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Pariser Erzbischof Aupetit zu Gründonnerstag: „Können Sie verstehen, was hier gerade geschieht?“

8. April 2021 in Spirituelles, 5 Lesermeinungen
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„Dies alles zu glauben, wie wir es tun, bedeutet in den Augen der Welt, verrückt zu sein. Man muss verrückt sein, um eine Kathedrale zu bauen, die das Schatzkästchen für ein ‚einfaches Stück Brot‘ und ‚einen Tropfen Wein‘ darstellt“ Von Juliana Bauer


Paris (kath.net) Gründonnerstag 2021 in Notre Dame – Meditation und Fußwaschung
Am Gründonnerstag dieses Jahres 2021 feierte der Erzbischof von Paris nicht nur das Gedächtnis an die Einsetzung der Eucharistie, das am Abend in Saint-Germain-l’Auxerrois mit relativ wenigen Gläubigen stattfand. Er ließ es sich auch nicht nehmen, am Mittag eine österliche Betrachtung in Notre Dame abzuhalten – in Erinnerung an den furchtbaren Brand zu Beginn der Karwoche zwei Jahre zuvor. Während der Heiligen Woche stets eine kleine Zeremonie in Notre Dame zu gestalten, gehört zu seinen Wünschen, die ihm am Herzen liegen.

In einer der unzerstörten Kapellen der Kathedrale fand er sich mit zwei Amtsbrüdern, einer kleinen Gruppe von Musikern, die die kleine Gebetszeremonie umrahmten, und sechs weiteren Personen ein. Der Inhalt seiner Meditationsworte kreisten um die vom Evangelisten Johannes überlieferte Fußwaschung (Joh.13,1-17), um den Dienst Jesu am Mitmenschen, einen Dienst der Nächstenliebe, zu dem jeder Gläubige, wie der Erzbischof hervorhob, in der Nachfolge Christi aufgerufen ist. Es sei ein Dienst, in den sich die Kirche stellen müsse, „in den Dienst für alle … zu den Füßen aller.“ Den sechs ausgewählten, genannten Personen, vier Männern und zwei Frauen, wusch Erzbischof Aupetit die Füße – hingebungsvoll in der Zuneigung zum Mitmenschen.

Predigt Gründonnerstag 2019 in Saint-Sulpice – Gedanken zur Fußwaschung

Mgr Aupetits Meditationsworte erinnerten stark an seine Predigt, die er drei Tage nach dem verheerenden Brand von Notre Dame in der Hl. Messe zur Einsetzung des Abendmahls hielt. Den Brand und dessen Zerstörungskraft im Blick begann er diese mit der Frage nach dem Sinn, einer Frage, die viele in jenen Tagen an ihn richteten: „Können Sie verstehen, was hier gerade geschieht? ...“


Dann wendete er seine Gedanken in eine auch für viele Christen ungewöhnliche Richtung: er wandte sich dem Text der Fußwaschung zu (der nicht den liturgischen Text des Jahres 2019 darstellte) und erläuterte diesen in der gleichen außergewöhnlichen Weise.

„Das eigentliche Thema ist, die Logik Gottes zu verstehen“, erklärt Michel Aupetit. „In dieser Heiligen Woche leben wir zwei Überzeugungen. Die erste ist die von Ostern. Aus einem schrecklichen Übel, das Gott nicht wollte, sondern erlitt, kann Gott etwas Gutes, das größer als das Übel ist, schaffen. Dies ist die Logik von Ostern. Aus dem absolut Schrecklichen des Todes Christi schafft Gott der Vater mit der Zustimmung seines geliebten Sohnes eine immense Wohltat: die Auferstehung, die der Menschheit das ewige Leben eröffnet, und die Errettung einer Vielzahl von Menschen. Unsere zweite Überzeugung ist die der Umkehrung des Evangeliums, die wir an diesem Abend des Heiligen Gedächtnismahls leben: "Die Ersten werden die Letzten sein und die Letzten werden die Ersten sein."

Jesus fragt: „Versteht ihr, was ich gerade getan habe?"

Sicher nein, die Jünger verstehen nicht, was Jesus gerade getan hat. Das Pessachmahl, das Jesus feiert, ist kein einfaches Mahl, bei dem man einen vagen ‚Segen‘ sagen würde, wie wir es manchmal selbst tun. Es ist eine wirkliche Liturgie.

Der wesentliche Ritus ist der große Segen am Ende des Mahls, der durch ein allgemeines Händewaschen gekennzeichnet ist. Es obliegt dem Jüngsten, der aufsteht, um die Hände desjenigen zu waschen, der das Mahl leitet. Jesus, der Meister und Herr, wird sich anstelle des Jüngsten erheben und, anstatt die Hände zu waschen, wird er beginnen, die Füße eines jeden seiner Jünger zu waschen. Diese Handlung ist extrem schockierend für sie und Petrus protestiert: ‚Du wirst meine Füße nicht waschen, niemals.‘ Die Fußwaschung ist den Dienern unter den Juden und den Sklaven unter den Römern vorbehalten. Jesus bringt die jüdische Liturgie völlig durcheinander.

In der Bibel hat der Dienst zwei Bedeutungen:
Der Dienst Gottes, der von der Knechtschaft der Sklaverei befreit.
Der Dienst unserer Brüder, der nichts anderes ist, als der Dienst Gottes selbst.

Liebe Freunde, versteht ihr also, was hier gerade passiert?
Alle Religionen lehren den Menschen ausnahmslos, sich vor Gott niederzuknien. An diesem Abend aber kniet Gott vor dem Menschen. Auch dies ist eine Umkehrung im Sinne des Evangeliums. Wir stehen vor einem unglaublichen Geheimnis, das uns die außergewöhnliche Würde offenbart, mit der wir von Gott selbst ausgestattet sind. Jesus kniet vor Judas, der ihn verraten wird, vor Petrus, der ihn verleugnen wird, und vor allen anderen, die ihn verlassen werden, außer den Frauen“ (hier scheint u.a. der Schlüssel für seine Wahl zu liegen, auch Frauen, die für den Erzbischof gleichwertig sind und vor denen er eine hohe Achtung hat, „im Dienst für alle…“ die Füße zu waschen).

„Wir alle glauben, dass unsere Verdienste uns Anerkennung und Beförderung verschaffen sollten. Nun, es sind nicht unsere Verdienste, warum Gott vor uns seine Knie beugt. (Es ist) unsere Würde, die uns von Gott selbst gegeben wird.

Versteht ihr nun, warum unsere Religion echt verrückt ist?
Wir befinden uns in keiner Art von Humanismus. Wir brauchen Christus, um unsere Sicht auf Gott selbst und auf unsere Mitmenschen zu ändern. Wenn Gott vor dem Menschen kniet, knien wir an diesem gesegneten Tag, dem Tag der Einsetzung des Priestertums vor unseren Brüdern, insbesondere wir Priester und Diakone. Und das ist nicht alles. Die Verrücktheit Gottes endet dort nicht. Anstatt nur am Segen festzuhalten, fügt Jesus hinzu: „Dies ist mein Leib.“ In der Sprache der Bibel bezieht sich der Leib auf die ganze Person, in der Leib und Geist untrennbar miteinander verbunden sind. Es ist die Person Jesu, die sich wirklich selbst gibt. „Für euch hingegeben" bedeutet, dass diese Person ein „Wesen für andere" ist, ein Wesen, das geteilt wird, das kommuniziert wird. Dies alles zu glauben, wie wir es tun, bedeutet in den Augen der Welt, verrückt zu sein. Man muss verrückt sein, um eine Kathedrale zu bauen, die das Schatzkästchen für ein ‚einfaches Stück Brot‘ und ‚einen Tropfen Wein‘ darstellt.

Dies macht es aus, was ein Christ ist: Er ist einer, der nicht nur die Torheit Gottes akzeptiert, sondern der in die Torheit Gottes eintritt. ‚Denn ‚die Torheit Gottes ist weiser als die Weisheit der Menschen‘ (1.Kor.1,20-24), sagt uns der heilige Paulus. Er offenbart uns auch, was wir sind: ‚Was in der Welt töricht ist, ist das, was Gott gewählt hat.‘ Wir sind Dummköpfe. Unsere Religion ist eine Religion der Verrückten, keine Versammlung humanitärer Helfer.

Ich werde euch die wahre Definition von Verrücktheit sagen:
Verrücktheit bedeutet, seine Intelligenz in den Dienst der Liebe zu stellen.

- Méditation de Pâques à la cathédrale Notre-Dame de Paris, 1.April 2021, KTO TV
- Homélie de Mgr Michel Aupetit - Célébration de la Sainte Cène à Saint-Sulpice, Jeudi 18 avril 2019 – Homélies - Diocèse de Paris
Übersetzung für kath net: Dr. Juliana Bauer

Archivfoto Erzbischof Aupetit (c) Erzdiözese Paris


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Lesermeinungen

 Scotus 8. April 2021 

Verrücktheit bedeutet, seine Intelligenz in den Dienst der Liebe zu stellen.

Die Verrücktheit der Heiligen hat weder mit Realitätsverweigerung, noch mit Unvernunft zu tun, sondern ist selbst höchste Vernunft. Der Glaube an Gott ist nicht irrational, sondern über-rational. Oder wie Guillaume de Saint-Thierry dereinst schrieb: Amor ipse intellectus est.


1
 
 Stock 8. April 2021 
 

@doda

Warum? Weil er Maskentragen als hauptverantwortlicher Chef der Erzdiözese Paris und gelernter Mediziner angewiesen hatte. Und gottlob ist hier ein Bischof, der Kante = Konsequenzen zeigt!
Ansonsten setzte sich der Erzbischof dem todsicheren Vorwurf der mangelnden Aufsichtspflicht und der fahrlässigen Schlamperei aus. Und nun wird er gegen Verweigerer in Sachen Hygiene vorgeführt. Egal, was er macht, er wird wie alle Kritiker finden.
Im Übrigen sehe ich keinen Zusammenhang zwischen seiner theologisch-seelsorgerischen Kompetenz und seiner Verantwortung und Entscheidungshoheit in puncto Kirchenleitung.


1
 
 doda 8. April 2021 

Licht und Schatten nah beeinander

Warum aber eröffnete Bischof Aupetit ein Kirchenverfahren gegen einen Priester, der die fragwürdigen Coronamaßnahmen in der Hl.Messe nicht durchgesetzt hat?
Meldung heute bei CNA.


0
 
 Stock 8. April 2021 
 

Gute Wahl

Auch hier wieder eine für mich ungemein gehaltvolle Betrachtung. Wie hebt sich dieser Erzbischof vom nichtssagenden Gedresch vieler seiner Kollegen ab, ohne spirituell überspannt, noch mehr oder weniger offene Säkulatheologie zu verbreiten.
Nochmals vielen Dank Frau Dr. Bauer für die Vermittlung der Homilien des Erzbischofs. Anregung: Ich würde es sehr begrüßen, wenn eine Sammlung seiner Predigten etc. in Deutsch ediert würden.


3
 
 nicodemus 8. April 2021 
 

Ich hoffe, dass wir noch viel Gutes von diesem,

Pariser Erzbischof Aupetit zu hören bekommen!
Gott mit ihm!


4
 

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