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Es ist wie ein Rausch

18. Februar 2009 in Österreich, keine Lesermeinung
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Keiner der drei Anklagepunkte gegen Gerhard Wagner hält einer kritischen Betrachtung stand. Eine Analyse der Vorwürfe von Salzburgs Weihbischof Andreas Laun.


Salzburg (kath.net) Es sind drei Vorwürfe gegen Gerhard Wagner, die die Zeitungen wieder und wieder abgedruckt haben, und die offenbar als Beweis dafür gemeint sind, dass er ungeeignet ist, Bischof zu werden, Beweis, dass er schrecklich ist.

Diese Vorwürfe lauten: Er behauptet die Heilbarkeit der Homosexualität, er hält „Harry Potter“ für verderblich, weil die Bücher die jungen Leser in einen ungesunden Satans- und Hexenglauben führen können, und er sieht Zusammenhänge zwischen Sünde und Abfall von Gott auf der einen Seite und Naturkatastrophen wie den Hurrikan, der eine Stadt mit relativ vielen Abtreibungs-Kliniken und noch viel mehr Bordellen zerstört hat.

Soweit die Anklage, das Urteil ist bekannt: „Weg mit ihm!“, vorgetragen in einer Tonlage, die unheimliche Assoziationen zum „Kreuzige ihn!“ wecken kann. Als ich vor Jahren mein kleines Buch gegen das Kirchenvolksbegehren herausgebracht hatte und es einem anderen, älteren Bischof gab, sagte dieser: „Gut, aber ich sage Dir: Ich habe den Nationalsozialismus erlebt, es war wie ein Rausch, und dagegen helfen keine Argumente. Heute ist es wieder so, wie ein Rausch! Du wirst die Leute nicht erreichen!“

Das ist wohl wahr, es gibt viele, viele Menschen, die auf der einen Seite wissenschafts-gläubig sind, auf der anderen Seite aber immun gegen Argumente. Und doch: Die Wahrheit kann untergehen, aber sie ertrinkt nicht, man kann sie nicht besiegen. Darum muss es eine Antwort auf die drei Anklagepunkte geben. Dass die Ankläger nur drei „Beweise seiner Schuld“ nennen können, spricht zusätzlich für sich:

1. Zur „Heilbarkeit der Homosexualität“

Wenn der Arzt einem Menschen sagt, er leide an dieser oder jener „Krankheit“, kann der Betreffende erschrecken, beleidigt ist er nicht. Nun, jemand zu sagen, seine Gefühle seien „krank“ ist insofern tatsächlich ein anderer Fall, weil sich der Mensch mit diesen seinen „Gefühlen des Verlangens“ identisch fühlt und darum meint, mit dem Begriff „Krankheit“ persönlich angegriffen zu werden, obwohl schwer einzusehen, warum ein Trieb, der biologisch gesehen eindeutig zwar nicht nur, aber doch wesentlich auf Fortpflanzung gerichtet ist, nicht krank genannt werden dürfte, wenn er in die biologisch falsche, sterile Richtung geht.

Dazu kommt: Mit „heilbar“ meint man ja eigentlich nichts anderes als „veränderbar“, und damit verwandelt sich die Frage in eine wertneutrale Sachfrage, die sich in moderner Diktion so stellen lässt: Ist die homosexuelle Orientierung veränderbar, und wenn ja, ändert sie sich manchmal „von selbst“ oder nur mit Hilfe eines Psychologen oder gar Arztes?

Antwort darauf geben zunächst Tatsachen: Eine dieser Tatsachen ist: Es kommt vor, dass Männer mit Familie plötzlich erklären, sie seien homosexuell, Frau und Kinder verlassen und zu ihrem „Freund“ ziehen. Umgekehrt gibt es Homosexuellen, die den Schritt der Veränderung in der anderen Richtung tun. Zudem gibt es Menschen mit homosexueller Orientierung, die Hilfe suchen und um Hilfe bitten. Das heißt: Es gibt ganz offenkundig „Veränderung der sexuellen Orientierung in beide Richtungen.


Wer meint, gegen die gegen diese Tatsachen die „Wissenschaft“ auf seiner „ideologischen Seite“ zu haben, irrt: Der amerikanische Psychiater R. Spitzer, dessen Einfluss maßgeblich mitgewirkt hat bei der Entscheidung, Homosexualität aus der liste der „Krankheiten“ zu streichen, sagt heute auf Grund seiner Untersuchungen: die homosexuelle Neigung ist tatsächlich veränderbar!

Bedenkt man diese Fakten und hält sich vor Augen, dass vergleichbare Veränderung wie eine Geschlechtsumwandlung von der Gesellschaft heute sehr wohl akzeptiert werden, folgt: Es gibt das Recht auf Veränderung, und es wäre diskriminierend, dieses Freiheitsrecht den zunächst homosexuell empfindenden Menschen vorzuenthalten. Auch der schon genannte R. Spitzer spricht vom „Recht auf Veränderung“, und dass er nach Veröffentlichung seiner Untersuchungsergebnisse wütend angegriffen und sogar mit dem Tod bedroht wurde, spricht für sich!


Es genügt, das Wort „Heilung“ und „Therapie“ zu vermeiden, weil beide Begriffe „Krankheit“ logisch voraussetzen, und man auf die Gefühle der Betroffenen Rücksicht nehmen sollte. Nun, Wagner hat noch traditionell von Heilung gesprochen, aber der Sache nach hat er recht, es gibt Veränderung und die Homosexuellen haben ein Recht darauf, auch wenn eine Mehrheit der Betroffenen, nach dem Urteil von G. v. Aardweg, einem anderen Fachmann auf diesem Gebiet, die Veränderung nicht erreichen können, auch wenn sie es wollten.

Und deswegen, wegen einer richtigen Aussage mit einem nicht ganz glücklichen Begriff, soll ein Mann ungeeignet sein, Bischof zu sein? Man bedenke dabei: Über die Veränderbarkeit der sexuellen Orientierung eines Menschen, sagt die Kirche nichts, sie kann auch nichts sagen, dieses Urteil liegt nicht in ihrer Kompetenz: Wenn ein Bischof dazu redet, teilt er nur seine private Meinung mit, die sich allein auf seine sachlich gut oder schlecht abgesicherten Informationen stützt! Ein Kriterium dafür, ob er für das bischöfliche Amt geeignet ist oder nicht, kann ein solches Urteil auf keinen Fall sein!

2. Zum Urteil über Harry Potter

Wer es wissen will, braucht nur im Internet Stichworte wie Teufel, Hexen, Zauberei eingeben und er wird sehen! Die Welt der dunklen Mächte oder auch nur kranker Fantasien, der Betrüger und Lügengeister ist weit verbreitet! Wie kann es auch anders sein:

Nach einem berühmten Wort hausen auf verwaisten Altäre tatsächlich die Dämonen (Ernst Jünger)! Eine Veränderung, die ihre Logik in sich trägt: Wenn sich die Welt von Gott abkehrt, entsteht nicht eine Welt der Vernünftigkeit und der Millionen, die sich brüderlich umschlingen, sondern eine Welt, in die alte Ängste zurückkehren, die vom Aberglauben beherrscht wird und in der die uralten, unausrottbaren Triebe der Herrschsucht, der Geldgier und der Grausamkeit den Ton angeben.

Darum ist es durchaus verständlich, dass ein Priester sich besorgt zeigt, ob „Harry Potter“ in Jugendlichen nicht vielleicht doch Türen für unreine Geister und Fantasien öffnet, vor denen er warnen sollte. Allerdings, die Meinung über Harry Potter ist in der katholischen Welt geteilt, einige sind besorgt (wie z.B. Frau Kuby), andere halten sie für harmlos (P. Walthard Zimmer).

Hier ist nicht die Frage, wer mehr Recht hat, klar aber ist: Es ist verständlich und legitim, besorgt zu sein. Nun, Gerhard Wagner ist besorgt, und er mag sich irren, aber immerhin hat er gezeigt, dass er ein aufmerksamer Wächter für die ihm Anvertrauten ist. Sicher ist: Wenn Gerhard Wagner zur „besorgten Fraktion“ gehört, ist das absolut keine Disqualifikation für ihn.

3. Hurrikan und „Gottesstrafe“

2005 zerstörte der Hurrikan Katrina New Orleans. Pfarrer Wagner kommentierte das Ereignis in seinem Pfarrbrief folgendermaßen: „Der Hurrikan ‚Katrina‘ hat nicht nur alle Nachtclubs und Bordelle vernichtet, sondern auch alle fünf (!) Abtreibungskliniken. Wussten Sie, dass 2 Tage danach die Homo-Verbände im französischen Viertel eine Parade von 125.000 Homosexuellen geplant hatten? Wie erst so langsam bekannt wird, sind die amoralischen Zustände in dieser Stadt unbeschreiblich.“

Angesichts dieser Lage fragte Wagner: „Ist die auffallende Häufung von Naturkatastrophen nur eine Folge der Umweltverschmutzung durch den Menschen, oder mehr noch die Folge einer ‚geistigen Umweltverschmutzung‘? Darüber werden wir in Zukunft verstärkt nachdenken müssen.“ Nun, dieser Versuch Wagners, das Theodizeeproblem zu lösen, wurde von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien in einer offiziellen Stellungnahme als „theologisch unhaltbare Kommentierung von Naturereignissen“ verurteilt. Soweit die Worte Wagners, aus denen ihm jetzt zusammen mit den beiden anderen Vorwürfen ein Strick gedreht werden soll.

Aber auch dieser Anklagepunkt ist mehr als unzureichend: Erstens nimmt Wagner das Wort „Strafe Gottes“ nicht in den Mund und zweitens urteilt er nicht wirklich, sondern lädt nur ein, über einen möglichen Zusammenhang von Sünde und Unglück nachzudenken, nicht mehr und nicht weniger, es geht ums Nachdenken!

Die Gegner werden einwenden: Ja, aber hinter dieser Einladung zum Nachdenken steht deutlich erkennbar das Urteil: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der „geistigen Umweltverschmutzung“ und dem schrecklichen Naturereignis. Tatsächlich, Wagners Aussage suggeriert dieses Urteil, aber er behauptet nicht, den genauen Zusammenhang zu kennen, er bleibt vorsichtig.

Daraus ergibt sich die Frage: Steht dieser Gedanke im Widerspruch zum Glauben der Kirche? Nein, das tut er eindeutig nicht, er täte es nur in einer Art mathematischen Zuordnung: Da Sünde, dort Unglück, großer Sünde entspricht großes Unglück, kleiner Sünde kleines Unglück! Jesus hat in der Geschichte vom Blindgeborenen solche Rechnung eindeutig zurückgewiesen!

Aber angesichts der Toten, die der einstürzende Turm von Schiloach unter sich begrub, sagte derselbe Jesus: „Jene achtzehn Menschen, die beim Einsturz des Turms von Schiloach erschlagen wurden: Meint ihr, dass nur sie Schuld auf sich geladen hatten, alle anderen Einwohner von Jerusalem aber nicht?“ (Lk 13,4). Im Anschluss daran erzählt Lukas das Gleichnis vom Feigenbaum, der keine Früchte trägt, zunächst noch eine Chance bekommt, dann aber, wegen seiner Unfruchtbarkeit, umgehauen werden soll!

Erst recht entspricht der Gedanke, Unglück könnte auch mit Sünde zu tun haben, dem Alten Testament: In der Erzählung von der Sintflut, von Sodom und Gomorra, in den Texten aller Propheten, allgemein in dramatischer Bildrede: Weil die Menschen überheblich wurden und Gott vergaßen, „deshalb wurde ich für sie zu einem Löwen, wie ein Panther lauere ich am Weg. 8 Ich falle sie an wie eine Bärin, der man die Jungen geraubt hat.“ (Hosea 13, 7-8).

Und nicht zuletzt: Die katholische Kirche müsste „Fatima schließen“, wenn sie glauben würde: Es gebe keinerlei Zusammenhang zwischen Sünde und Unglücksfällen, seien es Unglücksfälle, die von Menschen gemacht sind, seien es Naturkatastrophen! Und was hat Wagner getan? Er hat nur, gut biblisch, gut katholisch das Nachdenken über diese sich daraus ergebenden Fragen angeregt! Kein Verstoß gegen ein Dogma der Kirche, nein, wirklich nicht, aber viele der Ankläger leugnen eine ganze Reihe katholischer Lehren!

Man kann sagen, das von ihm angesprochene Thema ist heikel, kann leicht benützt werden, um aus der Frohbotschaft eine Drohbotschaft zu machen, nur – das hat Wagner nicht getan und dass er das schwierige Thema im Pfarrbrief nicht erschöpfend abgehandelt hat, wird ihm auch der erbittertste Feind nicht zum Vorwurf machen können!

Das Ergebnis erinnert an den Prozess Jesu: Keiner der Anklagepunkte hält einer kritischen Betrachtung stand, sie sind null und nichtig. Es ist jedem Christen erlaubt zu denken, es hätte einen besseren Kandidaten gegeben als Wagner, aber zu behaupten, er wäre ungeeignet wegen seiner Ansichten“ ist Unsinn!


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