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| ![]() Vor 75 Jahren: Pius XII., Stauffenberg und der Ochsensepp19. Juli 2019 in Chronik, 6 Lesermeinungen Die Verschwörer des 20. Juli 1944 hatten einen geheimen Verbündeten: den Papst. Gastbeitrag von Michael Hesemann Berlin-Vatikan (kath.net) Nicht einmal ein halbes Jahr nach dem misslungenen Stauffenberg-Attentat und dem Scheitern der Operation Walküre erfuhr Adolf Hitler die ganze Wahrheit über die Verschwörer des 20. Juli 1944. Er entnahm sie einem Bericht, den SS-Obergruppenführer Ernst Kaltenbrunner, Chef des Sicherheitsdienstes (SD), am 29. November 1944 verfasst hatte. Der Report umfasste 27 Schreibmaschinenseiten und enthielt alles, was die rund 400 SD- und Gestapo-Leute, die mit den Ermittlungen gegen die Verschwörer befasst waren, über die Auslandskontakte der Hitlergegner herausgefunden hatten. Der Widerstand, so konnte Hitler darin lesen, war schon aktiv geworden, als er, allem Völkerrecht zuwider, 1938 im Sudetenland einmarschiert war. Generaloberst Ludwig Beck trat daraufhin als Generalstabschef des Heeres zurück, als der Führer weiter zum Krieg und zur Zerschlagung der Resttschechei drängte. Er hätte sich einen geschlossenen Rücktritt der Generalität gewünscht. Stattdessen planten Generalmajor Hans Oster und Admiral Wilhelm Canaris, Leiter des Abwehramtes, einen Umsturz. Doch als England und Frankreich den deutschen Ansprüchen nachgaben und das Münchener Abkommen unterzeichneten, legten sie den Plan vorerst auf Eis. Statt der erwarteten Zuspitzung der Lage war es zu einer innenpolitischen Stärkung Hitlers gekommen. Erst die Kriegserklärung der Westmächte nach Hitlers Überfall auf Polen erschien ihnen als nächste Gelegenheit, einen Regimewechsel vorzubereiten. Doch dazu galt es, auf möglichst dezente Weise mit den Kriegsgegnern in Kontakt zu treten. So kam es zu einer Konstellation, die einmalig in der Geschichte war. Wie es im Kaltenbrunner-Bericht heißt: Canaris und Oster unterhielten Verbindungen zum Papst durch den in der Abwehr eingebauten früheren Münchener Rechtsanwalt Dr. Joseph Müller. Müller war durch Vermittlung eines Domkapitulars Neuhäusler aus München bei dem damaligen Kardinalstaatssekretär Pacelli eingeführt und von diesem in der Krypta von St. Peter getraut worden. Er hatte, wie er sagt, hierdurch in vatikanischen Kreisen ei gewisses Ansehen erlangt, da dieser Vorgang eine ziemliche Ausnahme darstellte. Müller war dann mit Pacelli durch mehrfaches Zusammentreffen in ein gewisses persönliches Verhältnis gekommen, das auch zu politischen Gesprächen geführt hatte. Pacelli hat sich ihm gegenüber immer besonders zugänglich gezeigt. Müller nahm dann, insbesondere während des Krieges, und zwar bereits im Herbst 1939, eine enge Verbindung zum Jesuitenpater Leiber, dem Privatsekretär des Papstes auf. Von Leiber erhielt er eine Reihe von Informationen über die Einstellung des Papstes und der Feindmächte. Er führte mit ihm auch Gespräche über eventuelle Friedensmöglichkeiten, wobei ihm Leiber zu verstehen gab, dass die Voraussetzung für einen Friedensschluss ein Regimewechsel in Deutschland sei. (Hervorhebung im Original). Über Leiber hatte Müller Verbindungen zu englischen und amerikanischen Kreisen, insbesondere über den Amerikaner Taylor, der 1939 dem Vatikan einen Besuch abstattete, über den amerikanischen Bischof im Vatikan, zu England über den englischen Gesandten im Vatikan Osborne, zu dem durch Mittelsleute eine Verbindung hergestellt wurde. Schließlich beteiligte sich Papst Pius XII. an einer Verschwörung, die das Ziel hatte, Hitler zu stürzen! Diese erstaunliche historische Tatsache ist bestens dokumentiert. Sie wurde durch niemand geringeren als Dr. Josef Müller selbst bestätigt, der nach dem 2. Weltkrieg zum Mitbegründer der CSU (Christlich-Sozialen Union) wurde. In Bayern war er zeitlebens als der Ochsensepp bekannt. Der Sohn eines fränkischen Bauern hütete als Junge die Ochsen seines Vaters, bevor er nach München ging und sich in der Weimarer Republik zum Rechtsanwalt hocharbeitete. 1979 verstorben, hat er nicht nur seine Autobiografie (Bis zur letzten Konsequenz, 1967) verfasst und dem US-Harvard-Historiker Harold Deutsch Material zu seinem Buch Verschwörung gegen den Krieg (1969) geliefert. Er sagte auch unter Eid im Seligsprechungsprozess für Papst Pius XII. aus, dessen Akten ich bei den Recherchen für mein Buch Der Papst und der Holocaust (2018) einsehen konnte. Der US-Historiker Mark Riebling recherchierte Müllers unglaubliche aber wahre Geschichte erneut für sein Buch Die Spione des Papstes (2017). Dokumente aus dem Londoner Foreign Office und dem National Archive in Washington D.C. belegen jedes Detail seiner römischen Gespräche. Pater Leiber offenbarte Müller zum ersten Mal, dass Männer aus dem Generalstab und der Abwehr einen Militärputsch gegen Hitler planten. Ihre Ziele waren die Rückkehr Deutschlands zur Rechtstaatlichkeit, eine Föderation, der auch Österreich angehören sollte, ein Rückzug aus Polen und der Tschechoslowakei. Chef der Übergangsregierung sollte Generaloberst Ludwig Beck werden. Die Verschwörer wussten, dass der Staatsstreich nicht gewaltlos ablaufen würde, ja das Risiko eines Bürgerkriegs bestand. Bevor sie losschlagen konnten, benötigten sie zumindest die Zusicherung Englands, dass die Westmächte die neue Regierung anerkennen, zum Frieden bereit seien und keinen Vorteil aus der Verwundbarkeit Deutschlands ziehen würden. Der Mann, der ihnen als der ideale Vermittler erschien, war der Papst. Generaloberst Beck vertraute ihm blind, seit er Pacelli als Nuntius in Berlin kennen gelernt hatte. Auch Admiral Canaris kannte ihn persönlich und hatte mit ihm während seiner Zeit als Nuntius immer wieder Reitausflüge unternommen Er sollte die Verbindung zu den Briten herstellen, die Garantien der Regierung Chamberlain besorgen. Als Pius XII. durch Pater Leiber über die Pläne unterrichtet wurde, erbat er sich eine Nacht Bedenkzeit, dann sagte er zu. Es war die riskanteste Entscheidung seines Pontifikats. Nicht nur der Vatikan-Historiker Robert Graham fragte ratlos: Wie konnte der Papst bei einer solch gefährlichen Aktion mitmachen? Selbst für Pater Leiber war es unbegreiflich; seiner Meinung nach sei Pius XII. dabei viel zu weit gegangen. Tatsächlich wären die Folgen fürchterlich gewesen, hätte Hitler zu diesem Zeitpunkt von dem Plan der Verschwörer und der Beteiligung des Papstes erfahren. Das Konkordat wäre aufgekündigt, die katholische Hierarchie an die Wand gestellt worden. Gleichzeitig hätte Mussolini das Verhalten des Papstes als Bruch der in den Lateranverträgen vereinbarten Neutralität gewertet. Sogar mit einer Besetzung des Vatikans durch die Faschisten war zu rechnen. Doch Pius XII. setzte jetzt alles auf eine Karte, da er keinen anderen Weg zum Frieden mehr sah. Am 6. November 1939 wurde Müller mitgeteilt, der Papst sei bereit, zu tun, was er konnte. Es war seine eigene, eine einsame Entscheidung; nicht einmal das Staatssekretariat wurde in die Pläne eingeweiht. Noch am selben Tag, an dem sich die Geheiminformation als wahr erwies, musste sich der deutsche Widerstand seine Chancenlosigkeit eingestehen. Zu euphorisch war die Stimmung im Reich, zu laut der Jubel für Hitler, der von der Nazi-Propaganda als Korrektor des Diktats von Versailles gefeiert wurde, um jetzt etwas zu riskieren. In London dagegen regierte fortan unter Winston Churchill ein Kriegskabinett, das auf alle deutschen Friedenssondierungen mit Stillschweigen reagierte. Erst vier Jahre später, nach den Niederlagen von el-Alamein und Stalingrad, sah die Widerstandsgruppe wieder eine Chance für einen Umsturz. Jetzt hatten sich demselben Kreis, der 1939 mit dem Papst kollaboriert hatte, die Männer des 20. Juli 1944 hinzugesellt, an erster Stelle Henning von Tresckow und Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Noch einmal wurde der Ochsensepp aktiv. Im Februar 1943 reiste er erneut, diesmal im Auftrag von Generaloberst Beck, nach Rom, um Pius XII. von dem unmittelbar bevorstehenden Umsturz in Deutschland zu unterrichten und ihn zu bitten, erneut einen für das deutsche Volk tragbaren Frieden anzustreben. Als die beiden Attentatsversuche von Treschows misslangen, wurde Müller im April 1943 inhaftiert, General Oster und Admiral Canaris unter Hausarrest gestellt. Kurz vor dem 20. Juli 1944 erhielt er in der Haft die Nachricht, er solle sich darauf vorbereiten, bald freigelassen zu werden; er müsse dann als Vertreter der Putschisten nach Rom reisen, um mit Hilfe des Papstes einen Friedensschluss auszuhandeln. Doch auch die Operation Walküre scheiterte, das Schicksal ihrer Protagonisten ist leider bekannt. Am 18. August 1944, einen Monat nach dem gescheiterten Putschversuch, befragte ein Agent des amerikanischen Militär-Geheimdienstes OSS in der mittlerweile von den Alliierten befreiten Ewigen Stadt Pater Leiber zu den Hintergründen des Attentates. Die Verschwörer informierten ihn fast immer über ihre Aktivitäten und hofften, die Reaktion des Papstes auf ihre Pläne zu erfahren, heißt es in seinem mittlerweile von den US-Behörden freigegebenen Bericht: Pater Leiber identifizierte drei verschiedene Komplotte in den Jahren vor dem Anschlag im letzten Monat. Auch wenn der Plan der Widerständler gescheitert war, verrät dieser geradezu tollkühne Akt des Papstes, den Harold Deutsch als eines der erstaunlichsten Ereignisse in der modernen Geschichte des Papsttums bezeichnet, viel über seinen Charakter. Er war alles andere als der Feigling, als den ihn Rolf Hochhuth in seinem Drama Der Stellvertreter darzustellen versuchte. Er war auch nicht der unsichere Zögerer, zu dem ihn Klaus Kühlwein in Warum der Papst schwieg erklärte. Vielmehr triff zu, was der Historiker Erich Kosthorst so deutlich formulierte: Wenn der Papst naheliegende starke Bedenken beiseite schob und durch das Gewicht seiner Autorität der deutschen Opposition damals eine Legitimation gab, wie sie besser nicht möglich war, dann war das eine staatsmännische Tat hohen Ranges. Sie verliert auch dadurch keine Bedeutung, dass sie den Frieden, dem sie dienen wollte, nicht erreichte. Auch die Männer des 20. Juli verlieren nichts an ihrer Größe und ihrem Heldenmut dadurch, dass sie letztendlich so kläglich scheiterten. Michael Hesemann ist Historiker und Autor diverser Bücher zur Kirchengeschichte. Im letzten Jahr erschien Der Papst und der Holocaust. Pius XII. und die geheimen Akten im Vatikan. Er recherchierte u.a. in den Akten der Seligsprechungskongregation und im Geheimarchiv des Vatikans. kath.net-Buchtipp Bestellmöglichkeiten bei unseren Partnern: Link zum kathShop Buchhandlung Christlicher Medienversand Christoph Hurnaus, Linz: Originalaufnahmen: Papst Pius XII. besucht nach dem Bombardement Roms durch die Allierten die Römer bei der getroffenen Basilika San Lorenzo Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! ![]() LesermeinungenUm selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen. Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. 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