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Wegbereiter der Erneuerung der Kirche – John H. Newman – Leseprobe 3

21. Oktober 2019 in Buchtipp, keine Lesermeinung
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John Henry Kardinal Newman gehört zu den bedeutendsten Theologen der Moderne und wird von vielen auch als „Kirchenvater der Neuzeit“ bezeichnet. Ein neues Buch von Charles Stephen Dessain. 4 Leseproben im Oktober.


Linz (kath.net)

Leseprobe 3

Obwohl Newman, lange bevor er sich 1842 nach Littlemore zurückzog, bereits ein Leben von beachtlicher Strenge führte, schloss er sich nicht von anderen ab. Er hatte weiterhin zahlreiche, ihm eng verbundene Freunde und die Menschen, die ihn kennenlernten, fanden ihn faszinierend. Zu Beginn des Jahres 1837 begann er in seinen Räumen, wöchentliche Soireen für Studenten abzuhalten und behielt dies ohne Unterbrechung die nächsten vier Jahre bei. Ms Mitford hat uns den Bericht eines ihr bekannten eifrigen Studenten erhalten, den Newman regelmäßig zum Frühstück einlud.

Er wurde gefragt, über was man sich dort unterhielt. „Über alles – klassische Literatur, Geschichte, Mathematik, Literatur im Allgemeinen ... Kurz, er unterhält sich mit mir über alles außer über das, was man als Tractarianismus bezeichnet, den er noch nie erwähnt hat.“ Aber nicht nur in Oxford fanden solche endlosen Frühstücks- und Dinner-Partys statt, sondern wenn er nach London kam, war es das Gleiche. So weilte er dort im Juli 1840 und war jeden Abend bei anderen Freunden zum Essen. Als er 1874 sein Tagebuch durchsah, notierte er an dieser Stelle: „Wie mich dies alles bewegt. Lusisti satis, edisti satis, atque bibisti, tempus abire tibi est!”

Um ein Beispiel zu geben, erschien es ihm wichtig, vor den Augen der Menschen das christliche Leben der ersten Jahrhunderte wiedererstehen zu lassen, ihnen zu zeigen, wie der Offenbarungsglaube in der Praxis gelebt wurde. Im Jahr 1840 veröffentlichte er unter dem Titel The Church of the Fathers (»Die Kirche der Väter«) eine Reihe früher geschriebener Essays, in denen er in Form biografischer Skizzen versuchte, die Atmosphäre, die Auffassungen und die Gewohnheiten der frühen Kirche nachzuzeichnen.

Ferner war er in maßgeblicher Weise an der tractarianischen Library of the Fathers beteiligt, Übersetzungen patristischer Schriften, als deren erster Band die von Pusey besorgte Übersetzung der Augustinischen Confessiones (»Bekenntnisse«) im Jahr 1838 erschien. Newman übersetzte drei Bände aus den Werken des heiligen Athanasius für diese Reihe. Er publizierte auch eine Übersetzung der Kirchengeschichte von Fleury mit einem Essay über »Kirchliche Wunder« als Vorwort. Die Kirche von England sollte sich stärker der Kirche der Väter angleichen. Von 1838 bis 1841 gab er überdies die Monatsschrift British Critic heraus, die er zu einem äußerst wirkungsvollen Sprachrohr der Tractarianer machte.


Er machte es sich auch weiter zur Aufgabe, die intellektuelle Grundlage des christlichen Glaubens, das Verhältnis zwischen Glauben und Vernunft, zu untersuchen, ein Problem, das ihn seit der Zeit seiner ersten Bekehrung immer wieder beschäftigt hatte. Sein Werk Sermons preached before the University of Oxford erschien 1843. Newman bezeichnete es damals als »das am wenigsten theologische Buch unter meinen Veröffentlichungen«. Die früheren Predigten in diesem Band, nämlich die bis Ende 1832 gehaltenen, sind bereits erwähnt worden. Der Rest, die letzten sechs, die zwischen 1839 und 1843 gehalten wurden, bieten die lebendigste Erörterung des Verhältnisses von Glaube und Vernunft, die Newman je geschrieben hat. Als er sie vier Jahre nach ihrer Veröffentlichung erneut las, schrieb er in einem Brief:

„Ich muss bekennen, ich halte sie im Ganzen genommen für das Beste, was ich geschrieben habe, und ich kann nicht glauben, dass sie nicht katholisch und nicht von Nutzen sind. Ja, es gibt Augenblicke (und zwar, wenn ich dieses und Ähnliches lese), dass mich ein Gefühl übermannt, welches ich nicht oft empfinde, aber dann mit voller Macht, das Gefühl nämlich, dass mir keine Gerechtigkeit zuteilgeworden ist.“

In ihrer ganzen Fülle findet man Newmans Lehre in An Essay in Aid of a Grammar of Assent (»Entwurf einer Zustimmungslehre«), und sie wird daher im Zusammenhang mit diesem Werk erörtert werden, aber was er in den Oxford-Predigten zu sagen hat, ist frischer und nicht durch die Sorge beengt, von scholastischen Philosophen missverstanden zu werden. Gegen die Apologetik der Beweisschule besteht er darauf, dass die Christen in der Realität die Wahrheiten der Offenbarung aus Gründen annehmen und glauben, die sich von den gewöhnlich dafür vorgebrachten Beweisen unterscheiden. Diejenigen, die sich der Religion durch den Glauben überantworten und „auf sie hin ihr Glück wagen, [handeln] nicht aufgrund einer Prüfung von Beweisen, ... sondern aus einer ganz spontanen Bewegung ihres Herzens zum Glauben hin“.

So ist der Glaube „das Erkennen eines göttlich erleuchteten Geistes“, eine Tat des ganzen Menschen und nicht nur seiner gedanklichen Fähigkeiten. So ist der Glaube »das einfache Erheben des Geistes zum unsichtbaren Gott ohne bewusstes Schlussfolgern oder förmliche Beweisführung«. – »Alle, die an Christus glauben, glauben deshalb, weil sie wissen, dass er der gute Hirt ist. Sie erkennen ihn an seiner Stimme; und sie kennen seine Stimme, weil sie seine Schafe sind ... Der von Gott erleuchtete Geist sieht in Christus gerade das, was er zu lieben und anzubeten begehrt.“

Der Glaube ist mithin zunächst eine Gnade, ein Geschenk, das mehr ist als die Vernunft. Er beruht nicht auf Beweisen, die erst später als Schutz und Rechtfertigung hinzukommen. „Ein Richter macht ... die Menschen nicht ehrenhaft, sondern spricht sie frei oder verurteilt sie. Geradeso wenig braucht die Vernunft Ursprung des im konkreten gläubigen Menschen existenten Glaubens zu sein, obgleich sie ihn tatsächlich prüft und rechtfertigt.“ Und weiterhin: „Wenn Kinder, Arme oder die Vielbeschäftigten echten Glauben haben können, aber seine Beweise nicht abzuwägen verstehen, so sind Beweise eben einfach nicht die Grundlage, auf der der Glaube aufgebaut ist.“

Denn solche Menschen haben keine Zeit, detaillierte Untersuchungen durchzuführen.
Obwohl der Glaube ein Geschenk ist, bleibt er dennoch ein freier Akt. Der Mensch kann wählen, ob er glauben will oder nicht. So ist der Mensch verantwortlich für seinen Glauben.

kath.net Buchtipp
John Henry Newmann – Wegbereiter der Erneuerung der Kirche
Von Charles Stephen Dessain
Media Maria Verlag 2019
ISBN: 978-3-9479310-8-8
Gebunden, 352 Seiten
Preis: Euro 20,50

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