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Pastor Angelicus

2. März 2019 in Weltkirche, 3 Lesermeinungen
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Zum 80. Jahrestag der Wahl Pius XII. Von Michael Hesemann


Rom (kath.net)
Als Eugenio Pacelli am 2. März 1939, seinem 63. Geburtstag, schon im zweiten Wahlgang zum Papst gewählt wurde und sich fortan Pius XII. nannte, war sich die freie Welt einig, dass er der richtige Mann war, um das Schiff Petri sicher durch die stürmische Zeit der antichristlichen Diktaturen zu steuern. Tatsächlich schien es, als habe die Vorsehung ihn ein Leben lang auf diese Aufgabe vorbereitet. Schon die Abstammung des letzten Römers und Adligen auf der Kathedra Petri war bemerkenswert, seit Generationen diente seine Familie der Kirche. Sein Großvater war Mitbegründer des „Osservatore Romano“ und Vize-Innenminister im (damaligen) Kirchenstaat. Sein Vater, ein Rechtsanwalt im Dienst des Heiligen Stuhls, hatte an der Kodifizierung des Kirchenrechtes mitgearbeitet und sein Bruder, ebenfalls Anwalt, für Papst Pius XI. die Lateranverträge ausgehandelt.

Bis dahin hatten die ungeklärte „römische Frage“, die Stellung des Papstes im neuen italienischen Nationalstaat und die Spaltung der Gesellschaft in Kirchentreue und Nationalisten auch seinen Werdegang geprägt. Seine Eltern ließen ihn ein staatliches Gymnasium besuchen, wo sein bester Freund ein jüdischer Arztsohn war. Sein Berufswunsch war, in Rom als Pfarrer zu wirken.

Doch schon früh wurden vatikanische Würdenträger auf den brillanten jungen Theologiestudenten aufmerksam. Sie rekrutierten ihn für die päpstliche Diplomatenlaufbahn, holten ihn ins Staatssekretariat, wo ihn Kardinalstaatssekretär Pietro Gasparri unter seine Fittiche nahm.

Als „Außenminister“ des Heiligen Stuhls erlebte er die Neutralitätspolitik und Friedensbemühungen Benedikts XV. aus nächster Nähe. Ausgerechnet am Fatima-Tag, dem 13. Mai 1917, weihte ihn der Papst zum Bischof und ernannte ihn zum Titularerzbischof von Sardes, um ihn kurz darauf als neuen Nuntius nach München zu entsenden. Mit dem Königreich Bayern unterhielt der Heilige Stuhl damals diplomatische Beziehungen, mit dem protestantisch-preußischen Kaiserreich noch nicht. Sein Auftrag, Kaiser Wilhelm II. für den päpstlichen Friedensplan zu gewinnen, scheiterte an der Siegesgewissheit der deutschen Generäle. In München wurde Pacelli Zeuge der Nachkriegs-Wirren. Von den Kommunisten der Räterepublik, die ihn 1919 zur Herausgabe der Nuntiatur—Limousine zwingen wollten, ließ er sich nicht einschüchtern. Den Aufstieg Adolf Hitlers erlebte er aus der Nähe – und bescheinigte dem Nationalsozialismus schon 1924, er sei „antikatholisch“ und „die wohl gefährlichste Häresie unserer Zeit.“

Für umso dringlicher hielt er es, die Rechte und Stellung der Kirche in dieser Zeit der Umbrüche zu sichern und mit möglichst vielen, gerade auch kirchenfremden Regierungen Konkordate zu schließen. Trotz aller Widrigkeiten erlebte er wohl in München die glücklichste Zeit seines Lebens.


Bekanntschaften aus diesen Tagen begleiteten ihn ein Leben lang – allen voran seine ebenso treue wie resolute Haushälterin Pascalina Lehnert, eine Menzinger Lehrschwester vom Heiligen Kreuz, die ihm bis in den Apostolischen Palast folgen sollte. So zog Pacelli 1925 zunächst ungern in das „gottlose Berlin“, um doch bald die Weimarer Republik schätzen zu lernen. Seine engen Kontakte und legendären Reitausflüge auch mit Mitgliedern der Generalität sollten ihn später zum Vertrauensmann des deutschen Widerstandes gegen Hitler werden lassen. Zudem unterhielt er Kontakte zu führenden Zionisten, die ihn als „treuen Freund des Judentums“ rühmten.

Mit der Unterzeichnung der Lateranverträge, seines Lebenswerkes, endete die Dienstzeit Pietro Gasparris und Pacelli wurde 1930 von Pius XI. zum neuen Kardinalstaatssekretär ernannt. Von Rom aus gelang ihm die Verabschiedung der Konkordate mit Baden (1932), Österreich (1933) und dem Deutschen Reich (1933), das jetzt unter der Herrschaft Adolf Hitlers stand. Pacelli nutzte den Staatsvertrag als Grundlage für insgesamt 55 offizielle Proteste gegen das NS-Regime bis 1939. Als alle erfolglos blieben, lud er 1937 die drei prominentesten Hitler-Gegner des deutschen Episkopats, Kardinal Faulhaber und die Bischöfe von Preysing und von Galen nach Rom, um für Pius XI. eine Enzyklika zu verfassen. „Mit brennender Sorge“, von Pacelli selbst in der Sprache verschärft, wurde zur heftigsten Verurteilung eines politischen Regimes in der jüngeren Kirchengeschichte. Kein Wunder, dass Hitler auf jede Gratulation zur Papstwahl verzichtete und das Deutsche Reich bei der feierlichen Inthronisierung Pius XII. am 12. März 1939 nur durch seinen Vatikanbotschafter vertreten war.

Pacelli ahnte zu diesem Zeitpunkt bereits, dass „die Tiara für ihn zur Dornenkrone werden“ würde. Denn die Zeichen der Zeit standen auf Krieg. Demonstrativ gab er sich als Friedenspapst, sah in den ersten vier Buchstaben seines Familiennamens bereits einen Wink der Vorsehung. „Opus Iustitiae Pax“, „Der Frieden ist das Werk der Gerechtigkeit“ wurde sein Wahlspruch, die Taube mit dem Ölzweig des Friedens im Schnabel zu seinem Papstwappen. Noch am 24. August 1939, eine Woche vor Hitlers Einmarsch in Polen, richtete er auf Radio Vatikan einen verzweifelten Appell an die Welt: „Nichts ist mit dem Frieden verloren, aber alles kann mit dem Krieg verloren sein!“

Vergeblich. Weder die scheinbare Neutralität des Vatikans noch sein klandestines Bündnis mit dem deutschen Widerstand, der versprach, Hitler zu stürzen, konnten das Morden in Europa beenden. Erst als er sich auf die Botschaft von Fatima besann, geschah das Unglaubliche. Seine Weihe der Welt an das Unbefleckte Herz Mariens am 31. Oktober 1942 war gefolgt von der Wende im Weltkrieg. Bis dahin, so stellte Winston Churchill fest, hatten die Deutschen jede Schlacht gewonnen, seitdem verloren sie eine nach der anderen.

Trotz aller Pläne und Befehle Hitlers, den Vatikan zu stürmen und den Papst zu verschleppen, ja selbst während der neunmonatigen deutschen Besatzung Roms schien der Himmel seine schützende Hand über die Ewige Stadt gelegt zu haben.

Vereinzelte Fliegerangriffe richteten keinen größeren Schaden ein und auch von den 8000 römischen Juden, die Hitler deportieren und ermorden lassen wollte, überlebten 6500, weil Pius XII. die Deportationen stoppen und die Juden in über 200 Klöstern und im Vatikan verstecken konnte. So feierten die Römer Pius XII. als „Defensor civitatis“, die verfolgten Juden aber als ihren größten Retter: Fast eine Million überlebte den Holocaust Dank päpstlicher Rettungsaktionen und 40 diplomatischer Interventionen.

Vor Pius XII. aber lag die Jahrhundertaufgabe, ein demokratisches Nachkriegseuropa mit zu gestalten. Die europäische Versöhnung und Einigung war sein Ziel, dabei unterstützte er dezidiert christliche Politiker.

Dem CSU-Mitbegründer Josef Müller riet er zur ökumenischen Ausrichtung seiner Partei; die Zeit der konfessionellen Grabenkämpfe sei vorüber. Als neuen Feind, der die gerade befreite Welt bedrohte, sah er den Kommunismus.

Auf diese neue, veränderte Welt bereitete er seine Kirche vor. In zwei Konsistorien internationalisierte er das Kardinalskollegium; bislang hatten ihm nur Europäer angehört, jetzt erstmals auch Bischöfe aus Übersee. Seine Vision war ein Konzil, das, weil er sich zu schwach fühlte, sein Nachfolger abhalten solle. Er aber schuf dafür die theologischen Grundlagen: kein anderer Papst wurde im II. Vatikanum so oft und ausgiebig zitiert wie er, ganze 219 Mal. Seine 40 Enzykliken behandeln jeden Bereich des kirchlichen und modernen Lebens: Summi pontificatus (1939) die Neuordnung der Staaten, Mystici corporis (1943) eine Definition der Kirche, Divino afflante Spirito (1943) das Verständnis der Heiligen Schrift, Mediator Dei (1947) die Liturgie, Humani generis (1950) den Neo-Modernismus. In unzähligen Ansprachen im Radio und vor Audienzgruppen ging er aus katholischer Perspektive auf politische, wissenschaftliche und medizinische Fragen der Gegenwart ein. Dabei wechselte sich demonstrative Feierlichkeit bei liturgischen und sakramentalen Handlungen stets mit großer Herzlichkeit und Volksnähe im Umgang mit den Menschen ab.

Zum Höhepunkt seines Pontifikates wurde das Heilige Jahr 1950. Zu Weihnachten gab er die Entdeckung des Petrusgrabes bei geheimen Ausgrabungen während der Kriegsjahre bekannt. Zuvor, am 1. November, hatte er das Dogma der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel verkündet und damit als erster (und bislang einziger) Papst vom 1870 definierten Charisma der Unfehlbarkeit Gebrauch gemacht.

Unmittelbar vor und nach dem feierlichen Akt erlebte Pius XII. das Sonnenwunder von Fatima in den vatikanischen Gärten. Vier Jahre später, schwer erkrankt, hatte er eine Christusvision – und wurde augenblicklich geheilt. Für viele Gläubige war der Papst, der 33 Heiligsprechungen (u.a. seines früheren Förderers Pius X.) vorgenommen hatte, damit selbst zum Heiligen geworden. Bewahrheitete sich die uralte Prophezeiung des Malachias, dass er der „Pastor Angelicus“, der endzeitliche Engelspapst sei? Die Welt rief jedenfalls „Santo subito!“, als er am 9. Oktober 1958 in Castelgandolfo für immer seine Augen schloss. Noch erinnerte man sich daran, dass er nicht der später von Hochhuth karikierte zaudernde „Stellvertreter“, sondern ein leidenschaftlicher Advokat des Friedens war.

Als Antwort auf die Diffamierungskampagne, die, wie wir heute wissen, vom sowjetischen KGB inszeniert worden war, ließ Papst Paul VI. 1965 demonstrativ den Seligsprechungsprozess eröffnen. Er kam 2009 zu seinem vorläufigen Abschluss, als Benedikt XVI. die einstimmige Entscheidung der Kongregation für Selig- und Heiligsprechungen bestätigte und Pius XII. den „heroischen Tugendgrad“ zuerkannte.

Jetzt wartet die historische Forschung gespannt auf die Freigabe der Archivbestände aus seinem Pontifikat, deren Termin (wohl 2020) der Vatikan heute bekanntgeben will. Erst dann wird sich das ganze Ausmaß seines unermüdlichen Kampfes gegen die antichristlichen Diktaturen seiner Zeit und seiner Bemühungen, „um jeden Preis Menschenleben zu retten“, offenbaren. Dann dürfte seiner Seligsprechung nur noch das benötigte Wunder im Wege stehen. Aber auch das ist nur eine Frage der Zeit, da immer mehr Gläubige diesen großen, ja wegweisenden Papst für sich entdecken und um Fürsprache anrufen.

Michael Hesemann forscht seit über zehn Jahren im vatikanischen Geheimarchiv über Pius XII. 2008 erschien seine Biographie „Der Papst, der Hitler trotzte“, 2018 sein Bestseller „Der Papst und der Holocaust“.


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Lesermeinungen

  5. März 2019 
 

Papst Pius XII. ist nicht nur am 2.3. zum Papst ernannt worden - es ist auch sein Geburtstag!

Wenn das Mal kein Zufall ist!


1
 
  2. März 2019 
 

Sehr lesenswert, danke Herr Hesemann

Nur einen Widerspruch möchte ich tun: ich denke nicht, daß Papst Pius XII. ein Freund der "freien" Welt war, der Welt der Freimaurerherrschaft. Papst Pius XII. war mit Sicherheit kein Freund von diesem amerikanischen Präsidenten Roosevelt, der bspw. Osteuropa an die Sowjets verraten hatte und der Teilung Europas und Deutschlands auf Jalta ausdrücklich zugestimmt hatte.

Ansonsten super Artikel. Papst Pius XII. bislang weder selig noch heilig gesprochen zu haben, ist ein großes Manko der Kirche und zeugt m. Er. teilweise von Angepaßtheit an die Mächten, die Fürsten dieser Welt.


5
 
 Cosmas 2. März 2019 
 

Wunder sind unter PF nicht mehr nötig zur Heiligsprechung,

wie man bei Johannes XXIII beobachten mußte. Also - wir warten sehnsüchtig auf die baldigste Heiligsprechung dieses ganz großen Papstes! Denn - wie schon Hans Moser in der großartigen Verfilmung des Werfel-Romans "Der veruntreute Himmel" (übrigens mit Originalaufnahmen von Pius XII) zu sagen wußte: "IN ROM GEHT ALLES!"


10
 

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