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Wessen Bild ist das? Das ist mein Leib!

3. April 2010 in Spirituelles, keine Lesermeinung
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Jeden Samstag im April exklusive Leseproben aus dem neuen Buch von Paul Badde über das Grabtuch von Turin


Rom (kath.net)
Paul Badde hat vor wenigen Tagen sein neues Buch veröffentlicht, über das berühmte Grabtuch von Turin. Kath.Net bringt exklusiv jeden Samstag im April Auszüge aus dem spannenden Buch:

Markus, Matthäus und Lukas erwähnen übereinstimmend ein „Leintuch“, das der Ratsherr Josef von Arimathäa während der Hinrichtung Jesu am 6. April des Jahres 30 in Jerusalem kaufte, um den Gefolterten darin zu bestatten. Bei Matthäus (27,59) heißt es: „Joseph nahm den Leichnam und hüllte ihn in reine Leinwand“ (griechisch: sindon). Markus schreibt (15,46): „Da kaufte Joseph Leinwand, nahm Jesus herab“ und hüllte ihn vor dessen Bestattung da hinein.

Und bei Lukas (23, 53) heißt es: „Joseph nahm ihn herab, hüllte ihn in Leinwand und legte ihn in ein ausgehauenes Grab, in dem noch niemand bestattet worden war.“ Addieren wir diese drei Schriftstellen und dividieren sie durch 3, kommen wir zu einer Quersumme von 22,193. Suchen wir zu diesem Wert die Evangelien noch einmal ab, finden wir bei Matthäus folgende Sequenz: „Da reichten sie Jesus einen Denar. Und er sprach zu ihnen: ‚Wessen Bild ist das und diese Aufschrift?’“ Bei Lukas hingegen heißt es im Vers 22,19 so: „Und er nahm Brot, sagte Dank, brach es und gab es ihnen mit den Worten: ‚Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird.’“

Es klingt faszinierend („Wessen Bild ist das?“ - „Das ist mein Leib!“) und besagt natürlich überhaupt nichts. Alles an dieser Berechnung ist Zufall. Denn alle Kapitel und Verse der Evangelien sind ja willkürliche Einteilungen, mit denen sich Theologen ihr Handwerk erleichtern wollten. Markus, Matthäus, Lukas und Johannes haben ihre Evangelien ohne solche Unterteilungen geschrieben, sogar ohne Punkt und Komma. Die Berechnung der Quersumme und ihre Rückübertragung ist also eine pure Spielerei.

Dennoch: „Das ist mein Leib!“ als verborgene Botschaft des Turiner Grabtuchs, das klingt natürlich stark. Jeder Autor wäre schön blöd, der von diesem Rätsel gehört hat und es nicht weiter erzählen würde - auch wenn es zu keinem Beweis taugt. Denn es lässt sich nicht beweisen, dass die „Sindone“ in Turin wirklich das Grabtuch Christi ist.

Ähnlich sieht es allerdings auch mit allen Gegenbeweisen aus. Sie haben noch nie das Gegenteil beweisen können. Gewiss ist nur folgendes: Das große Leinentuch verwahrt zwischen vielen Blutflecken eine skandalöse, höchst aufreizende Nachricht. In diesem langen Laken war einmal jemand verpackt. Es zeigt den Schatten der Vorder- und Rückseite eines bärtigen Mannes mit schweren Verletzungen an den Handgelenken, den Füßen, am Kopf und eigentlich überall. Der Geschundene ist splitterfasernackt! Unmittelbar nach seinem Tod hat man ihm auch noch eine große Wunde zwischen den Rippen beigebracht. Blut und seröses Wasser sind ihm aus dieser Wunde im Liegen den Rücken hinunter gelaufen: Leichenblut, das „Blut der Seele“, wie es in der Antike hieß.


Bei dem Blut am Kopf, aus den Nagelwunden an den Händen und Füßen und den Geißelspuren handelte es sich um das Blut eines Lebenden (Blutgruppe AB+). In dem Tuch lag ein Mann, dem exakt das Gleiche widerfuhr, was Jesus von Nazareth nach Auskunft der Evangelien geschehen ist. Kein Objekt der Archäologie ist so kompatibel mit jedem Detail der Passion, wie sie uns von diesem Menschensohn überliefert wurde. Kein Bild, kein Schriftstück auf der ganzen Erde spiegelt präziser, wie Jesus zu Tode kam.

Erste Fotos aus dem Jahr 1898 machten „das Grabtuch“ zudem dafür berühmt, dass uns in seinem fotografischen Negativ das Positiv eines Gesichtes ansieht. Dennoch kann jeder Laie sehen, dass die lange Leinwand selbst kein Foto ist und auch nicht der Film einer kosmischen Kamera. Albrecht Dürer hat schon 1516 bewiesen, dass das Tuch auch kein Gemälde ist, als er mit seinem Versuch scheiterte, mit dem Pinsel ein Abbild davon herzustellen. Was wir sehen, hat keine Konturen, keine Zeichnung, keine Pigmente, rein gar nichts davon und ruht nur in den oberen Teilen der Faser. Keiner kann sagen, was es genau ist und wie dieses Bild auf den Stoff geraten ist. Dennoch tobt um das zarte geheimnisvolle Bild ein großer Kampf. Die einen gehen davor in die Knie. Andere haben einen Heidenspaß, es als Fälschung zu entlarven, immer wieder. Kalt lässt das Tuch kaum einen, der sich ihm nähert. Nur beweisen lässt sich an ihm nichts.

Fruchtbarer scheint es darum, sich einmal in einer neuen Versuchsanordnung von allen Beweisen für oder gegen die Echtheit des Grabtuchs zu verabschieden – und einen Schritt dahinter anzusetzen. Denn es ist ja schon längst das am gründlichsten untersuchte Textilstück der Welt. Danach bleibt die Entstehung des Bildes, das auf seinen Fasern ruht, schlicht unerklärlich. Die entscheidende Frage aber, ob es das authentische Grabtuch Jesu ist, lässt sich nicht mit einer Fifty-Fifty-Lösung beantworten.

Da gibt es nach Abwägung aller Indizien nur ein klares ja oder nein. Ist es das echte Grabtuch, fügen alle schlüssigen Beweisketten dem nichts mehr hinzu. Ist es nicht so, können alle Beweise dafür oder dagegen daran nichts mehr ändern. Aufregender ist deshalb heute, einer umgekehrten Fragestellung folgen. Also nicht der Frage, ob es echt ist oder nicht, sondern der Frage: Was ist, wenn es so ist?

Von Johannes wird das Grab Christi in nur zwölf Zeilen beschrieben. Dass es leer war, sagt er nicht. Stattdessen schreibt er in seinem knappen Text vier Zeilen lang von Tüchern, die er mit Petrus da vorgefunden hat. Gegner des Grabtuchs sagen deshalb, es sei fabriziert worden, um dem Text zu entsprechen. Es sei eine Fälschung zur Lüge. Wir sagen jetzt hingegen: dieses Tuch ist das Relikt einer wahren Aussage.

Gegen alle Wahrscheinlichkeit hat es überlebt. Schon in den frühesten Dokumenten der Christenheit war von Tüchern die Rede – und hier haben wir nun ein Tuch, das dieser Rede vollkommen entspricht. Kein Widerspruch trennt es von der Annahme, dass wir es in Turin wahrhaftig vor uns haben. Wären wir vor einem Gericht, würde das Grabtuch leicht jeden Indizienprozess gewinnen, dass es mit dem „reinen Leinen“ des Joseph von Arimatäa identisch ist.

Vor kurzem hat Richter Dr. Markus van den Hövel sich in Bochum der Mühe unterzogen, den Prozess noch einmal aufzurollen. Sein Urteil ist eindeutig. In den 70er Jahren hat der Gerichtsmediziner Dr. Max Frei aus Zürich auf dem Tuch eine Reihe von Blüten-Pollen entdeckt, die ihm verschiedene Landschaften eingetragen haben, wo es sich befunden haben muss.

Im Westen ist der Aufenthalt des Tuches seit dem Jahr 1356 minutiös dokumentiert - etwa in Lirey, Saint Hippolyte oder Chambéry. Doch folgt man der Spur der verborgenen Pollen in diesem Gewebe, dann muss es auch in Jerusalem, der Gegend zwischen Euphrat und Tigris und in Konstantinopel gewesen sein, bevor es nach Turin kam. Es ist eine Strecke, die sich von keinem Navigator erfassen lässt. Der Weg des Grabtuchs geht durch weite Wüsten, uralte Städte und durch die große Stille. Unbegreifliches Glück ist dem Tuch auf seiner langen Reise oft widerfahren, zuletzt im Zweiten Weltkrieg, als es vor den Rollkommandos der deutschen Wehrmacht in das Kloster Montevergine hinter Avellino in der Campagna in Sicherheit gebracht wurde – und eben nicht, wie geplant, in die mächtige Benediktiner-Abtei auf dem Monte Cassino, die als eine sicherste Trutzburg Italiens galt und beim Kriegsende ein einziger Trümmerhaufen war.

Auf seinem Weg vom Morgenland zum Abendland hätte die Sindon hundertmal verbrennen, vernichtet werden oder verloren gehen können. Plünderungen, Diebstähle und eine Serie von Rechtsbrüchen haben es gerettet. Der Leinwand ist eine Landkarte des Leidens eingezeichnet. Doch richtig beginnt sie erst in unserer Zeit zu reden.

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