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Gänswein: Debatte um Kirchenstruktur verdeckt Glaubensfragen

17. Oktober 2023 in Aktuelles, 5 Lesermeinungen
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Früherer Papst-Privatsekretär bei Vortrag in Graz: Glaubensleben und Glaubenswissen in deutschsprachigen Ländern "im freien Fall" - Aufruf zu Solidarität mit verfolgten Christen


Graz (kath.net/KAP) Eine Überbetonung von kirchlichen Strukturfragen zulasten des Glaubens hat Erzbischof Georg Gänswein kritisiert. Der langjährige Sekretär von Papst Benedikt XVI. (1927-2022), der nun in Freiburg lebt, ortete in westlichen Ländern einen "Glaubensverlust", der jedoch insbesondere in den deutschsprachigen Ländern zu wenig im Blick sei. Das Glaubensleben und das Glaubenswissen der Menschen seien "im freien Fall", sagte Gänswein am Samstag bei einer der Jahrestagung des päpstlichen Hilfswerks "Kirche in Not" in Graz.

In anderen Kontinenten sei es oft umgekehrt: Katholiken seien in vielen Ländern eine Minderheit und es gäbe nur wenig Strukturen mit kleinen Gemeinden, "aber das Glaubensleben blüht, ist freudvoll und lebendig", so der Erzbischof. Es könne hier eine Hilfe sein, "den Blick auf die Weltkirche hin zu weiten" und "Mission andersrum" zu machen. Zudem müssten Strukturen in der Kirche immer dem Glauben dienen und dürften ihn nicht ersetzen, mahnte Gänswein. Wo Strukturen keine Hilfe mehr seien für die Verkündigung des Glaubens, gelte es diese zu ändern - "und nicht den Glauben".
Als wichtig erachtete der Erzbischof, dass der Glaube zu einem guten Miteinander in der Gesellschaft beitrage. Gläubige sollten ein "Zeugnis des Glaubens ohne saure Miene geben, mit Gott im Gespräch sein, bitten und beten und ein kraftvolles, geistliches Leben führen".


Gänswein rief auch zu mehr Solidarität mit verfolgten Christen in aller Welt auf, seien doch in der Geschichte noch nie so viele Christen verfolgt worden wie in der Gegenwart. "Die verfolgte Kirche hat einen festen Platz im Gebetsleben des Papstes", berichtete der bis 2020 als Präfekt des Päpstlichen Hauses tätige Geistliche. Dabei gebe es sowohl die Absicht, materiell und politisch zu helfen, wie auch Ohnmacht. Viel passiere im Hintergrund oder könne vom Vatikan nicht öffentlich gesagt werden, "damit Menschen nicht in Gefahr gebracht werden".

Ukraine in Angst

Thema der Jahrestagung war auch die Not in der Kriegs-geprüften Ukraine. Das Sehnen der dortigen Bevölkerung sei nach jahrhundertelanger russischer Unterdrückung enorm, sagte John Reves, griechisch-katholischer Priester und Leiter des byzantinischen Gebetszentrums in Salzburg. Momentan sei erneut die Angst vor Angriffen im bevorstehenden Winter enorm, "ohne westliche Hilfe ist die Ukraine ausgeliefert", so Reves.
Der Journalist und Theologe Stephan Baier skizzierte die Entwicklung der Westukraine, wo nach Zeiten gelebter Vielfalt in der Habsburgermonarchie mir Russland Unterdrückung und Christenverfolgung gekommen sei. "Putin hält sich eine Staatskirche, die mit Geld überschüttet wird", so der Österreich-Korrespondent der "Tagespost". Als Gegenleistung heiße die Moskauer Orthodoxie den Krieg gut, mit einem "Patriarchen als Mastermind des Krieges". Baier dazu: "Wenn Kirchen Kriege fordern und fördern, dann ist das diabolisch und Heilung dringend nötig."

Von Hilfsleistungen für die Ukraine aus der Steiermark berichtete Agnes Truger vom diözesanen Welthaus. Seit dem Jahr 2000 sei man mit Projektpartnern in der Ukraine verbunden, zunächst mit pastoraler Hilfe und sozialen Projekten. Seit 2014 gehe es um humanitäre Hilfe, etwa in Ivano-Frankivsk zusammen mit der Caritas der griechisch-katholischen Kirche vor Ort. "Wir helfen beim Auftreiben von Lebensmitteln, Bekleiden, Decken, Generatoren und bei der psychologischen Hilfe, weil so viele Menschen traumatisiert sind. Eine Ohnmacht schwebt über der gesamten Gesellschaft", so die Ukraine-Projektreferentin beim Welthaus.

Copyright 2023 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
(www.kathpress.at) Alle Rechte vorbehalten

Archivfoto Erzbischof Gänswein (c) Paul Badde


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Lesermeinungen

 SCHLEGL 17. Oktober 2023 
 

Worum es gehen sollte

Hauptaufgabe der Seelsorge ist es "Die Gottesfrage" wieder ins Gespräch zu bringen. Ich habe das oft nach Begräbnissen erlebt, weil ich Fernstehende nachdenklich machen wollte. Etwa mit dem Satz (der Gretchenfrage): "Sag mir, wie hältst du's mit der Religion?" Oder der Frage, ob man glauben können ein sinnloses Leben in einem sinnlosen Universum, ausgespannt über dem Abgrund des "NICHTS" zu leben? Warum haben wir den Wunsch nach Gerechtigkeit, können überhaupt die Frage nach dem Urgrund der Welt und des Lebens stellen, wenn das sinnlos sein soll?
Die Menschen von heute sind an unsere STRUKTURFRAGEN überhaupt nicht interessiert, sie erwarten ZEUGEN, die einen lebendigen Bezug zu Gott haben, der sich in ihrem Handeln und Denken auswirkt. Ich bin oft genug in Spitälern, Seniorenheimen, auf der Straße (weil er als Priester kenntlich) angesprochen worden. Die Menschen brauchen Zeugen einer anderen Welt.


4
 
 Herbstlicht 17. Oktober 2023 
 

Nicht "Näher mein Gott zu Dir, näher zu Dir",
sondern immer näher zur Welt, ihren Ansprüchen und ihren Forderungen.
Dies scheint die Absicht so einiger Kirchenoberen in der westlichen Welt zu sein.
Das wird dann als Weiterentwicklung bezeichnet und meint damit ganz konkret: Eine "andere Kirche".

Erzbischof Gänswein sei Dank gesagt für seine Worte.


4
 
 Hängematte 17. Oktober 2023 
 

Leider konnte ich an seinem Vortrag in Graz nicht teilnehmen.

Aber am nächsten Tag, dem Sonntag, hat er (vermutlich durch Vermittlung durch Stephan Baier) überraschend in Graz-Mariahilf die Hauptmesse zelebriert und gepredigt. Ich habe mich sehr gefreut.


2
 
 Jothekieker 17. Oktober 2023 
 

Wissen kommt durch Lernen

Wo soll das Glaubenswissen denn herkommen? Eltern ohne eigenes fundiertes Glaubenswissen sind selbst bei bestem Willen vielfach überfordert und delegieren die Vermittlung des Glaubenswissens an den Religionsunterricht in den Schulen oder den Erstkommunionunterricht.

Das kann bei dem Personal, das dort wirkt, nicht funktionieren.


5
 
 Joachim Heimerl 17. Oktober 2023 
 

Wohl wahr! Der Glaube interessiert niemand mehr, nur noch eine Verweltlichung

des Glaubens, der dann aber so überflüssig geworden ist, wie wir es in der evangelischen "Kirche" und in den meisten katholischen Gemeinden ja schon heute erleben. Die Kirche bewegt sich im Blindflug auf den Crash zu und hält das mit ihren zahlreichen Bruchpiloten für "Fortschritt".


5
 

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