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Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch

28. Juni 2010 in Spirituelles, keine Lesermeinung
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Grazer Bischof Kapellari bei Predigt bei Priesterweihen in Graz-Seckau: Zölibat ist kein Auslaufmodell. Wenn er nicht gelingt, ist er ein Ärgernis


Graz (kath.net)
Kath.Net dokumentiert die Predigt im Wortlaut:

Liebe hier versammelte Christen – Frauen, Männer und junge Menschen – und in ihrer Mitte liebe Bischöfe, Priester und Diakone und besonders Ihr, liebe Kandidaten zur Priesterweihe!

Dieser Sonntag, in zeitlicher Nähe zum Fest der Apostel Petrus und Paulus, ist für die Diözesen Graz-Seckau und Masan ein Tag besonderer geistlicher Freude, weil fünf Männer das Sakrament der Priesterweihe empfangen. Sie sagen ein unpathetisches aber klares Ja zu einer Lebensform, die sie auf besondere Weise zu einer Ikone Jesu Christi verwandeln kann und verwandeln soll.

Christus nachzufolgen ist eine Einladung, ein Auftrag, der grundsätzlich jedem Christen zugedacht ist. Unter den Menschen, die diese Zumutung im besten Sinn des Wortes Zumutung radikal annehmen, sind nicht nur Priester, Ordensfrauen und Ordensmänner, sondern in jeder Generation auch unzählige Laienchristen – Frauen und Männer –, die in verschiedensten Berufen, Lebensmodellen und Lebensaltern und besonders auch als Eheleute ein klares christliches Profil ausprägen abseits von träger Bequemlichkeit, abseits von der Gier des Alles-Haben-Wollens und – positiv gewendet – ausgerüstet mit einer fröhlichen Hoffnung, die auch in Krisen standhält, weil sie sich im Schauen auf den gekreuzigten und auferstandenen Christus, im Gebet und im Empfang der Sakramente immer wieder erneuert.

Ungemein breit und bunt ist das Panorama unserer katholischen Weltkirche. Ungemein bunt ist auch das Gesamt der Dienste und der Charismen, der Gnadengaben Gottes, die diese Kirche beleben, immer wieder reinigen und vor Erstarrung bewahren.

In diesem Horizont steht unverwechselbar und unverzichtbar auch das Weihepriestertum, das heute Euch, liebe Kandidaten zur Priesterweihe, anvertraut wird nicht nur als eine Funktion, die man leicht wieder abgeben kann, sondern als ein Siegel, das Euch dauerhaft prägen soll. Das Weihesakrament gibt Euch die Vollmacht und den Auftrag, in Einheit mit den Bischöfen der Eucharistie „in persona Christi“ vorzustehen inmitten der liturgischen Gemeinde und zugleich ihr gegenüber. Und das Weihesakrament gibt den Auftrag und die Vollmacht, im Namen Christi und der Kirche Sünden zu vergeben.


Liebe Weihekandidaten! Ihr empfangt das Weihesakrament in einer Zeit vieler Umbrüche und Abbrüche in der Zivilgesellschaft, die daher in ihrer Stabilität besonders herausgefordert ist. Gleiches gilt für die Katholische Kirche. In dieser Zeit ist es für die Kirche nicht leicht, die Balance zu finden zwischen Breite und Tiefe, zwischen sozialem Engagement und mystischer Versenkung in das unergründliche Geheimnis Gottes, zwischen dem unverzichtbaren Dienst an der Institution und Verfassung der Kirche und charismatischer Offenheit für Neues.

Viele Menschen sprechen im Blick auf die Kirche in unserem Land und in vielen damit vergleichbaren Ländern generaldiagnostisch von einer Krise und sie weisen besonders auf die Wunden der Kirche hin, die durch Verfehlungen von Priestern und Ordensleuten in Jahrzehnten entstanden und nun in Serie wieder aufgebrochen sind. Mit all dem müssen und wollen wir als Kirche ehrlich umgehen und nichts daran darf – wie ich mehrmals öffentlich gesagt habe – kleingeredet werden. Diesbezüglich haben wir in Österreich und auch in der Steiermark allgemein bekannte Schritte – zuletzt bei der erst wenige Tage zurückliegenden Bischofskonferenz in Mariazell – getan und werden auf diesem Weg beharrlich weitergehen.

Viele verweisen auch auf verbreitete Defizite an Glaubenswissen und Glaubensmut unter den Katholiken und den Christen überhaupt. Und viele fordern Veränderungen von Strukturen, die als überholbar angesehen werden. Aber es gibt in der Gesellschaft im Ganzen wie auch in der Kirche heute nicht nur Abbrüche und Umbrüche. „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch“, hat der Dichter Hölderlin prophetisch gesagt. Und so gibt in der Kirche heute auch Aufbrüche, die aber freilich meist nicht spektakulär sind. Das wahrzunehmen, an Wunden mitzuleiden und erneuernde Aufbrüche verantwortungsvoll mitzugestalten, ist besonders auch den Hirten in der Kirche aufgetragen und zu einem Hirtendienst werdet auch Ihr, liebe zukünftige Priester, berufen.

Unsere Katholische Kirche bindet – ausgenommen ihre unierten Teilkirchen mit östlicher Tradition – das Amt und den Dienst des Priesters an die Lebensform des Zölibates, wie ihn Jesus selbst, aber auch der Apostel Paulus und seither unzählige Männer im apostolischen Dienst gelebt haben und leben zum großen Segen für Kirche und Gesellschaft. Diese Lebensform ist kein Auslaufmodell. Sie ist, wo sie gelingt, von jeher eine positive Provokation, weil sie die Welt, die Existenz aus einer drohenden Verschließung in sich selbst aufbricht, denn, so hat der Apostel Paulus gesagt, die Gestalt dieser Welt vergeht und die Kirche hält die Welt auch zeichenhaft auf das dann Kommende hin offen.

Der Zölibat ist freilich, wenn er nicht gelingt, ein Ärgernis und Verfehlungen gegen ihn verleiten leicht zur irrigen Meinung, er sei prinzipiell nicht lebbar; er sei so etwas wie eine „mission impossible“. Aber auch wenn vieles im Leben nicht gelingt, sagen immer wieder Männer und Frauen Ja zu einer Ehe, die nicht nur auf Probe angelegt ist. Und andere sagen Ja zu einem Ordensleben als Frau oder Mann, das bis zum Sterben verbindlich sein soll. Und Männer sagen Ja zu einem Leben als zölibatäre Priester. Sie werden sich freilich nur dann nicht zu verschrobenen Junggesellen verformen, wenn sie sich tief von den drei evangelischen Räten zu Armut, Keuschheit und Gehorsam prägen und inspirieren lassen. Ein ehrlich gelebter Zölibat gelingt nur, wenn er verbunden ist mit einem Verzicht auf materielle Habgier und auf einen eigenbrötlerischen Individualismus.

Liebe Christen! „Gott braucht Menschen“ so lautete der Titel eines französischen Buches, das vor rund sechzig Jahren von vielen gelesen wurde. Es handelte von einem Priester, der so etwas wie ein Held war inmitten eines unspektakulären Alltags. Damals gab es viele ähnliche Bücher über Priester von großen Autoren wie Georges Bernanos oder Bruce Marshall. Das Priesterbild dieser klassischen Bücher aus den fünfziger Jahren des XX. Jahrhunderts ist trotz allem Wandel seither nicht einfach überholt. Es wird aber heute, so glaube ich, an den beiden einander entgegen gesetzten Flügeln des breiten Spektrums der heutigen Kirche wenig verstanden. Weder eine ängstliche konservative Erstarrung noch eine eilfertige Anpassung an Gesellschaft und Zeitgeist prägen einen Priester aus, der unter den heutigen Bedingungen wirklich eine ausstrahlende Ikone Christi sein kann.

Liebe Weihekandidaten!
Sehr viele freuen sich über Euch und sehr viele tragen das Weiheversprechen mit, das Ihr heute gebt, und sie beten darum, dass Ihr trotz Schwierigkeiten, die niemandem erspart bleiben, fromme, menschenfreundliche, fröhliche, beständig lernende, wetterfeste und missionarische Priester sein werdet. Diese gefährdeten Eigenschaften wünschen wir aber nicht nur Euch, sondern uns allen, die hier zu Eurer Weihe versammelt sind. Gott möge gnädig vollenden, was er in uns begonnen hat.


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