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Die Wiederaufnahme der Vaterschaftsklage – Kinder Gottes oder Kinder des Weltalls?28. Februar 2023 in Kommentar, 10 Lesermeinungen Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden
Der Astrophysiker Harald Lesch und der konvertierte Atheist und Wissenschaftstheoretiker Holm Tetens bringen Gott wieder ins Gespräch, was manchem Theologen Probleme bereitet. Gastbeitrag von Helmut Müller
Vallendar (kath.net) Die Klage auf Vaterschaft scheint im vorletzten Jahrhundert endgültig zuungunsten Gottes entschieden worden zu sein. Laplace äußerte sich schon zu Beginn des Jahrhunderts gegenüber Napoleon, dass er die „Hypothese Gott“ für die Erklärung der Welt nicht mehr benötige; und gegen Ende des Jahrhunderts hatte Haeckel für die Vaterschaft Gottes nur das spöttische Etikett „gasförmiges Wirbeltier“ übrig. Feuerbach, Marx und Freud entlarvten die von religiösen Menschen geglaubte Ähnlichkeit der Kinder mit dem Vater, als Projektion, elende Sehnsucht und infantile Illusion der vermeintlichen Kinder. Mit der Ausweitung der Evolutionstheorie auf die Astrophysik wurde dann schließlich das Weltall der Vaterschaft bezichtigt, ein Vater allerdings, der sich um seinen Nachwuchs herzlich wenig kümmert, wenn man dem Biochemiker Jacques Monod glauben mag: „Der Alte Bund ist zerbrochen; der Mensch weiß endlich, dass er in der teilnahmslosen Unermesslichkeit des Universums allein ist, aus der er zufällig hervortrat. Nicht nur sein Los, auch seine Pflicht steht nirgendwo geschrieben.“ Der Astrophysiker Stephen Weinberg sekundiert ihm, wenn er meint „je begreiflicher das Universum“ werde, „desto sinnloser“ würde es.
Stimmen von Theologen, dass Gott doch der Vater ist, sind nie verstummt. Aber auch Theologen konnten sich den eindrucksvollen Ergebnissen des modernen naturwissenschaftlichen Vaterschaftstestes nicht ganz entziehen. Gewöhnlich bestehen sie zwar weiterhin darauf, dass Gott der Vater sei, müssen aber zugeben – je nach Einstellung mehr oder weniger freudig – dass die nun einmal in die Welt gesetzten Sprösslinge vom Weltall zumindest in Pflege genommen seien.
In jüngster Zeit bekommen die in Bedrängnis geratenen Theologen jedoch Unterstützung von ungewohnter Seite, nicht nur erfreulicher Weise. Schon seit einigen Jahren ist der emeritierte Berliner Wissenschaftstheoretiker Holm Tetens bei katholischen Akademien und ebensolchen Erwachsenenbildungsanstalten im deutschsprachigen Raum ein gefragter Mann. Sein 2015 erschienenes Reclam Buch „Gott denken. Ein Versuch über rationale Theologie“ hat geradezu einen Run auf ihn als Vortragenden ausgelöst. Dabei scheut er sich nicht vor Kontroversen mit atheistischen Kollegen, allen voran mit seinem Freund Ansgar Beckermann oder dem amerikanischen Philosophen Thomas Nagel. Das gleiche trifft auf Harald Lesch zu, der zudem noch in Medien und im Fernsehen präsent ist.
Schon länger sind angelsächsische Naturwissenschaftler, die ehedem für die Vaterschaft des Alls plädiert hatten, unsicher geworden. Die grandiose Unwahrscheinlichkeit, dass es den letzten Sprössling Homo sapiens überhaupt gibt und seine geringe Ähnlichkeit mit einer Milchstraße und noch weniger mit dem Großvater „Big Bang“ hatten etwa John D. Barrow und Frank J. Tipler nachdenklich gemacht. Sie suchten in ihrem Buch „The anthropic Cosmological Principle“ von 1986 nach einer Erklärung, und postulieren ein „anthropisches Prinzip“, d. h., sie nehmen Maß am Menschen und tragen dieses Maß immer weiter in die anthropologische, biologische, vor allen Dingen aber auch kosmologische Vergangenheit. Wen wundert’s wenn einer von beiden, nämlich Frank J. Tipler aufgrund dieser Ahnenforschung schließlich – salopp gesagt – 1994 mit seinem Buch „Die Physik der Unsterblichkeit“ wieder beim lieben Gott gelandet ist, ein Buch, das bei weitem nicht so überzeugend ist wie die Darbietungen von Lesch und Tetens.
An dieser Stelle wird jedoch sofort das kontinentaleuropäische Anthropomorphismus-Verbot ins Feld geführt, zuerst von Feuerbach formuliert. Das Verbot passt nicht so sehr auf die Thesen von Tipler, dafür aber um so mehr auf das Kaufinteresse der Leser seines Buches. Ein Vater über den Sternen ist lt. diesem Verbot doch wohl nur der Wunschphantasie des armen Waisenkindes entsprungen, das sich aufgrund seiner hiesigen Unbehaustheit wenigstens eine Behausung über den Sternen wünscht. Gott ist dann bloß ein in die Transzendenz gehobener Anthropomorphismus. Ist damit aber schon die bestehende Ähnlichkeit erklärt? Daran knüpft auch Holm Tetens an bei seinen Diskussionen mit atheistischen Kollegen und ebensolchen Astrophysikern: Vielleicht sollte man schon am Anfang der Welt ein Bewusstsein annehmen, meint er, aus dem dann – wie auch immer – ein Universum hervorgeht. Dann geriete man nämlich weniger in Erklärungsnöte, da sich aus bloß physikalischen Anfängen etwas komplett Anderes, ein Bewusstsein herausschält. Sollte Bewusstsein bloß ein Epiphänomen der Großhirnrinde des letzten Sprösslings des Universums sein, können wir alle Hoffnung auf Erlösung fahren lassen, meint Tetens. Wie wäre es aber wenn unser Begriff von Gott nicht nur anthropomorph, sondern der Mensch theomorph ist? Das hieße das Bewusstsein wäre vorgängig und eine „Gott produzierende Sehnsuchtsstruktur des Menschen“ (Magnus Striet) wäre weniger Ansatzpunkt theologischen Denkens, sondern Erfüllung dieser Sehnsucht und dieses Denkens. Gott selbst ist nämlich zur Gabe geworden in seiner Offenbarung „[im] Sohn der Maria“ (Mk, 6,3) – nicht bloß wie mit diesen Worten vom Koran übernommen – sondern wie im Johannes Evangelium (Joh. 1,14) „das Wort […]Fleisch geworden [ist]“, geglaubt wird.
Es sollte aufhorchen lassen, wenn ein Wissenschaftstheoretiker in dieser Weise theomorph denkt und ein bestallter Theologe, etwa Magnus Striet, zugibt „dass ich um der Freiheit des Menschen willen Schwierigkeiten mit Ansätzen habe, die den Begriff der Gabe [Offenbarung als Gabe] als zentral ansehen“ (Striet/Hoping Gott, Freund der Freiheit, 47). Wenn nämlich Freiheit als Gabe – und nicht selbstursprünglich wie Striet (32) meint – verstanden wird, wären auch Richtlinien des Gebers der Gabe (48) zu beachten. Manche Theologen haben offensichtlich ein Problem damit, wenn die Vaterschaftsklage für Gott entschieden wird und sie nicht bloß „Kinder des Universums“ sind, deren „Pflicht[en]“ – nach Monod – „nirgendwo geschrieben“ stehen.
kath.net Buchtipp:
Hineingenommen in die Liebe – aber spüren wir sie auch im orbis catholicus?
Von Helmut Müller
Taschenbuch, 250 Seiten, 1. Auflage
Christiana-Verlag 2021
ISBN: 9783717113355
Preis: Euro 10,30
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Lesermeinungen | SCHLEGL 3. März 2023 | | | @wundsalbe Das von Ihnen aufgeworfenen Problem der "Nahtoderfahrungen" wird meines Wissens gerade in einem Studienkreis der Wiener Universitätsklinik behandelt.
Das Problem liegt unter anderem darin, dass die betreffende Person eben nicht ganz tot gewesen ist. Wir wissen nicht, welche Vorgänge im Gehirn beim Zusammenbruch des Kreislaufs genau vor sich gehen. Es gibt nämlich auch Erfahrungen in diesem Bereich, die dem Christlich-jüdischen Gottes-und Menschenbild widersprechen.
Natürlich ist es möglich, dass wir in unserer von Skeptizismus geprägten Zeit einen kleinen Blick in die Zukunft machen können. Aber man kann dies nicht mit Sicherheit behaupten. | 0
| | | wundsalbe 1. März 2023 | | | Nahtoderfahrungen Mich wundert in der ganzen Diskussion das Faktum, dass Nahtoderfahrungen weitestgehend ignoriert werden.
Woran liegt das? | 0
| | | Chris2 28. Februar 2023 | | | Ich darf an die Komplexität des Auges erinnern, das, um überhaupt irgendeinen "evolutionären Vorteil" zu erbringen, gleichzeitig eine ganze Kette an (weiteren) Voraussetzungen erfüllen muss:
- Signalerkennung (überhaupt und Richtung)
- Signalweiterleitung
- Signalverarbeitung und Analyse mit Ergebnis und Befehl ("Ich muss dort hin")
- Signalweiterleitung
- gezielte Reaktion eines Fortbewegungsorgans
Analoges gilt für die Ohren. Und all das müsste gleichzeitig entstanden sein, sonst wäre das (hier einfach erst einmal nur die Richtung eines Lichtreizes erkennende) Auge schlicht nutzlos und damit eine "evolutionäre Last", die nach der Tehorie aussterben müsste.
Per Zufall alles nicht sehr wahrschsinlich. Auch nicht in hunderten Millionen Jahren... | 0
| | | Stock 28. Februar 2023 | | | Sonderbar "Wie wäre es aber wenn unser Begriff von Gott nicht nur anthropomorph, sondern der Mensch theomorph ist?"
Dieses ›denkerische Novum‹ ist biblischer Bestand: „Heißt es nicht in eurem Gesetz: Ich habe gesagt: Ihr seid Götter?“ Joh 10,34. | 0
| | | si enim fallor, sum 28. Februar 2023 | | | Wie kann Freiheit geben, wenn der Schöpfer der Welt sie nicht gegeben hat? In einer rein materiellen Welt könnte es nur Kausalität oder Zufall geben (obwohl letzteres eher das Unvermögen der Menschen wäre, Ursachen und Kausalketten festzustellen).
Gott, der Schöpfer der Welt (inklusive einschließlich der materiellen Welt und ihrer physikalischen Gesetze und Grenzen)m der allmächtig und ewig ist, muss daher der Schöpfer und Geber der menschlichen FREIHEIT sein.
(echte Freiheit, wohlgemerkt, die nicht dem Determinismus oder dem Zufall der Materie samt ihrer kausalen Beziehungen unterliegt).
Natürlich wirft die Frage der Freiheit Probleme hinsichtlich der Gnade, der Prädestination usw. im Zusammenhang mit der Allmacht Gottes auf, aber das ist ein anderes Thema als die Existenz der echten menschlichen Freiheit.
Vielleicht ist aber in diesem Sinne die echte Freiheit einer der Gründe, warum es in der Genesis heißt, dass “Gott erschuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes erschuf er ihn” | 0
| | | Stephaninus 28. Februar 2023 | | | Star Trek Wie sagte Mr. Spock immer so schön: Faszinierend! | 1
| | | SalvatoreMio 28. Februar 2023 | | | Sie bringen mich zum Nachdenken! @Stefan Fleischer: Aufgrund ihres Drehimpulses vollführt die Erde eine Drehbewegung um die Sonne.- Von Gott her gesehen, ist sie das Zentrum des Universums, weil Christus seinen Fuß auf diesen blauen Planeten setzte. Ich denke, dass Sie das so meinen und dass wir es so deuten dürfen. | 2
| | | Norbert Sch?necker 28. Februar 2023 | | | Der theomorphe Mensch "Wie wäre es aber wenn unser Begriff von Gott nicht nur anthropomorph, sondern der Mensch theomorph ist?"
Ein herrlicher Satz - er bringt es auf den Punkt.
Wir sind nach Gottes Ebenbild erschaffen, nicht umgekehrt.
Daher haben wir auch unsere Menschenwürde, unsere Menschenrechte, aber auch unsere Menschenpflichten.
Viele, die das leugnen, tun es aufgrund der Versuchung der Schlange - sie wollen selbst sein wie Gott und über Gut und Böse bestimmen.
Das Ergebnis ist bekannt - der Verlust des Paradieses.
Wer aber Gott - besonders in Form des Gottessohnes - wieder in den Mittelpunkt rückt, hat überraschend auch den Menschen im Zentrum. Man denke an die Krippe mit dem Jesuskind. Oder, passend zur Fastenzeit, Jesus am Kreuz: "Ecce homo"! | 5
| | | Mariat 28. Februar 2023 | | | Wer die Wahrheit sucht, findet Gott! Leider lassen sich einige Menschen davon überzeugen, dass Gott, unser Vater, Schöpfer und Erlöser nicht existiert.
All jenen möchte ich den Film: "Gott ist nicht tot", aus der Mediathek von Bibel TV empfehlen. www.bibeltv.de/mediathek/videos/310663-gott-ist-nicht-tot | 2
| | | Stefan Fleischer 28. Februar 2023 | | | Hier möchte ich nur noch einwerfen: Je mehr sich der Mensch sich bewusst wird, dass nicht die Erde das Zentrum des Universums ist, desto mehr glaubt er, er sebst sei dies. | 6
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