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| "Kirche, du sollst nicht lügen!"21. Oktober 2020 in Interview, 8 Lesermeinungen Bernhard Meuser im kath.net-Interview: „Christliche und biblischen Anthropologie: praktizierte Sexualität ausschließlich in Hinordnung auf die verbindliche Ehe. Gerade spielt die Kirche mit dem Gedanken, dieses Axiom zu entkräften.“ Augsburg (kath.net) In seinem neuen Buch „Freie Liebe – Über neue Sexualmoral“ (Fontis Verlag) klagt Bernhard Meuser die deutschen Bischöfe an, sich mit dem Synodalen Weg auf ein haarsträubendes Abenteuer eingelassen zu haben – den Entwurf einer „neuen Sexualmoral“. Als Opfer eines homosexuellen Missbrauchs durch einen Priester nimmt Meuser sich die Freiheit und sagt: „Im gleichen Moment, in dem die Kirche noch nicht einmal imstande ist, ihre spezifische eigene Sexkatastrophe unideologisch zu analysieren, wird schon wieder breitbrüstig über eine «neue Sexualmoral» doziert, in der mit größter Wertschätzung die «positive(n) Sinnwerte» gleichgeschlechtlicher Handlungen hervorgehoben werden. Ich finde das zum Fremdschämen!“ Meuser ist Theologe und Autor zahlreicher Bücher. Er ist Initiator und Mitautor der wichtigen YOUCAT-Buchreihe. kath.net: Herr Meuser, Sie kritisieren nicht nur – Sie schlagen selbst eine „neue Sexualmoral“, in der das Achte Gebot „Du sollst nicht lügen!“ fast eine größere Rolle spielt als das Sechste Gebot. Wie kommt das? Bernhard Meuser: Liebe und Lüge – das ist wie Feuer und Wasser. Entweder du liebst, dann lügst du nicht. Oder du lügst – dann liebst du nicht. Auch in der Liebe von Mann und Frau gilt: „Euer Ja sei ein Ja, und euer Nein sei ein Nein“ (Mt 5,37). Liebe ist das „Ja“ der ganzen Person, ist Hingabe in der Kongruenz von Körper und Sprache. Wenn die Umarmung nicht von Herzen kommt, ist sie Kalkül. Wenn der Kuss nicht meint, was er anzeigt, ist er eine Lüge. Die sexuelle Vereinigung ist nicht nur ein lustvoller Akt; sie Körperwahrheit oder Körperlüge, vollkommene Hingabe oder falsches Getue. Die Vereinigung von Mann und Frau, in der beide sich erkennen und definitiv zueinander finden - der Moment, an dem sie „ein Fleisch“ (Gen 2,24) werden und von da ab eine Einheit sind - dieser Moment muss frei von aller Täuschung, Lüge, Vorbehalt sein. kath.net: Man kann auch mit dem Körper lügen? Meuser: Sich in der körperlichen Vereinigung von Mann und Frau in höchster Lust zu verlieren, lässt fühlen, zeigt an, bewirkt die gesamtmenschliche, personale und unwiderrufliche Vereinigung eines Paares. So ist es zumindest, wenn man die Dinge ernst nimmt und die Worte und Gesten der Liebe nicht für ein Spiel hält oder für ein Instrumentarium, um das Leben und die Gefühle anderer zu benutzen. kath.net: Sex ist nicht wie ein Glas Wasser trinken – das meinen Sie? Meuser: Ja, jede sexuelle Begegnung schafft Bindung; sie zu zerreißen, schlägt seelische Wunden, beim einen tiefer, beim anderen weniger tief. Nicht ich war gemeint, sondern mein Körper, lautet die Ent-Täuschung, die das Gift des Misstrauens in alle künftigen Lieben mischt. Wunden können vernarben; aber Narben machen auch gefühllos und taub an der Stelle, wo ich mich von Herzen und rückhaltlos verschenken sollte, und künftig nur noch einen Teil von mir gebe – 50 % oder 70%, besser nicht mehr, denn man könnte wieder enttäuscht werden. kath.net: Heute meinen ja auch manche Katholiken, man könnte Sex und Liebe ganz gut trennen ... euser: Was man landauf, landab noch immer als große Errungenschaft der Sexuellen Revolution feiert - die Trennung von Sex und Liebe – ist nicht erst der der Sündenfall der Moderne. Das fand schon in Eden statt. Neu und für die Moderne bezeichnend ist, dass wir es mit der ersten Generation zu tun haben, die dies nicht bedauert und betrauert, sondern feiert. Die Trennung von Sex und Liebe zerstört die Person im Besten, was sie zu geben hat: sich. In Wahrheit wird die Sexualität der Liebe übergeordnet und das Größere gegen das Kleinere eingetauscht, wobei man uns weismacht, „die Begierden, denen wir widerstehen, seien so ´natürlich´, so ´gesund´ und so ´vernünftig´, dass es schon beinah pervers und abnorm wäre, ihnen nicht nachzugeben.“ (C.S.Lewis) kath.net: Sind wir plötzlich alle verrückt geworden? Meuser: Ich glaube schon. Ein bisschen sind wir alle infiziert von der neuen Lustreligion. Anders gesagt: Wir befinden uns mitten in einer kollektiven Neurose, aus der wir Christen uns in einer gewaltigen kulturellen Anstrengung befreien müssen, wenn wir noch Christen bleiben wollen (oder es wieder werden wollen). Niklas Luhmann, der bekannte Sozialwissenschaftler – er war kein Christ – sah es als den Kern der Sexuellen Revolution an, dass heute die sofortige und oft wahllose Aufnahme von Sex zum Standard geworden sei. Früher hieß es: Liebe führt zu Sex. Heute muss Sex Liebe hervorbringen. Wenn sich Liebe nicht einstellt, war es eben nur Sex, auch gut. Mit Sex zu warten, würde „als ein kaum noch zu begreifender Irrweg angesehen.“ kath.net: Was ist dagegen zu sagen? Meuser: In der christlichen, der biblischen Anthropologie gibt es das Axiom, dass praktizierte Sexualität ausschließlich in der Hinordnung auf die verbindliche Lebensgemeinschaft der Ehe ihren sinnvollen und richtigen Ort hat. Gerade spielt die Kirche mit dem Gedanken, dieses Axiom zu entkräften. Sie tut es aus unterschiedlichen Motiven; aus ehrenhaften, wo die vielen Menschen in den Blick geraten, die an dem Axiom scheitern – aus weniger ehrenhaften, wo sie sich im Gestus weitherziger Toleranz aufhübschen möchte. Wenn Eberhard Schockenhoff - der Architekt der „neuen Sexualmoral“, die auf dem Synodalen Weg beschlossen werden soll - den Sex rehabilitieren möchte, der in vielen nichtehelichen, vorehelichen, außerehelichen und gleichgeschlechtlichen Beziehungen stattfindet, so „reformuliert“ er das Axiom nicht – er gibt es auf. Er macht die Ausnahme zur Regel und die Regel zur Ausnahme. kath.net: Aber moralisch will er doch auch sein, oder? Meuser: Der Hauch von Moral, mit dem Schockenhoff in seiner „neuen Sexualmoral“ den Dammbruch verhindern möchte, wird wenige beeindrucken: „Promiskuität, offene Mehrfachbeziehungen, Untreue und von vornherein unter Vorbehalt eingegangene Beziehungen sind moralisch fragwürdig, und dies ebenfalls unabhängig von der sexuellen Orientierung der Betroffenen.“ Einmal mehr taucht das seltsame Wörtchen „fragwürdig“ im ethischen Diskurs auf! Das muss man sich mal im Hirn zergehen lassen! Man kann der Kirche nur empfehlen, dem Vorschlag Schockenhoffs nicht zu folgen. kath.net: Was würde dann passieren? Meuser: Ich habe in meinem Buch den Begriff „Zivilmoral“ geprägt. Gemeint ist damit alles, was man eben so tut, weil es alle tun, was man halt so macht, ohne dass die Polizei kommt oder die Nachbarn es absonderlich finden. Der Synodale Weg inszeniert gerade den Kotau vor der Zivilmoral; er öffnet das Scheunentor für die Optionen der Sexuellen Revolution – mit einem Rattenschwanz von Folgen, von der Zerstörung der Ehe, der Unterminierung der klassischen Vater-Mutter-Kind-Familie bis hin zur schleichenden Akzeptanz von Abtreibung. Es besteht nämlich ein systemischer Zusammenhang zwischen unverbindlicher Sexualität und der Tötung von Kindern im Mutterleib. Darüber habe ich ein eigenes Kapitel im Buch geschrieben. Auch das Fünfte Gebot gehört in eine wirklich moderne Sexualmoral hinein – und zwar ganz nach vorne: Wenn wir wollen, dass man keine Kinder tötet, müssen wir eine andere Art von Sex etablieren. Kinder kommen nun mal von Sex. Und sind sie nicht erwünscht, kommen sie von falschem Sex. kath.net: Sie sind also radikal gegen die „neue Sexualmoral“ des Synodalen Weges? Meuser: Absolut. De Entwürfe sind eine einzige Katastrophe. Im Effekt bedeuten sie das Ende der christlichen Anthropologie, wie sie schon im ersten Buch der Bibel grundgelegt ist. Eine Kirche, die dem biblisch fundierten Masterplan Gottes keinen Flankenschutz mehr gewährt, dankt ethisch ab. Wenn die Liebe eine Gestalt hat, muss die Kirche diese Gestalt verkündigen und prophetisch gegen einen Zeit halten, in der diese Gestalt von vielen abgelehnt oder lächerlich gemacht wird. Auch wenn manche es für eine Überforderung halten, auch wenn ganze Zeitalter das Axiom nicht befolgen wollen oder vermeintlich nicht befolgen können, gilt immer noch „Kirche, du sollst nicht lügen!“
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