Weg sie zu nivellieren. Ekklesiologisch • Auch nach Paulus ist „auf Augenhöhe“ eine Maxime des individuellen Zueinanders. Sein Begriff von Kirche als Leib Christi ist in hierarchischen Strukturen gegliedert. Sie werden als Dienste begriffen und als Charismen spirituell definiert. Das erfordert ein gegenseitiges aufeinander hören und einander schätzen. Die klerikalen Dienste bilden anthropologisch/transzendente Hierarchien ab. Die weiteren Dienste sind eine Abbildung der anthropologisch immanenten Hierarchien. Ohne Kleriker zu haben und mit Frauen hat auch die evangelische Kirche, das Problem des Missbrauchs. Deshalb genügen Reformen innerhalb des Systems katholische Kirche. Eine Reformation wäre eine andere Kirche und die gibt es schon, ohne dadurch das Problem des Missbrauchs gelöst zu haben. Mentalitätsgeschichtlich Es ist unfair mit dem Wissensstand von heute und zudem mentalitätsunsensibel Auffassungen, Kenntnisstand und zeitgeschichtlicher Umstände von damals zu beurteilen Statistisch • Selbstverständlich muss sich die katholische Kirche auch an dem messen lassen, was sie predigt. Absolut verwerflich und beschämend sind Verbrechen von Klerikern, die sakramental das Heil schlechthin verkörpern sollen, aber schlimmstes Unheil verursachen. 3 % (Frankreich) – 4 % (Deutschland) Missetäter in ihren Reihen vernichten das Ansehen eines ganzen Berufsstandes. Zum Vergleich: Eine 5 prozentige Unwirksamkeit des Impfstoffs Biontec diskreditiert noch lange nicht den Impfstoff selbst. Ebenso sollten 3 – 4 % Missbrauchstäter nicht einen ganzen Berufsstand diskreditieren. Selbstverständlich ist jeder mit Biontec durchgeimpfter und trotzdem Gestorbener einer zu viel, wie ein von einem Priester missbrauchtes Kind ebenso. Papst emeritus Benedikt • Was das im Gutachten fest gestellte Versagen des emeritierten Papstes anbelangt, sollte abgewartet werden, ob die aus den Papieren hervorgehende, von den Gutachtern vermutete Falschaussage, gleich schon eine Lüge ist, wie der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller schon am Tag der Veröffentlichung im ARD-Brennpunkt behauptet hat. kath.net Lesetipp: Helmut Müller: Hineingenommen in die Liebe - aber spüren wir sie auch im orbis catholicus? https://www.fe-medien.de/hineingenommen-in-die-liebe Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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