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Türkei: Experte sieht derzeit kaum Chance auf Genozid-Anerkennung

10. April 2015 in Chronik, 3 Lesermeinungen
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Historiker Prof. Grulich im "Kathpress"-Gespräch über Hintergründe des Armenier-Völkermordes vor 100 Jahren und die mangelnde Aufarbeitung durch die Türkei wie auch durch den Westen


Wien (kath.net/KAP) Kaum Bewegung in der Türkei kann der deutsche Kirchenhistoriker Prof. Rudolf Grulich hinsichtlich der Anerkennung des Völkermordes an den Armeniern vor 100 Jahren erkennen. Er wolle aber Zweckoptimist bleiben, so Grulich im "Kathpress"-Gespräch. Die Reformbemühungen der Regierung Erdogan hätten nach den Anfangsjahren inzwischen ihren Schwung weitgehend verloren. Statt Reformen habe der türkische Nationalismus ungeahnte Ausmaße angenommen und sei fast zu einer Art neuer Religion geworden, so Grulich.

Der Genozid der Jahre 1915 bis 1918, der bis zu eineinhalb Millionen armenischer Christen das Leben kostete, wird von der türkischen Regierung bis heute nicht anerkannt. Sie behauptet, es habe ihn in dieser Form nie gegeben. Zwar bestreitet sie nicht Hunderttausende Tote. Doch die Gewalt und die Deportationen seien Folge von bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen, von Hunger, Seuchen und Not gewesen.

Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte vor einem Jahr, damals noch als Ministerpräsident, zumindest einen kleinen Schritt auf die Armenier zugemacht und von einer menschlichen Pflicht gesprochen "das Gedenken der Armenier an die Erinnerung an das Leid, das die Armenier zu jener Zeit durchlebt haben, zu verstehen und es mit ihnen zu teilen." Von einer Anerkennung des Völkermordes ist die offizielle Türkei damit freilich noch meilenweit entfernt. Nach wie vor müssen innertürkische Kritiker der offiziellen Sichtweise Strafverfolgung aufgrund des umstrittenen Artikels 301 des Strafgesetzbuches rechnen. Dieser stellt unter anderem eine "Beleidigung der türkischen Nation" unter Strafe.


Die Entwicklung in der Türkei hätte möglicherweise aber auch anders verlaufen können, wie Prof. Grulich gegenüber "Kathpress" meinte. Ansätze, dass die Türkei den Völkermord aufarbeitet, habe es bereits nach dem Ersten Weltkrieg gegeben. 1919 habe in Istanbul ein Kriegsverbrecherprozess gegen Verantwortliche für das Armeniermassaker stattgefunden, bei dem man u.a. die drei Rädelsführer - Enver Pascha, Cemal Pascha und Talaat Pascha - in Abwesenheit zum Tode verurteilte.

Natürlich sei der Prozess in Istanbul unter starkem Druck der Siegermächte des Ersten Weltkriegs gestanden, räumte Grulich ein. Die Engländer, die in Konstantinopel Truppen hatten, hätten den Prozess durchgesetzt. Aber es sei ein türkisches Gericht unter dem Sultan gewesen, das ihn geführt hatte.

Die Stimmung in der Türkei sei dann gekippt, als die Siegermächte versuchten, die Türkei unter sich aufzuteilen. Griechische Truppen begingen in Izmir ein Massaker an der türkischen Bevölkerung und drangen weiter in die Türkei ein. Italienische Truppen standen in Antalya, französische in Kilikien. Der Friedensvertrag von Sevres (1920) hatte die Türkei so amputiert, dass vor allem Griechenland die Situation für einen Angriff auf die Resttürkei nutze. Als Mustafa Kemal Atatürk erkannte, dass die Siegermächte moralisch mit zweierlei Maß vorgingen, schwenkte er von seiner vormaligen Abneigung gegen die Verantwortliche des Völkermordes ab. Er habe in Folge auch Kriegsverbrecher, die führend bei Massakern beteiligt waren, in die Regierung aufgenommen, erläuterte Grulich. 1923 erließ die türkische Regierung unter Atatürk schließlich eine allgemeine Amnestie.

Dass es sich tatsächlich um einen Völkermord handelt, sei spätestens Anfang der 1920er-Jahre klar gewesen, führte der Historiker weiter aus. 1921 wurde Talaat Pascha von einem armenischen Studenten in Berlin ermordet. Im folgenden Prozess seien die Vorgänge im Osmanischen Reich gründlich aufgearbeitet worden. Zahlreiche Berichte von Zeugen ergaben ein klares und eindeutiges Bild. Der Student wurde letztlich freigesprochen.

Außer den Armeniern selbst war nach 1921 keine Land mehr ernsthaft an einer Aufarbeiten der Vorkommnisse geschweige denn an der Verfolgung der Täter interessiert. Wie Prof. Grulich weiter sagte, habe das Desinteresse der Weltöffentlichkeit an dem Genozid besonders auch Adolf Hitler interessiert. Noch vor dem Polenfeldzug 1939 solle dieser zu Vorhaltungen seiner Gefolgsleute, was die Weltöffentlichkeit zum Mord an den Juden sagen werde, gesagt haben: "Wer spricht heute noch von den Armeniern?"

22 Staaten haben den Genozid inzwischen anerkannt, Deutschland und Österreich seien freilich nicht dabei, kritisiert Grulich und ortete fehlenden Mut. Für Wirtschaftsinteressen lasse man die orientalischen Christen fallen, so Grulich. Er appellierte zugleich an den Westen, die letzten Christen in der Türkei nicht im Stich zu lassen.

Skepsis gegenüber Heiligsprechung

Sehr skeptisch äußerte sich der Historiker zur bevorstehenden pauschalen Heiligsprechung der rund 1,5 Millionen Armenier, die beim Genozid ums Leben kamen. Diese Heiligsprechung soll im Rahmen einer Feier der armenisch-apostolischen Kirche am 23. April im armenischen Etschmiadzin erfolgen. Nach Ansicht des deutschen Historikers seien die Menschen damals aber wegen ihrer Nationalität ermordet worden, nicht wegen ihres Glaubens.

Prof. Rudolf Grulich – Vortrag: Die Türkei und Europa - Wie geht es den Christen? (Hinführung von Michael Ragg)


Arte Doku (2011): Aghet - Der Völkermord an den Armeniern - Doku komplett


Copyright 2015 Katholische Presseagentur KATHPRESS, Wien, Österreich
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