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Ägypten: Kopten verlangen staatlichen Schutz

24. Juni 2008 in Aktuelles, keine Lesermeinung
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Bedeutendes Kloster zerstört. Gewalt nimmt zu. Angst vor wachsendem Islamismus. - Von Stefan Beig / Wiener Zeitung


Kairo (kath.net/WIZ)
Mit ungewöhnlich scharfen Worten forderte die koptische Kirche in Ägypten Präsident Hosni Mubarak letzten Sonntag öffentlich auf, die „zunehmenden bewaffneten Angriffe auf Mönche“ und „Beleidigungen des Kreuzes“ zu verhindern. Anlass war ein Überfall am 31. Mai auf das aus dem 4. Jahrhundert stammende Abu-Fana-Kloster im oberägyptischen Ort El-Minya, das zu den ältesten Klöstern weltweit gehört.

Shenouda III. von Alexandrien, der koptische Papst, berichtete, dass mindestens 60 bewaffnete Männer am Angriff beteiligt waren. „Sie entführten drei Mönche und folterten sie. Die Mönche wurden gezwungen, ihrer Religion abzuschwören und das Kreuz zu bespucken. Als sie sich dazu weigerten, wurden sie auf Bäumen auf gehängt und geschlagen.“ Laut William Tadros, Pressesprecher der Union Orientalischer Christen in Österreich und koptischer Menschenrechtsaktivist, wurden „Mauern, Kirchen, Mönchszellen, heilige Schriften, Landmaschinen und Felder des Klosters zerstört und niedergebrannt.“ Vier weitere Mönche seien beim Überfall verletzten worden, auch der Bruder eines Mönchs wurde entführt und bislang nicht frei gelassen.

Kopten öffentlich bisher zurückhaltend

Die Lage der Kopten hat sich in Ägypten in den letzten Jahren drastisch verschlechtert. Erst wenige Tage vor dem Vorfall erschossen maskierte Männer einen koptischen Juwelier und seine drei Mitarbeiter in Kairo, ohne dabei etwas zu erbeuten. Neu ist, dass sich erstmals die Führung der koptischen Kirche in Ägypten öffentlich an Mubarak wendet. Bisher gaben nach gewaltsamen Übergriffen prominente Kopten Seite an Seite mit dem ägyptischen Staat Erklärungen ab, in denen jeder fundamentalistische Hintergrund der Angriffe bestritten und zur nationalen Einheit aufgerufen wurde. Die Täter blieben ungestraft.

Auch diesmal wollte Shenouda III. die religiöse Dimension der Auseinandersetzung nicht überbewerten; die Angreifer seien Kriminelle, die daran gewöhnt sind, Gewalt anzuwenden. Doch er richtete auch mahnende Worte an die Regierung: „Mir geht es um die Sicherheit der Mönche. Wüstenstämme auf dem Gebiet des Klosters sind gegen die Wünsche der Mönche. Die Zusammenstöße sind nicht neu, sondern begannen vor Jahren.“


Hinter den Anschlägen stecken Beduinen-Stämme, die das Wüstengrundstück des Abu-Fana-Klosters nicht anerkennen. Die Gewalt begann, als die Mönche vor einigen Jahren mit Genehmigung des ägyptischen Staates einen Zaun um ihr Grundstück errichten wollten. Laut William Tadros folgten „innerhalb der letzten fünf Jahre achtzehn Überfälle auf das Kloster. Weder Polizei noch Justiz zogen die Angreifer jemals zur Rechenschaft, obwohl sie namentlich bekannt sind.“ Vier Mal berief die Regierung eine gemeinsame Sitzung mit allen Beteiligten ein, ohne als dass die Überfälle nachher endeten.

Kritik an Kopten

Namhafte Kopten Ägyptens, die die Ausschreitungen beschönigen, wurden kürzlich vom ägyptischen Schriftsteller Ahmad Al-Aswani scharf kritisiert. „Ich weiß nicht, ob sie sich bewusst sind, dass ihre Worte das Leiden nur vergrößern und die Serie der Gewalt nicht beenden“, erklärte er auf der Website Aafaq.org. „Warum benützen sie nicht ihre Medienpräsenz, um die Gläubigen zu verteidigen? Was hier geschieht, ist der Versuch, Ägyptens Kopten zu terrorisieren, um sie entweder zur Emigration oder zur Konversion zum Islam zu zwingen. Wir haben den Punkt erreicht, wo koptisches Leben und Eigentum in geheimer Absprache mit den Autoritäten straflos beseitigt werden kann, ohne Angst vor effektiver Reaktion, und im Vertrauen darauf, dass, wie immer, alles mit öffentlichen Umarmungen vergessen wird.“

Deutlicher werden die Kopten in der Emigration. Tadros erklärt: „Die Kopten verlangen den Rücktritt des Gouverneurs von El-Minya und ausreichenden staatlichen Schutz für das Kloster. Ein Wachtposten, der sich in zwei Kilometer Entfernung vom Kloster befindet, wurde unverzüglich zu Hilfe gerufen. Die Einsatzkräfte kamen jedoch erst nach vier Stunden. Die Krankenambulanz (Roter Halbmond) verschiedener Einsatzstellen wurde alarmiert. Sie verweigerten sämtliche Hilfeleistung. Dieses Verhalten örtlicher Behörden ist bezeichnend für die Politik des Staates im Umgang mit seiner indigenen christlichen Bevölkerung. Stets wird ihr der Schutz verweigert. Der Gouverneur hat die Mönche aufgefordert, dem Haupttäter Tribut zu zahlen.“

Österreichs Kopten appellierten gemeinsam mit der Union orientalischer Christen an die Weltgemeinschaft, die UN-Ratsversammlung für Menschenrechte und die EU Kommission für Menschenrechte die ägyptische Regierung zum Schutz der koptischen Bürger aufzufordern. Laut einer Presseerklärung seien die Täter der Polizei bereits bekannt, müssten aber mit keiner Bestrafung rechnen, weil sich ihre Anschläge gegen Christen richteten.

Islamismus als Hauptursache

In den letzten Jahrzehnten verließen 1,5 Millionen Kopten ihr Heimatland. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts lebten sie weitgehend ungestört in Ägypten und durften auch öffentliche Ämter bekleiden. Das änderte sich mit dem wachsenden Druck der Muslimbruderschaft, die laut Tadros erstmals im Jahr 1952 in Suez elf Kopten tötete. Seit die Scharia unter Mubaraks Vorgänger Anwar as-Sadat zur einzigen Quelle der Gesetzgebung wurde, sind Kopten durch das Gesetz nicht mehr geschützt und können nur auf Unterstützung des Präsidenten hoffen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker berichtet, dass die Kopten bei Job- und Wohnungssuche benachteiligt würden, chancenlos seien sie bei der Bewerbung für öffentliche Ämter.

Nach Einschätzung von William Tadros ist der Islamismus, der den Staat zunehmend unter Druck setzt, an der Verschlechterung der Lage schuld. „Durch staatliche Schulen, Moscheen und Medien, die von Fundamentalisten beherrscht werden, wird ein aggressives Klima des Hasses erzeugt. Seit der Islamisierung ist das Kopftuch allgegenwärtig, koptische Frauen sind sofort erkennbar.“

Hass auf Christen nimmt zu

In den neunziger Jahren nahm die Gewalt zu. Koptische Mädchen werden entführt und zwangsislamisiert. In jüngerer Zeit gab es Pogrome gegen Kopten, etwa im Jahr 2000, als militante Islamisten im südägyptischen Dorf Al-Kosheh 21 Kopten töteten und mehrere Gebäude vernichteten. Probleme bekamen die Kopten zuletzt vor allem im Zusammenhang mit der Errichtung und Renovierung von Kirchen.

„Das Problem existiert erst, wenn Politik und Religion miteinander verbunden sind und man die andere Religion nicht aushalten kann“, meinte Anba Damian, orthodoxer Bischof für Deutschland, vor über einem Jahr im Kath.net-Interview zum Fundamentalismus. „Es werden Gerüchte verbreitet, dass Christen eine Bedrohung für Moslems wären, dabei haben sie keine Waffen, keine Lobby, kein großes politisches Gewicht. Trotzdem braucht ein Imam nur seine Leute aufhetzen und dann gehen sie auf uns los.“

Angst vor Muslimbruderschaft

Besonders groß ist die Angst vor der Muslimbruderschaft, berichtet Damian: „Als ich unmittelbar vor der Wahl des ägyptischen Parlaments in Kairo durch den Stadtteil Nasser City fuhr, sah ich Menschen, die sich scharenweise auf der Straße versammelten. Sie schrieen „Der Islam ist die Lösung“, warfen sich nieder und beteten. Ich dachte: Das ist nicht das Ägypten, das ich kenne! So viel Angst hatte ich noch nie seit meiner Geburt in Ägypten. Ich erfuhr später, dass 88 Muslimbrüder die Wahl in das Parlament geschafft haben. Es ist kein Geheimnis, dass wir Angst haben, dass die Muslimbrüder an die Macht kommen.“ Mittlerweile würden Einladungen zum Islam am Arbeitsplatz offen und laut und deutlich ausgesprochen: „Man denkt nicht an die Gefühle, nicht an das Zusammenleben mit den anderen. Man denkt nur an eine gewaltsame Islamisierung Ägyptens.“

Die Kopten sind die einheimischen Christen Ägyptens. Wie viele Kopten tatsächlich in Ägypten leben ist unklar. Die öffentlich zugänglichen Zahlen schwanken zwischen fünf und 16 Millionen (!).




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