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,Requiem’: Über eine diesseitige Sicht hinaus

6. März 2006 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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Regisseur Hans-Christian Schmid macht mit seinem Film über die Besessenheit einer Frau die Zuschauer nachdenklich. Von José Garcia.


Köln (www.kath.net) Der bei der diesjährigen Berlinale mit dem „Silbernen Bären für die beste Darstellerin“ (Sandra Hüller) ausgezeichnete deutsche Spielfilm „Requiem“ stellt den „Klingenberg-Fall“ zwar als psychische Erkrankung dar. Für den gläubigen Christen schließt er den Einfluss anderer Mächte jedoch nicht aus.

Über den so genannten „Klingenberg-Fall“ startete im deutschen Kino Ende November ein amerikanischer Spielfilm mit dem Titel „Der Exorzismus von Emily Rose“ (DT vom 22.11.2005), der zwar in den Vereinigten Staaten spielte, aber deutsche Ereignisse weitgehend getreu schilderte: Am 1. Juli 1976 starb in Klingenberg am Main die Pädagogikstudentin Anneliese Michel, nachdem während eines längeren Zeitraumes für sie von zwei vom zuständigen Bischof ernannten katholischen Priestern der Exorzismus nach dem Rituale Romanum gebetet wurde.

Der Regisseur und Mit-Drehbuchautor Scott Derrickson konzentrierte sich vorwiegend auf die Gerichtsverhandlung gegen die im Film zu einer einzigen Person verdichteten katholischen Priester. Die Geschichte der jungen Frau wurde indes, teilweise mit Elementen aus dem „Horrorfilm“, in Rückblenden erzählt. Obwohl „Der Exorzismus von Emily Rose“ nicht den Zuschauer überwältigen wollte, ergriff er deutlich Partei für die Erklärung, die junge Frau habe die Besessenheit als „Sühne“ aufgefasst.

Nun nimmt sich der deutsche Filmregisseur Hans-Christian Schmid des gleichen Themas an. Spielt sein „Requiem“ ebenfalls Mitte der siebziger Jahre, so siedelt er die Geschichte der Anneliese Michel, die in seinem Spielfilm Michaela Klingler heißt, in der schwäbischen Provinz an. Schmid bedient sich einer linearen Erzählweise - er wendet im Unterschied zu Scott Derrickson keine Rückblenden an: Eine junge Frau sucht eine kleine Kapelle auf, wo sie ein Gebet verrichtet.

Ihr Gebet scheint erhört worden zu sein, als sie im Briefkasten einen Brief mit der Hochschulzulassung entdeckt: Michaela Klingler (Sandra Hüller) hat einen Studienplatz an der Uni Tübingen erhalten, wo sie Pädagogik studieren möchte. Kann sie auf die Unterstützung ihres Vaters (Burghart Klaußner) rechnen, so ist ihre Mutter (Imogen Kogge) eher besorgt. Denn Michaela leidet seit Jahren an Epilepsie.

Nach den ersten Wochen an der Uni, in der Michaela ein neues Leben mit Feten, Musik, der Liebe zum Chemiestudenten Stefan (Nicholas Reinke) und der Freundschaft mit ihrer Mitstudentin Hanna (Anna Blomeier) kennen lernt, fühlt sie sich laut der Filmbeschreibung im Berlinale-Programm „glücklich, das kleinbürgerliche Umfeld hinter sich gelassen zu haben“.

Filmisch drückt dies Regisseur Hans-Christian Schmid dadurch aus, dass Michaela ihr an der Uni zunächst fremdes Erscheinungsbild - Rock statt Jeans, altbackene Frisur - mit Hilfe ihrer neuen Freundin Hanna „aufpoliert“: eine pfiffige Frisur, neue Kleider spiegeln wider, in Würzburg genieße Michaela „die neue Freiheit“. Doch dann kehrt Michaela am Wochenende nach Hause zurück, um mit ihrer Familie an einer Wallfahrt nach Italien teilzunehmen.

Dort erleidet sie einen ersten Anfall: Nahezu schlafwandlerisch steht sie im Morgengrauen auf. Im Frühstücksraum wird Michaela von furchtbaren Gedanken heimgesucht. Sie will zum Rosenkranz Zuflucht nehmen, stellt aber fest, dass sie ihn gar nicht berühren kann. Ein weiteres, noch eindrücklicheres Erlebnis zeigt der Spielfilm später: In ihrem Wohnheimzimmer wird Michaela von einer unsichtbaren Hand daran gehindert, ein Kruzifix anzufassen.

Weil solche Phänomene anhalten, sucht die junge Frau Hilfe bei ihrem Pfarrer, der ihr zunächst nicht glauben mag, dann jedoch sie mit dem jüngeren Geistlichen Martin Borchert (Jens Harzer) bekannt macht. Obwohl Pfarrer Borchert mit seinen Gebeten Michaela beruhigen kann, kommt es in den Weihnachtsferien zu einer Eskalation: Zunächst bricht sie einen Streit mit ihrer Mutter vom Zaun, dann erlebt Michaela einen erneuten Anfall.

Angesicht der zunehmenden Aggressionen, in die ihre Tochter fällt, verständigen Michaelas Eltern die Priester. Nach Gesprächen im Familienkreis und einem gemeinsamen Gebet stimmt Michaela schließlich dem Exorzismus zu. Im Unterschied zum „Exorzismus von Emily Rose“ zeigt „Requiem“ immer nur eine Außenansicht Michaelas: Der Zuschauer sieht nicht, was sie sieht; er hört genauso wenig, was sie hört.

Der Regisseur hält mit seiner eigenen Meinung nicht hinterm Berg: „Man muss heute keinen aufgeschlossenen Menschen mehr davon überzeugen, dass ein Exorzismus kein geeignetes Mittel ist, um jemandem, der psychisch krank ist, zu helfen.“ Eine Meinung, die Hans-Christian Schmid etwa dadurch in Szene setzt, dass Michaela die Medikamente wegwirft, wodurch die Verschlimmerung ihres Gesundheitszustandes erklärt werden soll: „Es gibt wissenschaftliche Erklärungen für das, was Michaela da passiert, die werden nur von religiösen Menschen nicht anerkannt“, führt dazu Michaelas Darstellerin Sandra Hüller aus.

Dennoch: „Requiem“ lässt dem Zuschauer die Freiheit, selbst eine Position zu finden. Denn die Szenen, in denen Michaela auf die Gebete ihres Vaters mit Fratzen und wütendem Geschrei antwortet, und erst recht auf die Erwähnung der Muttergottes unverhältnismäßig gewalttätig reagiert, stimmen den gläubigen Menschen nachdenklich. Über die vom Regisseur dargelegte, rein diesseitige Sicht hinaus vermag er auch in „Requiem“ die Möglichkeit einer dämonischen Besessenheit, wie der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Kardinal Höffner in einer Presseerklärung zum Fall Klingenberg (28. April 1978) bestätigte, zu erblicken.

Der Beitrag erschien in der „Tagespost“ am 21. Februar 2005. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

www.textezumfilm.de



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