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| „Gehört der Glaube an Jesus Christus ins Museum der Religionsgeschichte?“23. Jänner 2023 in Spirituelles, 4 Lesermeinungen „Joseph Ratzinger hat uns noch auf seinem Sterbebett ein persönliches Zeugnis gegeben, dass der Glaube nicht eine beliebige Weltanschauung oder ein intellektuelles Spiel ist.“ Predigt von Gerhard Card. Müller Rom (kath.net/pl) kath.net dokumentiert die Predigt von Gerhard Kardinal Müller zum Patrozinium seiner römischen Titularkirche am Fest der Hl. Agnes am 21. Jan. 2023 in voller Länge. Wir danken S.E. für die freundliche Erlaubnis zur Veröffentlichung. Ein guter Freund hat mich neulich gebeten, ein Buch für Jugendliche zu schreiben, um sie erneut für Christus zu gewinnen. Wie alle echten Katholiken ist er besorgt über das langsame Sterben des europäischen Christentums in den Herzen und Köpfen vieler, die bisher treu zu Christus und Seiner Kirche standen. Es ist eine Tatsache, dass unsere Jugendlichen – ob sie wollen oder nicht – heute aufwachsen im Klima einer materialistischen Zivilisation, wo nur Geld und sinnlicher Lebensgenuss zählt. Ihre Essenz ist die Leugnung jeder höheren Bestimmung des Menschen. Der Mensch sei nur ein Produkt der Evolution, die bald auch unsere Spezies hinter sich lässt mit einem Sprung in die künstliche Intelligenz eines Avatars, der keiner biologischen Basis mehr bedarf. Eine antichristliche Ideologie in der Politik und den Medien redet unaufhörlich den Menschen ein, der Glaube an Jesus Christus, den Mensch gewordenen Sohn Gottes und einzigen Retter der Welt, sei ein Relikt aus dem Mittelalter und gehöre ins Museum der Religionsgeschichte. Der Mensch von heute komme ohne Gott und Kirche viel besser mit seinem Leben zurecht. Die Erlösung von allen Übeln, die früher unsere Vorfahren von Gott erwarteten, könnten wir uns heute mit Hilfe der modernen Wissenschaft und Technik selbst verschaffen. Man kann Menschen mit Büchern von Christus nur überzeugen, wenn sie an Personen sehen, wie die Nachfolge Christi uns tatsächlich von Leiden und Tod zur Herrlichkeit der Auferstehung hinführt. Man kann hier erinnern an Joseph Ratzinger als Kardinalpräfekt und Papst und seine hochgradige Auseinandersetzung mit Paolo Flores d’Arcais und Piergiorgio Odifreddi. Diese Wortführer des italienischen Neo-Atheismus hatten dabei allerdings vergeblich versucht, die Überlegenheit ihrer skeptischen Vernunft über die vom Glauben erleuchtete Vernunft eines der großen katholischen Intellektuellen zu beweisen. Die Vernunft kommt zur Gewissheit des Glaubens, wenn sie in der Liebe über sich hinauswächst und mit Gott eins wird. Das Christentum ist die Religion des göttlichen Vernunft. Der Logos ist das Wort, in dem sich Gott selbst erkennt und sich uns mitteilt als Wahrheit und Leben. Und weil Gott Geist ist in Wahrheit und Liebe, kann er von der begrenzten Vernunft sterblicher Menschen nicht überwunden werden. Deus semper maior. In seinem Geistlichen Testament spricht der verstorbene Papst noch einmal das Verhältnis von Glauben und Vernunft an, das sein ganzes theologisches Werk durchzieht. Alle Ergebnisse der modernen Naturwissenschaft, der Geschichte und der Philosophie bringen niemals die Gewissheit ins Wanken, dass jeder Mensch im Leben und im Sterben seine ganze Hoffnung auf Gott allein setzen kann. Der Gott, an den wir glauben, ist nicht ein Konstrukt unserer Gedanken und Wünsche, sondern der lebendige Gott, der in seinem Sohn Jesus Christus Mensch geworden ist. Ihn beten wir an als unseren Erlöser und Herrn. Die christliche Wahrheit kommt und geht nicht wie die unzähligen Theorien und stets sich widersprechenden Hypothesen über Mensch und Welt. Denn so spricht der Prophet Jesaja „Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, doch das Wort des Herrn bleibt in Ewigkeit.“ (Jes 40,8) Christsein heißt vielmehr: Glauben und Zeugnis davon geben, dass jeder Mensch nach Gottes Bild und Gleichnis geschaffen ist. Darum sind wir in unseren Gebete und Fragen, in unseren Hoffnungen und Leiden unmittelbar zu Gott. Unser Ich hat ein Gegenüber, indem wir zu unserem Vater im Himmel Du sagen dürfen. Wir sind von Ewigkeit her in seinem Sohn zum ewigen Leben bestimmt und heißen zurecht Kinder und Freunde Gottes. Nicht das Streben nach den vergänglichen Gütern der Welt macht uns glücklich. Weder die kommunistischen noch die transhumanistischen Ideologien konnten ein irdisches Paradies produzieren noch unseren Planeten vor dem Klimawandel retten. Jesus befreit uns von aller ängstlichen Sorge. Er schenkt uns die innere Ruhe und Zuversicht des Herzens: „Sucht zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit; dann wird euch alles andere dazugegeben werden.“ (Mt 6, 33). Joseph Ratzinger hat uns noch auf seinem Sterbebett ein persönliches Zeugnis gegeben, dass der Glaube nicht eine beliebige Weltanschauung oder ein intellektuelles Spiel ist. Der Christ vermag sein Leben vertrauensvoll hineinlegen in die Hände Gottes. Sterbend empfahl er seine Seele und seinen Geist wie Jesus am Kreuz seinem Vater, indem er zu ihm betete: Signore, ti amo! Die Heilige, die wir heute als Vorbild verehren, war ein 12-jähriges Mädchen. Sie hat uns keine Bücher, sondern nur ihr persönliches Glaubenszeugnis hinterlassen. Während ihrer kurzen Lebenszeit im 3. Jahrhundert waren die Christen im ganzen Römischen Reich und besonders hier in der Hauptstadt schärfster Verfolgung seitens des Staates ausgesetzt. Die Intellektuellen verachteten die Christen als abergläubisches und geistig unterbelichteten Gesindel. Die Volksmassen liebten kostenloses Brot und blutige Gladiatoren-Spiele. Aber sie hassten die Christen wie einen lebendigen Vorwurf an ihre wilde Gier nach Zerstreuung und dolce vita. Das schöne junge Mädchen hätte nur – wie sie meinten – ihrem Glauben an den einzigen und wahren Gott zugunsten ihrer vielen Götzen abschwören müssen. Dann hätte ihr ein Leben im Luxus und Spaß gewinkt. Sie aber zog es vor für Christus zu sterben und in einer sexualisierten Umwelt ihre Keuschheit zu bewahren. So beschreibt der hl. Ambrosius von Mailand ihr Martyrium in seiner Schrift De virginibus (I, 5-9) so eindrucksvoll. Das blutige Martyrium ereignete sich hier am Platz dieser Kirche, wo früher eine Rennbahn war. Und 1700 Jahre später erinnern wir Christen uns ihres Sterbens für und in Christus, der sie mit dem zweifachen Siegeskranz der Jungfräulichkeit und des Martyriums krönte. Einer könnte sagen, was interessiert mich ein Mädchen aus der altrömischen Zeit? Diese kleine Agnes wäre heute so oder so schon lange tot, weil unser irdisches Leben im Durchschnitt 70-80 Jahre währt. Doch in welchem Jahrhundert die Menschen auch leben mögen, ob sie jung oder alt, gesund oder hinfällig vor Gottes endgültiges Gericht gestellt werden, das ist nicht die entscheidende Frage. Immer gilt die Wahrheit, dass die Liebe zu Christus uns aus Tod und Vergänglichkeit rettet, während ein Sterben ohne die Hoffnung auf Gott uns in die tiefste Verzweiflung stürzt. Der hl. Athanasius von Alexandria, der fünfmal wegen des Glaubens an die Gottheit Christi von den arianisch gesinnten Kaisern in die Verbannung geschickt wurde, schrieb in seinem Buch „Über die Menschwerdung des Logos“ (Nr. 29): „Wenn man Zeuge davon wird, wie Männer und Frauen und sogar zarte Kinder um des christlichen Glaubens willen freudig in den Tod gehen, wer wäre da noch so ungläubig und geistig verblendet, dass er nicht begreift, dass Christus selbst, ihnen im Zeichen seines Kreuzes den Sieg über den Tod verleiht.“ Heilige Agnes, sei unsern Jugendlichen ein Vorbild für den Glauben an Jesus Christus. Auf ihn allein können wir unsere Hoffnung setzen im Leben und im Sterben. Amen. Archivfoto: Kardinal Müller am Tag seiner Kardinalserhebung (c) Bistum Regensburg Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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