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Geld und Austritte: Beide Rekorde bleiben uns

3. Juli 2023 in Kommentar, 8 Lesermeinungen
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Der Montagskick von Peter Winnemöller


Linz-Rom (kath.net)

Es ist nicht unbedingt amüsant, mit Prognosen Recht zu behalten. Eine halbe Million Austritte und über hundert Millionen mehr Kirchensteuer. Das tut weh. Neben vielen anderen Daten sind dies die beiden prägenden Kennzahlen der Kirche in Deutschland im Jahr 2022. Ließ das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz in den vergangenen Jahren zwischen der Veröffentlichung der Austrittszahlen und der Veröffentlichung der Kirchensteuereinnahmen immer rund vier Wochen vergehen, kamen in diesem Jahr beide Zahlen zeitnah in die Öffentlichkeit. Zwei Flyer der Deutschen Bischofskonferenz sind unten verlinkt und erlauben einen Blick auf die Zahlen. Da ist zum einen die Kirchenstatistik, die nach Ende der (auch kirchlichen) Coronapolitik einen leichten Anstieg des kirchlichen Lebens verzeichnet. Dafür aber schonungslos den quantitativen Schrumpfungsprozess der Kirche dokumentiert. Um die stetig steigenden nominalen Kirchensteuereinnahmen realistisch zu relativieren, weist das Sekretariat in Bonn die Kirchensteuer in einem weiteren Flyer nominal und zusätzlich kaufkraftbereinigt aus. Das ist nett, denn so versteht man, wie kirchliche Finanzchefs auf die Idee kommen, trotz steigender Einnahmen sparen zu müssen. In der Tat ergibt sich aus der Gemengelage der steigenden Kirchenaustritte, der demografischen Entwicklung, der anschwellenden Inflation und der politischen Neigung zu Degrowth ein schwelender Sprengsatz für die Kirchenfinanzen. Der Einbruch der nominalen Kirchensteuereinnahmen wird nicht langsam und stetig erfolgen, sondern schlagartig in wenigen großen Schritten.

Kaufkraftbereinigt zeigt sich, dass die Kirche im Jahr 2022 nur unwesentlich mehr Geld zur Verfügung hat als 2000. Nun sinkt derzeit die Kirchensteuer noch nicht, weil nach wie vor viele Babyboomer als Steuerzahler durch hohe Einkommen und einer in Deutschland exorbitant hohen Steuerbelastung viele Steuern zahlen. Die steigende Inflation belastet die Haushalte zunehmend und wird auch bei den älteren Kirchensteuerzahlern die Suche nach Einsparpotentialen auslösen. Nicht nur die Kirche wird kaufkraftbereinigt nicht einkommensstärker, die Bevölkerung hat bei steigenden Preisen und stagnierenden Löhnen massive Realeinkommensverluste hinzunehmen. Die demografische Entwicklung führt in Deutschland insgesamt zu weniger Einkommen. In Verbindung mit den hohen Austrittszahlen, die sich scheinbar nicht auf die Kirchensteuer auswirken, tritt hier aber ein Beschleunigungseffekt auf, sobald die jetzigen Kirchensteuerzahler ausfallen. Viele Austritte sind nämlich bei Berufsanfängern zu verzeichnen, die auf der ersten Gehaltsabrechnung sehen, was sie der Kirche – mit der sie nichts am Hut haben – abdrücken müssen. Der Gang zum Amt oder Gericht ist schnell erledigt. Die Steuer damit auch. Tatsache ist, dass nur ein geringer Prozentsatz der Kirchensteuerzahler den Löwenanteil der Steuer erbringt. Gehen diese in Rente oder sterben, kommen deutlich weniger Steuerzahler nach. Der Knick nach unten wird sehr steil werden. Daneben erhält immer mehr wachstumskritische Klientel politischen Einfluss. Degrowth als politisches Programm führt zu einer breit angelegten Verarmung der Bevölkerung. Es ist eine Binsenweisheit, das arme keine Steuern zahlen. Verarmungsprozesse setzen zuerst in der Mittelschicht an, die als Leistungsträger einer Gesellschaft auch den Löwenanteil der Steuern erbringt. Zwar werden solche Prozesse vermutlich keine Auslöser für Kirchensteuereinbrüche sein, verstärken werden sie den Trend allemal. Ferner kommt es auf das Ausmaß der Verarmung an. Eine Prognose ist derzeit schwer möglich, es geht nur darum Trends aufzuzeigen.


Bezüglich der Austrittszahlen ist davon auszugehen, dass hier der Spitzenwert noch nicht erreicht ist. Die Gründe für den Kirchenaustritt scheinen auf der Hand zu liegen: Die Missbrauchskrise, die schleppende Aufarbeitung, alle Blicke richten sich nach Köln (warum eigentlich nicht nach München?), die schreckliche Morallehre, die mangelnde Reformbereitschaft der Kirche und last not least die Rolle der Frau in der Kirche. Angesichts dieser Auflistung wäre zu erwarten, dass die ausgetretenen Katholiken bei den Rekrutierungsbüros der EKD oder an altkatholischen Pfarrbüros Schlange stehen, weil dort alles verwirklicht ist, was man bei Katholiken vergeblich sucht. Weit gefehlt! Auch aus den Landeskirchen der EKD sind im vergangenen Jahr 380.000 Menschen ausgetreten, was einen Anstieg um 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet. Weit gefehlt also.

Allen Fakten zum Trotz pflegen die Funktionäre vom „ZdK“ im schönen Einklang mit einschlägig bekannten Theologen das Narrativ von den dringend notwendigen Reformen. Zugleich aber hat die Austrittswelle im Erzbistum München mit Beginn des Synodalen Weges, dem als Reformprozess verkauften Gesprächsformat von DBK und „ZdK“, erst richtig Fahrt aufgenommen. Mit Münster (plus 67,5 Prozent) und Paderborn (plus 65 Prozent) stehen zwei extrem reformwillige Bistümer an der Spitze der Zunahme bei den Kirchenaustritten. In Paderborn versuchte das Domkapitel sogar eine rechtswidrige Laieninvestitur bei der Neubesetzung des erzbischöflichen Stuhls zu erreichen. Zum Glück hat Rom hier eindeutig Stellung bezogen. Es reichte ein knapper Hinweis auf das geltende Staatskirchenrecht, um die Pläne erwartungsgemäß zerschellen zu lassen.

Wer aber nun glaubt, das Narrativ der Funktionäre einfach umkehren zu können, sieht sich getäuscht. In der Tat gibt es, das ist in der Vergangenheit sowohl statistisch belegt worden als auch in Einzelfällen dokumentiert, Austritte von gläubigen Katholiken, die Demontage des Glaubens nicht weiter finanzieren wollen. Auch diejenigen, die sich plötzlich wegen vorauseilender kirchlicher Coronapolitik ausgesperrt sahen, zeigen eine Neigung zu gehen. Was nützt mir eine Kirche, die mich aussperrt, wenn ich sie am nötigsten habe? Die Frage ist erlaubt. Es mache sich niemand etwas vor, diese Begründungen gibt es, aber sie kennzeichnen einen verschwindend geringen Anteil.

Der Löwenanteil derjenigen, die austreten, vollzieht den Schritt nach einem langen inneren Weg des Abschiedes aus konkretem Anlass: Eine Schlagzeile über den Erzbischof von Köln oder ein neues Missbrauchsgutachten, die Nachricht über eine Predigt eines Pfarrers in Hintertupfingen, der horribile dictu, die Lehre der Kirche vielleicht etwas ungeschickt von der Kanzel gedonnert hat oder eine Kneipenwette am Tresen. Ein Austritt ist schnell vollzogen. Der lange Weg des inneren Abschieds beginnt nicht selten im Kindesalter mit einem irrelevanten Religionsunterricht, der alles vermittelt, aber nicht, was die Kirche glaubt und wozu die Kirche da ist. Religiöse Sozialisation im Elternhaus gibt es so gut wie gar nicht mehr. Oft genug von Eltern und Großeltern erzwungene, als reine gesellschaftliche Pflichtübungen absolvierte Erstkommunionen und Firmungen, hinter deren Inhalt weder die Familie noch das soziale Umfeld steht, bescheren Kindern und Jugendlichen toxische Erfahrungen mit der Kirche. Man wird zu etwas gezwungen, was man nicht will und zu dem niemand im familiären oder sozialen Umfeld eine Beziehung hat. Dies gilt umso mehr, wenn die Sakramentenkatechese flach, inhaltsleer und bar jeder Herausforderung stattfindet. Nach Ende der Schulzeit, deren Abschluss vielleicht noch ein Gottesdienst bildet, kommt die überwältigenden Mehrheit der jungen Menschen, vielleicht bei der Hochzeit des Kumpels mal mit der Kirche in Berührung. Vielleicht ist er bis dahin schon längst ausgetreten und hat selber Mühen, der eigenen Freundin irgendwie den Traum in Weiß in der Barockkirche drei Dörfer weiter zu erfüllen.

Das geht so weit, dass eine große Zahl jungen Menschen nicht einmal ad hoc weiß, ob sie evangelisch oder katholisch sind und was das bedeutet. Vor Jahren ging der Witz um, dass evangelisch Getaufte ihrem Pfarrer erklärten, wegen dem Papst jetzt endlich auszutreten. Der Papst ist es gerade nicht. So treten derzeit im Umfeld von Köln evangelisch Getaufte wegen Kardinal Woelki aus ihrer Gemeinschaft aus. Die kirchliche Realität des normalen Getauften ist es heute, zu Beginn des Lebens Wasser über den Kopf zu bekommen, aber im Elternhaus nichts über den Glauben der Kirche zu erfahren, geschweige denn Beten gelehrt zu bekommen. Der junge getaufte Atheist oder Agnostiker ist der Normalfall des jungen getauften Menschen. Das gilt unabhängig von der Kirche oder Denomination. Wer nach Wegen sucht den hohen Austrittszahlen zu begegnen, sollte anfangen, die Taufpraxis und die Traupraxis zu überdenken. Da und nirgendwo sonst liegt der Hebel, an dem anzusetzen wäre. Dass wir zudem auch Programme zur Neuevangelisation brauchen, ist völlig klar. Das eine Änderung von Tauf- und Traupraxis Bestandteil dessen sein müssen dürfte ebenfalls klar sein. So lange unser Episkopat allerdings – von wenigen Ausnahmen abgesehen - vorwiegend mit der Dekonstruktion des Glaubens beschäftigt ist, brauchen wir damit nicht zu rechnen. Nutzen wir derweil die Zeit, um die Bekehrung der Bischöfe zu beten.

Kirchensteuer nominell und kaufkraftbereinigt: https://www.dbk.de
 

Kirche in Zahlen: https://www.dbk.de
 


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