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„Weltkirchliche Kritik am deutsch-synodalen Sonderweg wird abgebügelt“

5. Mai 2022 in Kommentar, 6 Lesermeinungen
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„Bätzing betonte mehrfach, mit deutsch-synodalem Weg Impulse für die Weltkirche geben zu wollen. Wenn dann aber kritische Rückmeldungen kommen wie z.B. von der Polnischen und der Nordischen Bischofskonferenz, dann…“ Gastkommentar von Hubert Hecker


Köln (kath.net) Nach der nordischen Bischofskonferenz und dem Vorsitzenden der polnischen Bischofskonferenz haben Anfang April vier Kardinäle und 70 vorwiegend nordamerikanische Bischöfe einen Offenen Brief zum deutschen Synodalen Weg geschrieben.

Drei der sieben Punkte seien herausgestellt:

(6) „Die Fokussierung des Synodalen Wegs auf ‚Macht‘ in der Kirche zeugt von einem Geist, der dem wahren Wesen des christlichen Lebens grundlegend widerspricht. … Die Kirche als organische Gemeinschaft ist nicht egalitär, sondern familiär, komplementär und hierarchisch. … Die Reform der Strukturen bedeutet keineswegs schon die Bekehrung der Herzen.“

(5) „Das Verfahren des Synodalen Wegs ist fast durchgängig von Experten und Ausschüssen bestimmt. Es ist bürokratielastig, zwanghaft kritisch und nach innen gerichtet“. Eine Kostprobe für das deutsch-kirchliche Eliten-Projekt ist im Text von Forum I zu lesen: „Ein solcher ambiguitätssensibler Umgang mit Komplexität ist dem geschichtlichen Charakter der Heilswahrheit geschuldet und erweist sich zugleich gerade heute als Grundsignatur intellektueller Zeitgenossenschaft.“

(3) „Die Inhalte des Synodalen Weges scheinen auch den Begriff der christlichen Freiheit umzudeuten und damit zu schmälern.“ Auf diesen Punkt soll näher eingegangen werden:

Im synodalen Orientierungstext ist zwar von „Befreiung“ die Rede – aber wovon?
Man spricht von der „befreienden Kraft des Evangeliums“ – aber zu welchem Ziel?
Es heißt, dass die Bibel den Weg in „Räume der Freiheit“ eröffne. Aber welche Freiheit ist hier gemeint?

Im fünften Kapitel des Galaterbriefs bekennt der Apostel Paulus, dass wir durch Christus zur Freiheit der Erlösten gerufen sind. Freiheit als Gabe und Aufgabe zeigt sich in Einstellung und Werken der Nächstenliebe. Sie ist an Wahrheit und Norm orientiert.

Von dieser christlichen Freiheit als Frucht der Erlösung durch Christus ist im synodalen Orientierungstext nicht die Rede. Der paulinische Freiheitsbegriff wird überblendet von einem „aktuellen Schriftsinn“: Man transformiert die biblische Freiheit mit dem Ziel von „Aktualität und heutiger Relevanz“ in das moderne individualistische Freiheitsverständnis.

Die Synodentheologen sprechen von „Menschenrechten“ und nennen konkret das Recht der Wissenschafts-„Freiheit der Theologie“. Im Zusammenhang mit Freiheitsräumen wird ausdrücklich gefordert, dass die Kirche diejenigen akzeptiert, „die (auf der Basis ihrer subjektiven Gewissensentscheidung) anders leben und anders glauben, als es den Normen der Kirche (…) entspricht (Kap. 23).


Damit bringt der Synodaltext unzweideutig die individualistische Freiheitsformel gegen die Wahrheit des Glaubensbekenntnisses und die dogmatischen Normen der Kirche in Stellung. Jeder Mensch hat zwar das personale Recht auf die Religion seiner Wahl. Aber wenn er sich für Glauben und Mitgliedschaft in der Kirche Jesu Christi entschieden hat, ist er an deren Normen gebunden.

Die 70 Bischöfe argumentieren in ihrer Erklärung gegen diesen unchristlichen Freiheitsbegriff der ich-bezogenen Autonomie in Glaubensfragen: „Authentische Freiheit ist nach der Lehre der Kirche an die Wahrheit gebunden und auf das Gute und letztendlich auf die Glückseligkeit des Menschen hin geordnet. Ein gut gebildetes christliches Gewissen bleibt der Wahrheit über die menschliche Natur und den von Gott geoffenbarten und von der Kirche Christi gelehrten Normen für ein rechtschaffenes Leben verpflichtet.“

Die Kritik des Offenen Briefs an der Verfälschung des biblischen Freiheitsbegriffs durch den Synodalen Weg ist gut begründet. Umso unverständlicher ist die Behauptung von Bischof Bätzing in seinem Antwortschreiben, das Schreiben der 70 Bischöfe würde keine Begründungen enthalten.

Die ich-bezogenen Freiheitsrechte können keine christliche (Sexual-)Ethik begründen

Der neuzeitliche Freiheitsbegriff geht von dem Konstrukt des vereinzelten Einzelnen aus. Dessen Freiheit zielt auf Durchsetzung der eigenen Interessen, des eigenen Vorteils und der Selbstverwirklichung durch höchstmögliche Befriedigung eigener Wünsche. Das Freiheitsrecht der sogenannten Ich-AG leugnet die Einbettung und Angewiesenheit des Menschen in die Gemeinschaft von Natur aus. Es steht im Gegensatz zum christlichen Gebot der Nächstenliebe. Denn die Mitmenschen kommen nur als Grenze und Einschränkung für den individuellen Freiheitsraum in den Blick – und somit eher als Hindernis zur Selbstverwirklichung.

Im ökonomischen Kontext des freien Marktes von Kaufen und Verkaufen werden zwar Kontakte zu anderen Menschen gesucht, sie sind jedoch nur Mittel, um eigenen Lebensgenuss, Gewinne oder Vermögen zu vermehren. In dem marktwirtschaftlichen Sektor und auch in anderen gesellschaftlichen Vertragsbeziehungen sowie im öffentlich-politischen Bereichen haben die individuellen, ich-bezogenen Freiheitsrechte gleichwohl einen regulatorischen Sinn.

Ganz anders zu bewerten ist die Anwendung der individualistischen Freiheitsrechte auf die menschlichen Nahbeziehungen in Freundschaften, Ehe und Familie sowie kleinen Gemeinschaften und dem „Nächsten“. Wenn in liberal konzipierter Freundschaft oder Ehe nur die eigenen Interessen und Vorteile gesucht werden und man die andere Person nur als Mittel zur eigenen Bedürfnisbefriedigung ansieht, dann wird jede Freundschafts-, Liebes- oder Gemeinschaftsbeziehung zerstört. An den Beispielen ‚Kauf‘ von Freunden, Sexualbeziehungen (Prostitution) oder Leihmutterschaft wird deutlich, dass die Übertragung des modernen Freiheitsbegriffs auf den Bereich der persönlichen Beziehungen zu unsittlichen Handlungen führt.

Daher irritiert es, dass der Vorlagentext vom synodalen Forum IV (Sexualethik) für die sexuellen Beziehungen fordert, „Wertmaßstäbe der säkularen, liberalen Demokratie“ zu übernehmen – etwa mit dem Grundsatz: uneingeschränktes Recht und freie Wahl zu jeglichen sexuellen Handlungen (S.18). In Wirklichkeit vollzieht der Synodentext eine Anbiederung an den individualistischen Freiheitsbegriff des Zeitgeistes, für den das Ich und seine sexuelle Bedürfnisbefriedigung im Mittelpunkt steht. Der christliche Grundsatz, dass nur aus Freiheit in Liebe Gutes entsteht, verkehren die Synodalen in die moderne Behauptung: Alles, was in individualistischer Freiheit ohne Gewalt gewählt und getan wird, sei normgerecht und gut so.

Allein die biblische, von Liebe geleitete Freiheit befreit zum Guten

Die Freiheitsdefinition im Galaterbrief ist eine völlig andere als die moderne: Christus hat uns durch seinen Erlösungstod von der Knechtschaft des (Thora-)Gesetzes und der Sünde erlöst, befreit. Die aber durch Glauben und Taufe zu Jesus Christus gehören, denen ist das weltliche Begehren und Bestreben gekreuzigt. Sie sind von Christi Geist und Gnade dazu befreit, in der Gottes- und Nächstenliebe die Früchte des Geist-Lebens zu erhalten wie Friede und Freundlichkeit, Liebe, Güte und Treue (Gal 5,1-26). Die von Paulus aufgeführte Freiheit / Befreiung von Schlechtem und zu Gutem entspricht auch der zeitlos gültigen conditio humana in allen menschlichen Nahbeziehungen, insbesondere auch der sexuellen.

Nach dem Wort des Augustinus: ‚Liebe – und dann tu, was du willst!‘ ermöglicht erst die Gottes- und Nächstenliebe wahre Freiheit. Aus diesem Grundsatz folgt für eine christliche Sexualethik: Jede sexuelle Beziehung von und unter Christen steht unter dem Hauptgebot der Liebe, in der sich die Eheleute gegenseitig das Ja der Treue in allen Lebenslagen geloben. Die Liebe fordert, alles Begehren zu meiden, was nicht in die eheliche Liebe mündet, sowie von allem Handeln abzusehen, das die eheliche Liebe bricht und zerstört (6. und 10. Gebot). Die Handlungsfreiheit der Christen in Sachen Sexualität ist vorab geprägt durch die erfahrene Gottesliebe und die gelebte Nächstenliebe.

In seiner Mittwochskatechese vom 20.10.2021 führte Papst Franziskus zu der oben erwähnten Stelle im Galaterbrief aus: „Die von Liebe geleitete Freiheit ist die einzige, die andere und uns selbst befreit, die zuzuhören weiß, ohne sich aufzudrängen, die zu lieben weiß, ohne etwas zu verlangen, die aufbaut und nicht zerstört, die andere nicht zum eigenen Vorteil ausnutzt und ihnen Gutes tut, ohne ihren eigenen Vorteil zu suchen.“ Die (moderne) Freiheit sagt: Alles ist erlaubt! Der Apostel antwortet: Doch nicht alles erbaut und tut gut (1Kor 10,23). Die individualistische Freiheit ist steril an Früchten, leer von allem Schönen und Guten und hat keinen gemeinschaftlichen Bezug. Dagegen führt die Freiheit aus Liebe immer in die Gemeinschaft. „Unsere christliche Freiheit entsteht aus der Liebe Gottes und wächst in der Nächstenliebe.“ (1)

Nach diesen Ausführungen müsste jedem Synodalen des Forums IV klar geworden sein: Nur aus diesen christlichen Maximen auf biblischer Grundlage kann die Moraltheologie eine christliche Sexualethik entwickeln – und nicht als Aufguss der moralisch indifferenten individualistischen Freiheitstheorie.

Weltkirchliche Kritik am deutsch-synodalen Sonderweg wird abgebügelt

Bischof Bätzing betonte mehrfach, mit dem deutsch-synodalen Weg Impulse für die Weltkirche geben zu wollen. Wenn dann aber kritische Rückmeldungen kommen wie von der Nordischen und Polnischen Bischofskonferenz sowie kürzlich von afrikanischen und nordamerikanischen Bischöfen, dann zeigt er sich indigniert, befremdlich und unwillig, auf deren Kritikpunkte ernsthaft einzugehen. So behauptet er pauschal, die Einwände, Bedenken und Befürchtungen der 70 Bischöfe bezüglich der Beschlüsse des Synodalen Wegs würden „nicht zutreffen“. Ansonsten verbindet Bischof Bätzing die eingespielten Synodalformeln mit Belehrungen.   
 
Fußnote: 1 Die Freiheit verwirklicht sich in der Nächstenliebe, Bericht von Armin Schwibach über die Mittwochskatechese von Papst Franziskus am 20. 10. 2021 auf der Seite kath.net

Der Autor, Oberstudienrat em. Hubert Hecker (siehe Link), hat bereits ein Buch über den Kölner Klinikskandal veröffentlicht.

kath.net-Buchtipp:

Der Kölner Kliniken- / Medienskandal
Eine Fallstudie zu Skandalisierungsprozessen, Schwarmjournalismus und Medienpreisen
Von Hubert Hecker
Taschenbuch, 204 Seiten
2021 Tredition; Heckmedien
ISBN 978-3-00-068482-1
Preis Österreich: 11.40 EUR


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Lesermeinungen

 SalvatoreMio 6. Mai 2022 
 

Das Selberbestimmen von Gut und Böse" -

@lesa:soll der Weisung Christi vorgezogen werden. Das ist doppelt skandalös, weil es geweihte Diener des Herrn sind, die vor dem "Baum von Gut und Böse" einen Kniefall machen. Damit fallen sie tiefer als "Adam und Eva", von denen es sinnbildlich heißt, sie 'versteckten sich, als der Herr sich näherte". Selbst die Scham ist weg!


1
 
 lesa 5. Mai 2022 

Sie wählen den breiten Weg des Verderbens und verschmähen Christus

Danke für diesen hervorragenden Beitrag zur Bedeutung der christlichen Freiheit.
Die Erlösungstat Christi bewirkt, dass das Gebot als Liebe angenommen werden kann - und muss. So steht am Ende der Rede Jesu, in der er die Ehe in Seinem Geist neu bekräftigt und in der er von der Ehelosigkeit als neuer Möglichkeit der Fruchtbarkeit spricht, das Wort: "Wer das Reich Gottes nicht annimmt, wie ein Kind, kann nicht hineingelangen." Sich beschenken lassen von der Gemeinschaft mit Ihm, mit Seinem Geist und mit der immer neuen Vergebung, befähigt und befreit, IHM, der WEG, WAHRHEIT UND LEBEN ist, und in dem Wort sich uns hingibt, zu folgen.
Das Angebot dieser Liebe verdient unsere Antwort. "Wer meine Gebote hält, der ist es, der mich liebt" sagt Jesus.
"Der deutschsynodale Weg verwechselt "Freiheit" mit "Willkür". Hier wird Christi Erlösungswerk schändlich zunichtegemacht. Die breite Straße der Beliebigkeit und des Selber-Bestimmens von Gut und Böse wird dem Erlöser vorgezogen.


4
 
 Chris2 5. Mai 2022 
 

"Und der Dieb rief:'Haltet den Dieb'"

Typisch für linke Aktivisten: Da man selbst keine / keine überzeugenden Argumente hat, unterstellt man das einfach mal so den Kritikern. Da die eigene Klientel kritische Stellungnahmen wahrscheinlich nicht liest, merken sie auch gar nicht, dass sie belogen werden. Also alles analog zu dem, was sich seit 2015 in Politik, Medien und Gesellschaft zur Durchsetzung des "Linksstaates" vielfach bewährt hat. Nur der Begriff ...leugner fehlt noch. Aber wer ausgerechnet die LGBT-Agenda als Heilmittel des Missbrauchsskandals anpreist, belegt damit sowieso nur, dass er nicht einmal 1+1 ausrechnen kann...


5
 
 SalvatoreMio 5. Mai 2022 
 

Wie ist das mit der Freiheit eines Christen?

Besten Dank an Herrn Hecker, zu dessen Gedanken ich voll "Ja" sage. Das Thema "Freiheit eines Christen" (hier in Beziehung zum Synodalen Weg) birgt große Schwierigkeiten in sich: als Säugling getauft werden ist Gnade, mit der aber Verpflichtungen einhergehen, die man noch nicht kennt und als Erwachsener oft nicht akzeptiert, weil man ihren Wert nicht erkennt und sie als Zwang ansieht. Richtig frei ist tatsächlich nur, wer das Credo von Herzen akzeptiert und sich bemüht, nach der Lehre der Kirche leben. - Wählen wir aber ein anderes Lebenskonzept, so gelten wir als große Sünder vor Gott und der Kirche (was auch stimmt). Zusammengefasst: in unserem heutigen Umfeld, in dem Gott kaum vorkommt, muss man fragen dürfen, ob eine Taufe auf Christus nicht eine Art "Gewaltakt" ist.


3
 
 girsberg74 5. Mai 2022 
 

„Abgebügelt“ - Ein Bügeleisen als sein Marterwerkzeug!

Fragt sich, was am Ende von Bätzing bleibt, ob er noch bügelt oder ob er gebügelt worden sein wird.


2
 
 Stefan Fleischer 5. Mai 2022 

Wenn Christus heute käme,

ich bin überzeugt, dass er auf all die synodalen Wege von so reagieren würde wie damals gegenüber Petrus:
"Jesus wandte sich um, sah seine Jünger an und wies Petrus mit den Worten zurecht: Weg mit dir, Satan, geh mir aus den Augen! Denn du hast nicht das im Sinn, was Gott will, sondern was die Menschen wollen." (Mk 8,33)


8
 

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