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| Die bisher älteste hebräische Inschrift nennt den Gottesnamen „Jahwe“2. September 2022 in Chronik, 4 Lesermeinungen Die Fluchtafel vom Josua-Altar zwingt die Forscher zum radikalen Umdenken über die Historizität der Bibel. Gastkommentar von Michael Hesemann Sichem (kath.net) Die antike Stadt Sichem, das heutige Nablus, ist eine der ältesten biblischen Stätten des Heiligen Landes. Hier, an der uralten Orakeleiche, opferte schon Abraham gegen 1830 v.Chr. seinem Gott, den er mit dem kanaanitischen „El Berith“ (Herr des Bundes) identifizierte, der in Sichem verehrt wurde. Welch große Bedeutung die Stadt bei den biblischen Urvätern hatte, erkennt man daran, dass auch der Patriarch Joseph, dessen Leichnam von den Israeliten beim Exodus aus Ägypten ins Heilige Land überführt wurde, seine letzte Ruhestätte in Sichem fand. Zudem lesen wir im Buch Deuteronomoum, dass Moses den Israeliten auftrug, auf den Bergen Ebal und Garizim, die Sichem überragen, steinerne Altäre zu erreichten, um Gott zu opfern (5 Mos 27, 4-6). Laut dem Buch Josua folgte der Heerführer der Israeliten dieser Weisung des Moses dann auch. Ganz Israel war dabei versammelt. Seine Ältesten und Richter standen zu beiden Seiten der Bundeslade neben ihren Trägern und den levitischen Priestern, dazu Fremde und Einheimische: Die einen zum Berg Garizim hingewandt, die anderen zum Berg Ebal, so wie es Moses für die Segnung des Volkes Israel und der Verfluchung seiner Gegner angeordnet hatte (siehe Jos 8,30-35). Hier wurde sein Bund mit Gott erneuert. Doch trotz ihrer großen Bedeutung galt die Stätte lange als verschollen. Umso sensationeller war die Entdeckung eines typisch israelitischen Steinaltares auf dem Berg Ebal im Jahre 1980 durch den israelischen Archäologen Adam Zertal, der diesen in die frühe Eisenzeit (um 1200 v.Chr.) datierte. Zu ihm hinauf führte eine zwei Meter hohe Rampe, die von zwei Vertiefungen flankiert wurde, in denen Tonscherben gefunden wurden. Erst eine genauere Untersuchung ergab, dass er über einem noch älteren, runden Altar errichtet wurde, der wohl aus der Späten Bronzezeit (um 1400 v.Chr.) stammt. Unter ihm entdeckte der Archäologe zwei ägyptische Skarabäen, von denen einer die Kartusche (Namensinschrift) Thutmosis III. (1479-1425 v.Chr.) trug, und ein kleines Gefäß aus Vulkanstein für Weihrauchopfer. Zudem stieß Zertal im Zentrum des älteren Altars auf eine Vertiefung, in der sich noch Asche und verkohlte Tierknochen befanden. Leider wurde die Stätte im Januar 2021 zum Ziel eines palästinensischen Terroraktes, wohl um jüdischen Ansprüchen auf die Westbank eine klare Absage zu erteilen. Doch dann, am 24. März 2022, machte der „Josua-Altar“ vom Berg Ebal weltweit Schlagzeilen durch einen Fund, der auf eindrucksvollste Weise die Bibel bestätigte. Wir verdanken ihn dem Amerikaner Dr. Scott Stripling, der bereits im Auftrag der „Associates for Biblical Research“ in Khirbet el-Maqatir und Schilo gegraben hat. Seit 2019 untersucht Striplings Team das Erdreich, das Zertals Helfer bei der Freilegung des „Josua-Altars“ aufgehäuft hatten, mit einer Methode, die man in der Archäologie als „wet-sifting“ (Nass-Siebung, im Deutschen auch Flotation genannt) bezeichnet. Dabei legt man getrockneten Boden auf ein Sieb aus Maschendrahtgewebe, um ihn dann vorsichtig mit Wasser zu besprühen lassen. Während die Erde weggeschwemmt wird, bleiben Knochen-, Metall- und Keramikfragmente auf dem Netz liegen, die bei der Ausgrabung selbst übersehen worden waren. Neben unzähligen Keramikfragmenten, die in die Späte Bronzezeit und die Frühe Eisenzeit datiert werden konnten, stieß Striplings Team auf ein gerade einmal 2,5 Zentimeter breites Bleistück. Erst bei näherer Betrachtung erwies es sich als gefaltete, hauchdünne Bleitafel, die von Einkerbungen übersäht war. Eine Analyse des Metalls durch die Metallurgin Prof. Naama Yahalom-Mack von der Hebräischen Universität Jerusalem ergab die erste Sensation: Das Blei stammte aus Griechenland, aus dem Bergbaurevier von Laurion im Südosten der Halbinsel Attika, wo seit dem 3. Jahrtausend v.Chr. Blei abgebaut wurde, mit dem kretische und mykenische Händler zwischen 1500 und 1200 v.Chr. den ganzen östlichen Mittelmeerraum belieferten. Doch noch faszinierender war das Ergebnis eines schichtweisen tomographischen Scans der Innenseite der Bleitafel. Denn bei genauerer Betrachtung erwiesen sich die „Einkerbungen“ als Schrift, die sich als Nachfolgerin des „Protosinaitischen“ und Vorläufer des Frühhebräischen entpuppte – womit sie, passend zur ältesten Keramik, in die Späte Bronzezeit, auf zwischen 1400 und 1200 v.Chr. datiert werden konnte. Schon das Buch Ijob, eines der Ältesten der Bibel, erwähnt, dass „meine Worte geschrieben würden, in einer Inschrift eingegraben, mit eisernem Griffel und mit Blei“ (Ijob 19,23-24) Jetzt aber waren die Epigraphieexperten gefragt: Einem internationalen Team, bestehend aus Gershon Galil von der Universität Haifa, Peter van der Veen von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und vier Experten der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, gelang es, die aus 40 Buchstaben bestehende geheimnisvolle Inschrift zu entziffern. Sie erwies sich als „chiastischer Parallelismus“, wie er etwa typisch für die biblischen Psalmen ist: Geradezu spektakulär ist die Inschrift schon deshalb, weil sie die früheste Erwähnung des Gottesnamens Jahwe im Heiligen Land enthält. Zudem belegt sie die Präsenz der Israeliten, des von Jahwe auserwählten Volkes, im Gelobten Land bereits zur Späten Bronzezeit, was einer Spätdatierung des Exodus den Todesstoß versetzt. Doch auch der Text selbst passt zu den Ereignissen, von denen die Bibel berichtet, wenn es im Buch Josua heißt: Nachdem er den Altar auf dem Berg Ebal errichtet hatte, „verlas Josua das Gesetz im vollen Wortlaut, Segen und Fluch, genauso, wie es im Buch des Gesetzes aufgezeichnet ist.“ (Jos 8,34) Damit erfüllte er das Gebot des Moses: „… dann sollst du auf dem Berg Garizim den Segen und auf dem Berg Ebal den Fluch verkünden.“ (5 Mos 11,29) Dass sie offenbar von diesem Ereignis im ersten Jahr der Landnahme zeugt, macht die Bleitafel zumindest laut Gershon Galil zur „absolut wichtigsten Inschrift, die je in Israel gefunden wurde.“ Zudem belegt sie, dass die Israeliten schon auf der Wüstenwanderung des Schreibens kundig waren. Oder, mit Galils Worten: “Der Schreiber, der diese Tafel beschriftete, hätte auch jedes Kapitel der Bibel schreiben können. Jetzt kann niemand mehr behaupten, sie müsse aus späterer Zeit stammen… (die Israeliten) verfassten also schon sehr, sehr früh alphabetische Texte.“ Damit aber hat die Entdeckung immense Konsequenzen auch für die Diskussion um die Historizität der Heiligen Schrift. Bislang war man davon ausgegangen, dass die fünf dem Moses zugeschriebenen Bücher jahrhundertelang mündlich überliefert und frühestens zur Zeit der biblischen Könige, vielleicht aber auch erst während der babylonischen Gefangenschaft niedergeschrieben wurden. Schließlich glaubte man, dass sich die hebräische Schrift erst ab dem 10. Jh. v.Chr. aus der (für älter gehaltenen) phönizischen Schrift entwickelte. Der Fund vom Berg Ebal dagegen belegt, dass die Israeliten schon zur Zeit des Josua, also um 1400 v.Chr., schreiben konnten – und, zumindest theoretisch, auch das Gesetz des Moses oder die Geschichte ihres Volkes schriftlich festgehalten haben könnten. Dass die hebräische Schrift offensichtlich älter ist, als das phönizische Alphabet und sich direkt von den Inschriften kanaanitischer (oder israelitischer) Sklaven in den Türkisminen auf dem Sinai, der sog. „protosinatischen“ Schrift, ableitet, ist geradezu ein Paradigmenwechsel. Es scheint also, als ob die Bibel doch recht hätte und die Forschung und Exegese ein Jahrhundert lang falsch lagen. Foto: Der 1980 von Adam Zertal entdeckte „Josua-Altar“ auf dem Berg Ebal; Rekonstruktion
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