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Nuntius: „Ohne die Unterstützung des Gebets und vor allem ohne Stärkung durch die Eucharistie…“

8. November 2024 in Spirituelles, keine Lesermeinung
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„… können wir nicht dem Ideal des christlichen Lebens näherkommen, das der Herr Jesus aufgezeigt hat: Gott lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit ganzem Denken und aller Kraft und den Nächsten lieben wie sich selbst“, sagt Nuntius Eterović.


Berlin (kath.net) kath.net dokumentiert die Predigt S.E. Apostolischer Nuntius Erzbischof Dr. Nikola Eterović in Berlin am 03. November 2024 in voller Länge und dankt S.E. für die freundliche Erlaubnis zur Weiterveröffentlichung – Dtn 6,2-6; Ps 18; Hebr 7,23-28; Mk 12,28-34

„Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft" (Mk 12,30).

Liebe Schwestern und Brüder!
Das soeben gehörte Wort Gottes ist sehr bekannt: wir alle kennen den Inhalt des großen Gebotes, das uns dazu auffordert, Gott und den Nächsten zu lieben. Dennoch ist die Reflexion über diese Wahrheit auch für uns sehr wichtig, damit wir klar erkennen, dass der Herr Jesus bei der Formulierung seiner Lehre Bezug auf die Bücher des Alten Testamentes nimmt und dass sie somit alt und neu zugleich ist. Das große Gebot sollte unserem persönlichen, familiären und sozialen Leben die Richtung geben. In der Stille unseres Herzens aber müssen wir erkennen, dass wir noch weit entfernt davon sind, dieses Ideal zu erreichen, Gott mit all unserem Sein zu lieben, wie es der Herr Jesus lehrt.

„Höre, Israel!“ (Dtn 6,4).

Da er in eine fromme jüdische Familie hinein geboren worden war, kennt Jesus die Lehre der heiligen Bücher des erwählten Volkes. Unter ihnen nimmt das Buch Deuteronomium, das fünfte Buch im Pentateuch der jüdischen Tora und der christlichen Bibel einen besonderen Platz ein. Im Buch Deuteronomium ist das neue Gesetz gesammelt, das Mose dem erwählten Volk vor seinem Tod übergibt, um das stabile, sesshaft gewordene Leben im Gelobten Land zu ordnen. Wir haben in der ersten Lesung jenen Text gehört, den jeder fromme Jude zweimal täglich rezitiert - beim Morgengebet und beim Abendlob - und somit im Gedächtnis hat: „Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, der Herr ist einzig. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit ganzer Kraft" (Dtn 6,4-5). Als Antwort auf die Frage eines Schriftgelehrten: „Welches Gebot ist das erste von allen?" hat Jesus mit Bezug auf diesen Abschnitt aus dem Buch Deuteronomium geantwortet: „Das erste ist: Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Darum sollst du den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und ganzer Seele, mit deinem ganzen Denken und mit deiner ganzen Kraft" (Mk 12,29-30). Und er fügt auch die Liebe zum Nächsten hinzu, indem er sagt: „Als zweites kommt hinzu: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (Mk 12,31), um abschließend festzustellen: „Kein anderes Gebot ist größer als diese beiden" (Mk 12,31). Der Schriftgelehrte war von der Antwort Jesu beeindruckt und lobt ihn: „Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt" und wiederholt das große Gebot, das darin besteht, Gott „mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst" (Mk 12,33).


Um das gute Gespräch zwischen dem Schriftgelehrten und Jesus besser zu verstehen, ist wichtig, sich bewusst zu bleiben, dass ein frommer Jude gut 613 Gesetze und Vorschriften zu beachten hat, und dabei nicht immer zu bewerten imstande ist, welche davon die wohl wichtigsten seien. Der Schriftgelehrte hat Jesus hierzu befragt, denn er war von der Weise beeindruckt, wie der Herr die Meinung der Sadduzäer widerlegte, die einen Glauben an die Auferstehung der Toten ablehnten (vgl. Mk 12,18-27). Es ist außerdem zu bedenken, dass der Schriftgelehrte keine Schwierigkeit damit hatte, die Verbindung zwischen der Liebe zu Gott und zum Nächsten zu sehen, auch wenn diese doppelte Dimension des Liebesgebotes sich nicht im erwähnten Glaubensbekenntnis Israels, im Sch'ma Jisrael (שְׁמַע יִשְׂרָאֵל) findet. Diese Wahrheit findet sich nämlich an anderer Stelle in den Büchern des Alten Testamentes, beispielsweise im Buch Levitikus, wo es heißt: „An den Kindern deines Volkes sollst du dich nicht rächen und ihnen nichts nachtragen. Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr" (Lev 19,18). Der Herr Jesus hat offenbar den Glauben Israels vertieft und das Geheimnis des dreieinen Gottes von Vater, Sohn und Heiligem Geist offenbart. Außerdem hat er klar gemacht, dass der Nächste jeder Mensch ist, vor allem jener, der unserer Hilfe bedarf, wie sich aus dem Gleichnis des barmherzigen Samariters ergibt (vgl. Lk 10,25-37).

„Weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer“ (Mk 12,33)

Der Schriftgelehrte im Evangelium lobt Jesus, dass er das erste der Gebote klar aufgezeigt hat: „Sehr gut, Meister! Ganz richtig hast du gesagt: Er allein ist der Herr und es gibt keinen anderen außer ihm und ihn mit ganzem Herzen, ganzem Verstand und ganzer Kraft zu lieben und den Nächsten zu lieben wie sich selbst, ist weit mehr als alle Brandopfer und anderen Opfer" (Mk 12,32-33). Im Alten Testament zeigen die Gläubigen ihre Liebe zu JHWH durch Brand- und Tieropfer. Unter dem Einfluss der Propheten reifte in Israel jedoch immer mehr das Bewusstsein dafür, dass Opfer allein nicht ausreichen, sondern begleitet werden müssen von der Liebe zu Gott und zum Nächsten, was sich in einem Leben zeigt, das in Gerechtigkeit und Liebe geführt wird. Offensichtlich war Jesus der gleichen Meinung und empfand Sympathie für den Schriftgelehrten: „Jesus sah, dass er mit Verständnis geantwortet hatte, und sagte zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes" (Mk 12,34).

Liebe Brüder und Schwestern, dies war erst eine Ankündigung dessen, was der Herr Jesu im Ostergeheimnis getan hat. Denn tatsächlich ist Er der Hohepriester, für den sich in der Tat für uns ziemte: „einer, der heilig ist, frei vom Bösen, makellos, abgesondert von den Sündern und erhöht über die Himmel; einer, der es nicht Tag für Tag nötig hat, wie die Hohepriester zuerst für die eigenen Sünden Opfer darzubringen und dann für die des Volkes; denn das hat er ein für alle Mal getan, als er sich selbst dargebracht hat" (Hebr 7,26-27). In der Eucharistie wiederholt sich dieses Opfer auf unblutige Weise und gefällt Gott, dem Vater, denn die vollkommene Liebestat Seines Eingeborenen Sohnes, mit der Er uns geliebt hat bis zum Ende (vgl. Joh 13,1), ist gegenwärtig und in der Gnade des Heiligen Geistes hat er sein Leben hingegeben für das Heil der Welt. Dieses Bewusstsein sollte uns antreiben, mit Freude die Heilige Messe zu feiern, vor allem an den Sonn- und Feiertagen. Leider trifft auf viele lauwarme Gläubige, die mühelos darauf verzichten, an der Heiligen Messe teilzunehmen, das Wort von Papst Franziskus in seiner neuesten Enzyklika Dilexit nos zu: „Weil wir inmitten des Wirbels der heutigen Welt und unserer Besessenheit von Freizeit, Konsum und Vergnügung, Smartphones und Social Media vergessen, unser Leben mit der Kraft der Eucharistie zu nähren" (Nr. 84).

Doch ohne die Unterstützung des Gebetes und vor allem ohne die Stärkung durch die Eucharistie können wir nicht dem Ideal des christlichen Lebens näherkommen, das der Herr Jesus aufgezeigt hat: Gott zu lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele, mit ganzem Denken und aller Kraft und den Nächsten zu lieben wie sich selbst. Wer von uns kann sagen, auf diese allumfassende Weise Gott und den Nächsten zu lieben, wie Jesus es will?

Vertrauen wir unsere Überlegungen der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter Jesu und unsere Mutter, damit sie für uns alle die Gnade erflehe, dass unsere irdische Pilgerschaft zur seligen Ewigkeit immer mehr ein Voranschreiten in der Umsetzung des großen Gebotes der Liebe zu Gott und zum Nächsten werde. Amen.

Archivfoto Nuntius Eterović (c) Apostolische Nuntiatur Berlin


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