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Wegen eines politischen Witzes geköpft: Pfarrer Joseph Müller (1894 - 1944)

vor 8 Stunden in Chronik, keine Lesermeinung
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„Mein Herz ist voll Freude, da es nun heimgeht zum Vater. In einer Stunde bin ich daheim und habe euch für diese Erde verlassen.“ Dennoch: „...von der Liebe CHRISTI kann uns nichts trennen“. Von Elmar Lübbers-Paal


Hildesheim (kath.net) „GOTT will uns nicht zu Puppen, er will uns zu Helden erziehen. Nicht der ist groß, der nie unter den Leiden seufzte, sondern der darin stark bleibt. Werden wir jetzt nicht mutlos wegen der Drangsale. Alles, alles geht vorüber. Am Abend des Lebens bleibt allein die Liebe!“ Diese aufmunternden Zeilen schrieb der gerade zum Tode verurteilte Pfarrer aus Groß Düngen, einem Dorf im Landkreis Hildesheim in Niedersachsen. Es war der 11. September 1944, als Pfarrer Joseph Müller an einem kleinen Tisch in der Todeszelle in Brandenburg an der Havel seine letzten Zeilen verfasste, ehe er um 13.04 Uhr durch das Fallbeil in die Ewigkeit einging.

Wer war dieser Priester, der augenscheinlich für ein politisches Gleichnis in den Tod ging? Steckte doch mehr dahinter?

Joseph Müller war das letzte von sieben Kindern der Eheleute Damian und Augusta Müller aus Salmünster in Hessen. Auch Joseph verspürte seine Berufung zum Priestertum wie schon zwei seiner Brüder vor ihm. Da es in seinem Heimatbistum einen „Überschuss“ an Kaplänen und Pfarrern gab, ging Müller in die nördlichere Diözese. 1922 erfolgte die Priesterweihe durch den Bischof von Hildesheim. Im Ersten Weltkrieg zog sich Müller als Kriegsfreiwilliger schwere Verwundungen zu. Als Kaplan wurde er in Duderstadt, Bremen und in Celle eingesetzt. Dort zeigte sich bereits, dass er einen guten Draht zur Jugend hatte. So engagierte er sich beispielsweise für die Gesellen (Kolping). Als Pfarrer wurde er zunächst im Harz eingesetzt, wo er seelsorglich in Bad Lauterberg, St. Andreasberg und in Braunlage GOTTES ewige Wahrheit verkündete. Als er Pfarrer von Heiningen war, organisierte er zur Verärgerung der Nazis den Widerstand gegen die Schließung der örtlichen Schule.


Nicht nur seine Kriegsverletzungen hatten ihn körperlich zu schaffen gemacht, auch sein Magen bereitete ihm große Probleme, so dass er sich einer schweren Magenoperation unterziehen musste. Müller fühlte sich so geschwächt, dass er – auf eigenen Wunsch hin – in das Dorf Groß Düngen bei Hildesheim versetzt wurde. Auch hier wurde er wegen seiner liebenswürdigen und gewinnenden Art vor allem von der Jugend sehr geschätzt.

Pfarrer Müller wurde wegen seiner ablehnenden Haltung gegenüber der braunen Ideologie von NSDAP-Leuten ständig beobachtet. Alles, was er sagte und tat, wurde politisch bewertet. Man suchte förmlich nach Anklagemöglichkeiten gegen den beliebten Geistlichen. Dieser jedoch nahm kein Blatt vor dem Mund und predigte stets die unveränderbaren Wahrheiten, obwohl er wusste, dass in seiner vollbesetzten Kirche auch Parteifunktionäre waren, die teilweise sogar seine Predigten mitschrieben. Pfarrer Müller sprach zu Beginn des Monats August 1943 unbefangen über die politischen Verhältnisse im Reich mit dem Ortsgruppenleiter der NSDAP. Beim Krankenbesuch von dessen Vater erzählte Pfarrer Müller schließlich das politisch unkorrekte Gleichnis: Ein Verwundeter liegt im Sterben und will wissen, wofür er stirbt. Er lässt die Krankenschwester rufen und sagt ihr: „Ich sterbe als Soldat und möchte wissen, für wen ich sterbe.“ Die Schwester antwortet: „Sie sterben für Führer und Volk.“ Der Soldat fragt dann: „Kann dann nicht der Führer an mein Sterbebett kommen?“ Die Schwester antwortet: „Nein, das geht nicht, aber ich bringe Ihnen ein Bild des Führers.“ Der Soldat bittet dann, dass ihm das Bild zur Rechten gelegt wird. Weiter sagt er: „Ich gehöre der Luftwaffe an.“ Da bringt ihm die Schwester das Bild von Reichsmarschall Göring und legt es zur Linken. Darauf sagt der Soldat: „Jetzt sterbe ich wie CHRISTUS.“

Der Sohn des Kranken, der Nazi-Funktionär, bekam den Witz mit und gab dieses Geschehen bei der Gestapo zu Protokoll. Dieser Witz, der Hitler und Göring als Verbrecher darstellte, da CHRISTUS ja zwischen zwei Schwerverbrechern gekreuzigt wurde, war der Auslöser für die Verhaftung Pfarrer Müllers. Von der Hildesheimer Gestapo wurde der Pfarrer am 17.8.1943 verhört und am 6. September eingesperrt. Wegen seines schlechten Gesundheitszustandes wurde Müller jedoch wieder freigelassen. Dies missfiel den Nazianhängern in seiner Gemeinde so sehr, dass sie sich direkt an den Volksgerichtshof in Berlin wandten. Eine erneute Verhaftung folgte am 11.5.1944. Selbst bei seinen Verhören am 15.5.1944 im Untersuchungsgefängnis des Volksgerichtshofes in Berlin behielt Pfarrer Müller den Namen des ursprünglichen Gleichniserzählers für sich: gleich einem Beichtgeheimnis. Bevor Joseph Müller in einem Schauprozess unter dem Vorsitz von Hitlers Blutrichter, Volksgerichtshofpräsident Roland Freisler, zum Tode verurteilt wurde, durften sein Bischof und Müllers Brüder ihn in der Haft aufsuchen. Dies gab Müller neue Kraft, um gestärkt ins nahende Martyrium zu gehen. Richter Freisler bestätigte durch seine Ausrufe, dass Pfarrer Müller nicht allein wegen des politischen „Witzes“ sterben musste, sondern weil er sich im christlichen Sinne sehr um die Jugend gekümmert hatte, statt sie der Staatsjugend zuzuführen. Denn, so Freisler, „wenn ein „Pfaffe“ die Jugend dem Führer entfremdet“, sei das „Hochverrat, Sabotage und Untergrabung der Staatsautorität“. So wurde Pfarrer Joseph Müller wegen „Wehrkraftzersetzung“ nach § 5 des Kriegssonderstrafrechts hingerichtet. In seiner letzten Lebensstunde schrieb Müller an seine Gemeinde: „Mein Herz ist voll Freude, da es nun heimgeht zum Vater. In einer Stunde bin ich daheim und habe euch für diese Erde verlassen.“ Dennoch: „...von der Liebe CHRISTI kann uns nichts trennen“.

Das übliche Totengeläut wurde in seiner Dorfkirche von den Machthabern verboten. Gleich nach Kriegsende holte man dieses nach. Seitdem wird jedes Jahr am 11. September in Groß Düngen die Totenglocken zum Gedenken an die Hinrichtung Pfarrer Joseph Müllers geläutet. Seit November 1945 ruht Pfarrer Müllers Asche auf dem Friedhof seiner letzten Pfarrei.

Grundlage für diesen Artikel ist die Lebensbeschreibung von Dr. Thomas Scharf-Wrede in „Zeugen für Christus“
Foto: Pfr. Müller um 1920 - Foto gemeinfrei


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