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Nuntius Farhat: ‚Non in tumultu Deus’

18. November 2008 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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"Gott ist nicht im Lärm. Daher braucht es Zeit und Platz für Gott, um Ruhe und die Sehnsucht nach Schweigen wieder zu finden." Interview mit dem scheidenden Apostolischen Nuntius in Österreich Erzbischof Edmond Farhat von Dominik Hartig.


Wien (kath.net/Zenit) Über die Geschenke, die Österreich erhalten hat, die Jugendlichkeit der Kirche, Orte der Begegnung mit Gott und das „Geheimnis einer jeden Priesterberufung“ gibt der scheidende Nuntius Erzbischof DDr. Edmond Farhat im vorliegenden ZENIT-Interview bereitwillig Auskunft.

Der 75jährige Kirchendiplomat aus dem Libanon, der seit Ende Oktober 2005 Apostolischer Nuntius in Österreich war, gewährt Einblicke in sein Glaubensleben und warnt vor der Gefahr, angesichts der eigenen Fehler und Schwächen mutlos zu werden: „Ein Christ kann und darf nicht resignieren, wie jemand, der keine Hoffnung hat, denn Christus ist unser Leben. Er hat schon den Tod besiegt.“

Das neue Buch von Erzbischof Farhat „Jesus Christus liebt Euch! Ausgewählte Reden und Predigten 2005-2008“ ist gewissermaßen sein Abschiedsgeschenk an die Österreicher, denen er vor allem eines wünscht: dass sie sich „nicht so sehr von äußerlichen, materiellen Dingen abhängig machen, sondern erneut die Schönheit des christlichen Glaubens entdecken und dabei ihren Blick vielmehr auf das ‚himmlische Jerusalem‘ richten.“

ZENIT: Eure Exzellenz, die Predigten und Vorträge, die nun in Buchform vorliegen, sind gewissermaßen Ihr Vermächtnis für Österreich. Die Hauptbotschaft klingt bereits im Titel an: „Jesus Christus liebt euch“. Was liegt Ihnen in Bezug auf Österreich und seine Bewohner besonders am Herzen?

Erzbischof Farhat: Österreich ist ein wunderschönes Land, wo Menschen in Frieden und in Freiheit leben dürfen. Sie können ihre Meinung frei äußern und ihre Religion ausüben – oder auch nicht –, ohne dass sie deshalb diskriminiert werden. In vielen anderen Ländern der Welt – vor allem auch Ländern, in denen der Islam vorherrschend ist –, ist das keine Selbstverständlichkeit. Ich glaube, dass sich die Österreicher neu bewusst werden müssen, wie begnadet und reich beschenkt sie sind.

Gott sei Dank ist Österreich schon viele Jahre vor einem Krieg verschont geblieben, was diesem Land einen großen wirtschaftlichen Reichtum verschafft hat. Mir tut es leid, wenn ich aber hier erlebe, dass sich manche Österreicher trotz all dieser schönen Tatsachen nur beklagen und nicht zufrieden sind. Meine Heimat, der Libanon, wird hingegen schon seit Jahrzehnten immer wieder von Kriegen heimgesucht. Die Menschen, die dort geblieben sind, haben aber die Hoffnung auf eine bessere Zukunft nicht verloren und sind mit dem Wenigen, das sie haben, zufrieden und strengen sich an, damit es noch besser wird.

ZENIT: Wo sehen Sie die großen Stärken und Erneuerungschancen für die Kirche in diesem Land?

Erzbischof Farhat: „Die Kirche ist jung“, hat Papst Benedikt XVI. zu Beginn seines Pontifikats gesagt und meinte damit, dass die jungen Menschen die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft darstellen. Die Kirche ist auch jung, weil sie die Fähigkeit besitzt, sich immer wieder von innen her zu erneuern und zu reformieren. Die wahre Reform der Kirche geschieht nicht in kirchlichen Gremien, die meinen, mit einer demokratischen Mehrheit die Kirche nach ihrem menschlichen Gesichtspunkt umstrukturieren zu können. Die wahre Reform kann nur durch eine lebendige Auffrischung des Heiligen Geistes geschehen, der die Menschen von innen her erneuert und die Kirche durch sie verjüngt.


Ich sehe hier in Österreich neben den Problemen, die es freilich in manchen Diözesen gibt, auch diesen positiven Ansatz der Erneuerung. Es gibt viele gute Initiativen, die oft gerade von jungen Christen getragen sind. Das stimmt mich hoffnungsvoll für die Zukunft der Kirche in Österreich. Aber sie müssten sich noch besser miteinander vernetzen und auf nationaler Ebene zusammenarbeiten. Die verschiedenen positiven Ansätze und Initiativen sind wie kleine Lichter. Man muss sie zusammenbringen, damit sie in die Weite leuchten können.

ZENIT: Als Nuntius haben Sie immer wieder von der Schönheit des Glaubens gesprochen und von der großen Bedeutung der christlichen Kultur, die in Österreich nach wie vor gegeben ist. Was ist das Wahre, Gute und Schöne, das sich wirklich lohnt, an die neuen Generationen weiterzugeben, und wie lässt sich das am besten vermitteln? Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen diesbezüglich? Wie lernten Sie selber all diese Werte kennen und lieben, so dass Sie Ja sagen konnten zur Priesterberufung?

Erzbischof Farhat: Ja, Österreich ist tief geprägt vom christlichen Glauben, der sich auch in der Vielfalt der Kulturdenkmäler und Kirchen wie auch in den wunderbaren kulturellen Initiativen, der Musik von Mozart, Bruckner und den vielen anderen Komponisten dieses Landes widerspiegelt. Die Schönheit dieses Landes zeigt sich auch in der so abwechslungsreichen Landschaft, seinen Bergen und Tälern, die mich ein bisschen auch an die hügelige Landschaft meiner Heimat erinnern.

Ein Mensch, der die Fähigkeit des Staunens nicht verloren hat, kann in all diesen Dingen die Schönheit der Schöpfung Gottes erkennen. Er empfindet somit eine große Geborgenheit und Dankbarkeit gegenüber dem Schöpfer, der uns so sehr liebt. In der Bibel wird meine Heimat, der „mons Libanus“, als ein heiliger Berg beschrieben, den sich Gott wie seine Geliebte auserkoren hat. Vielleicht waren es auch diese Stellen im „Hohen Lied der Liebe“, die meinen Weg zum Priestertum inspiriert haben.

ZENIT: Was ist das Geheimnis eines glücklichen Priesters und Bischofs?

Erzbischof Farhat: Ein Priester wie auch ein Bischof ist in erster Linie ein Mensch, der wie alle anderen Menschen nicht nur gute Eigenschaften und Tugenden besitzt, sondern auch Momente der Schwachheit und der Sünde kennt. Aber der Priester weiß sich gerade in seiner Schwachheit von Gott geliebt und angenommen. Allein die Erfahrung, dass Gott unsere Sünden auf sich genommen und uns erlöst hat, was wir konkret im Sakrament der Beichte erfahren können, macht uns schon glücklich.

Gott schenkt dem Priester mit seiner übernatürlichen Gnade die nötige Kraft, damit er seiner Berufung und den Anforderungen des Alltags entsprechen kann. Dies mag freilich nicht immer so gut gelingen, wie wir es uns wünschen. Wichtig ist aber, dass wir uns immer wieder daran erinnern, dass gerade auch wir Priester der Barmherzigkeit Gottes bedürfen und nur dann glaubwürdig handeln, wenn wir diese barmherzige und bedingungslose Liebe Gottes auch an unsere Mitmenschen weitergeben. Das ist das Geheimnis einer jeden Priesterberufung.

ZENIT: Fallen Ihnen rückblickend konkrete Situationen und Erlebnisse ein, die in all diesen Jahren ihres seelsorgerischen Wirkens und auch davor maßgeblich zur Stärkung Ihrer Glaubensüberzeugung beigetragen haben?

Erzbischof Farhat: Der Priester trifft in seinem Lebenslauf immer wieder in verschiedenen Momenten auf Menschen, die ihn an die Würde seiner Berufung erinnern und in die Pflicht zurückrufen. Ich habe während meiner pastoralen und diplomatischen Tätigkeit viele Leute kennen gelernt und mit vielen gesprochen, mit jungen Menschen an den Universitäten und mit „Fanatikern“ in der Politik, mit scharfen Kritikern der Kirche und auch mit Islamisten.

Bei jeder Gelegenheit habe ich mein „Priestersein“ als ein „unicum“ erlebt. Einerseits bewunderte ich den Mut und das Vertrauen, das meine Gesprächspartner mir schenkten, andererseits fühlte ich, wie mich meine eigene Mission als Priester und Bischof gleichzeitig zu Mut und zu Demut drängt: Mut, die Wahrheit Christi zu sagen, und Demut, um nicht zu vergessen, dass es nicht immer einfach ist, auszudrücken, was ich glaube und als Gnade erfahren habe. Dann muss ich meine Grenzen anerkennen, dass ich meinen Gesprächspartner nicht immer genug zufriedenstellen kann.

Ich habe auch Erinnerungen an Momente, wo ich als Priester und Diener der Kirche tiefe Freude erfahren konnte, weil mein Gebet und mein Einsatz jemanden geholfen haben. So konnte ich erleben, was im Franziskus-Lied zum Ausdruck kommt: „Es macht mehr Freude zu geben als zu nehmen“. Ich war aber auch oft traurig, dass ich nicht so viel geben konnte, wie ich es beabsichtigt hatte.

ZENIT: Wie ist das mit der ständigen Bekehrung, bei der man nicht vorbeikommt, wenn man sich Christus zum Vorbild nimmt? Wie wird man dem hohen Anspruch gerecht, wie Gott zu sein? Wie sollte man vorgehen, um einerseits nicht zu verzagen und an diesem Ideal zu zerbrechen, andererseits aber auch nicht überheblich zu werden?

Erzbischof Farhat: Wir müssen einfach wir selbst sein, nicht müßig Zeit vergeuden und vor allem keine Resignation zulassen. Wie der Heilige Vater, Papst Benedikt XVI., während seiner Reise nach Österreich gesagt hat, besteht die Gefahr unserer Zeit in einer Resignation. Aber ein Christ kann und darf nicht resignieren, wie jemand, der keine Hoffnung hat, denn Christus ist unser Leben. Er hat schon den Tod besiegt. Er hat uns – nicht wir haben ihn – zu seiner Nachfolge gerufen. Er wird uns nicht verlassen.

ZENIT: Welche Elemente sollten nach Ihrer persönlichen Erfahrung in einem christlichen Leben nicht fehlen? Was halten Sie in dieser Hinsicht für besonders hilfreich?

Erzbischof Farhat: Wie ich gerade sagen wollte, ein christliches Leben besteht darin, dass wir in eine persönliche Beziehung mit Christus treten dürfen, der lebendige Gott, der sich in seiner unaussprechlichen Liebe erniedrigt hat und für uns Mensch geworden ist, um jeden von uns mit seinen Fähigkeiten und mit seinen Schwächen anzunehmen.

Viele Gewohnheitschristen sind sich nicht mehr bewusst, dass die Beziehung mit Gott etwas Persönliches, Lebendiges ist, das auf Gegenseitigkeit beruht: Wir können mit Gott in einen aufrichtigen Dialog treten, und wir dürfen in dieser Beziehung Gottes Freundschaft zu uns Menschen erfahren. Er hilft uns dabei, unsere Unzulänglichkeiten zu überwinden, und freut sich an unserem geistigen Wachstum, das in erster Linie ein Wachsen in der Liebe ist.

Wenn wir diese persönliche Beziehung mit Gott zu wenig verspüren, dann kommt es oft daher, weil wir die „Orte“ der Begegnung mit Gott nicht mehr kennen oder das dazu benötigte „Sprachrohr“ verloren haben. Um dies wieder entdecken zu können, brauchen wir Zeit und Platz für Gott, das heißt wir brauchen Zeiten, um Ruhe und die Sehnsucht zum Schweigen wieder zu finden und Gott begegnen können. „Non in tumultu Deus“, Gott ist nicht im Lärm, sagt der Psalmist.

ZENIT: Ihr bischöfliches Leitwort, „Meine Freude liegt im Buch“, das heißt in der Heiligen Schrift. Welche Bedeutung hat das Wort Gottes in Ihrem Leben? Gibt es Stellen, die Sie besonders ansprechen? Und was lässt sich aus der Bibel „herausholen“?

Erzbischof Farhat: Meine Berufung ist in erster Linie, Priester zu sein. Der Priester ist gerufen, um das Wort Gottes zu verkündigen. Das Wort Gottes ist nicht gleichzusetzen mit der Bibel als Ganzes. Die Bibel ist vielmehr die Erzählung von Gott in der Geschichte, aber das Wort ist Christus. „Am Anfang war das Wort“ (Joh. 1,1), und das Wort war Christus, der in die Welt gekommen ist. Diese gesamte Wahrheit ist mein Ideal und mein Leben ist es, Christus zu suchen, ihm nachzufolgen. In ihm ist meine Freude, die Erfüllung meines Lebens.

ZENIT: Was erhoffen Sie sich für die Zukunft – für sich und für Österreich?

Erzbischof Farhat: Ich hoffe und bete, dass immer mehr Menschen, hier in Österreich und auch überall sonst in der Welt, ihr Leben nicht so sehr von äußerlichen, materiellen Dingen abhängig machen, sondern erneut die Schönheit des christlichen Glaubens entdecken und dabei ihren Blick vielmehr auf das „himmlische Jerusalem“ richten.

Auch die aktuelle Finanzkrise, in der sich die ganze Welt zur Zeit befindet, weist letztlich darauf hin, dass wir keine Schätze hier auf Erden sammeln sollen, sondern unser einziger Schatz im Himmel ist. Wenn wir uns diese Weisheit vor Augen halten, dann werden wir auch in schwierigen Zeiten zufrieden sein und nicht die Hoffnung verlieren.


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