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Wer macht die Gesetze? Das Ringen um die Embryonenforschung in der EU

vor Minuten in Aktuelles, keine Lesermeinung
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Kommentar von Gudrun Lang in "Die Tagespost"


Gesetze zu machen ist eine Sache, Geld zu vergebeneine ganz andere, so könnte man meinen. Erfahrene Stimmen hört man aber desöfteren betonen: "Der Finanzminister schreibt die Gesetze." Wenn derWahrheitsgehalt dieser Aussage in Prozentsätzen anzugeben wäre, würde er beieiner Sache unverhältnismäßig hoch sein: in der Forschung. Einen Bereich derForschung zu verbieten ist eine Sache, ihn finanziell nicht zuunterstützen, kommt ihr praktisch fast gleich. Darum die emotionalenDiskussionen in den USA bezüglich der embryonalen Stammzellenlinien und soviel Aufregung um den "Bush-Kompromiss" , nur die schon bestehenden zufördern. Das Europäische Parlament findet sich nun in einem noch komplexerenDilemma. Einerseits fehlen ihm die formal- und vielleicht auch diemateriellrechtlichen Kompetenzen, um die Forschung an Embryonen zuregulieren. Trotzdem hat es die Möglichkeit, als moralische Instanz dazuStellung zu nehmen. Andererseits sieht sich das europäische Parlament nundamit konfrontiert, bei der Vergabe der Forschungsförderung doch zu dieserThematik eine Stellung mit praktischer Relevanz beziehen zu müssen.

ZweiAusschüsse beschäftigten sich des längeren mit beiden Aufgaben: Der spezielldazu eingerichtete Ausschuss für Humangenetik war auf der Suche nach einer"europäischen Ethik" , finalisiert in dem nach dem Berichterstatterbenannten "Fiori-Bericht" . Und der Industrieausschuss formulierte im"Caudron-Bericht" Richtlinien, für welche Arten der Forschung europäischeGelder verwendet werden sollten. Der aufmerksame Beobachter kommt zu demSchluss: In den ethisch umstrittenen Fragen baut also der Industrieausschußauf dem Ergebnis des Humangenetikausschusses auf. Doch nicht so dasEuropäische Parlament! Nach monatelangem Tauziehen um Inhalte undFormulierungen, hatte man den "Fiori-Bericht" fertiggestellt.Überraschenderweise hatte man anfängliche Schwierigkeiten mitseiltänzerischer Grazie überwunden: Aus "ethischem Pluralismus" waren"ethische Prinzipien" geworden, Embryonen waren plötzlich wiederschutzwürdig, und das Klonen von Menschen ein Verstoß gegen deren Würde. Einsteiniger Weg war es gewesen zu diesem Ergebnis, die Meinungen geteilt querdurch die Fraktionen und nach 540 Änderungsvorschlägen und sieben StundenAbstimmung hatte man den Bericht mit 18 zu 13 Stimmen angenommen.

Der Inhaltdes "Caudron-Berichts" stellt sich ganz anders dar. Die Abgeordneten hattenbeschlossen, sogar die vernichtende Forschung an überzähligen Embryonen ausIn-vitro-Fertilisation zu finanzieren. Nicht nur, dass damit Unionsgelder ineinen Bereich investiert werden würden, der in einem Drittel derMitgliedsländer kriminell ist. In erster Linie ist es dieInstrumentalisierung des Menschen, die hier erschreckt, und die schwerwiegende Folgen nach sich zieht. Beide Berichte sollten nun an diesemDonnerstag in Straßburg verabschiedet werden. Nach Vorstellung derchristdemokratischen EVP-Fraktion in der naheliegenden Reihenfolge: Zuerst"Fiori", dann - den vorhergehenden berücksichtigend - "Caudron".

Dass diesden Befürwortern einer ,Forschung um jeden Preis' nicht ins Konzept passte,muss nicht erläutert werden. Dass die stimmenstärkste Fraktion, die EVP, dieliberal-politische vor der demokratischen Logik passieren ließ, dagegenschon. Die liberale Abgeordnete Thors hatte mit einer bewundernswerten Ideeihrer, mit dem Maß der Verbesserung des "Fiori-Berichts" gewachsenenFrustration Luft gemacht: Würde man zuerst "Caudron" verabschieden, hätteman aufgrund der freizügigen Ausgangsposition zumindest Gelder für dieForschung an Embryonen - wenn sich auch das Parlament später mit demmoralischen Zeigefinger dagegen aussprechen würde. Denn "Fiori" würdesowieso nicht ernst genommen werden - warum sollte sich dann das Parlamentselbst ernst nehmen. Nicht dumm. Aber auch nicht fair. Das Dach wird vor demHaus gebaut. Das Argument, in dem man die Idee verpackt: Man brauche mehrZeit, um über die ethischen Fragen nachzudenken. Die unglücklichen Umstände:Nur die Hälfte der Abgeordneten waren anwesend. Das Ergebnis: Die Diskussionvon "Fiori" wurde auf den 29. November verlegt. Man diskutiert also dasethische Fundament zwei Wochen nach der Entscheidung über dieForschungssubventionen. Was bleibt, ist die Hoffnung, durchÄnderungsvorschläge im Plenum das Schlimmste verhindern zu können.

Dochdieser Ausweg ist gefährdet - durch eine heillos zerstritteneChristdemokratie: Einige Abgeordnete scheinen sich in der Fraktion geirrt zuhaben und vertreten vehement eine völlige Schutzlosigkeit des menschlichenEmbryos, andere opfern ihre Überzeugungen dem politischen Kompromiss. Nurein kleinerer, mutiger Rest beharrt um jeden Preis auf seinem Standpunkt.Weil die Geldvergabe die Gesetze schreibt, könnte diese Zersplitterungvielen Embryonen das Leben kosten.



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