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'Gestalt und Form der Liturgie müssen erhalten bleiben'

vor Minuten in Weltkirche, keine Lesermeinung
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Kardinal Ratzinger nimmt Stellung zu Heilungsgebeten im Rahmen von Gottesdiensten Von Marie Czernin / DIE TAGESPOST


Rom (DT)
Für Verwirrung hatten vor einer Woche Nachrichten von einem Kongress über die "umstrittenen Heilungsgebete" in der charismatischen Bewegung der katholi-schen Kirche gesorgt (DT vom 13. November), der am Wochenende zuvor in einem Marienwallfahrtsort am Stadtrand Roms stattgefunden hatte. Ein Satz, der sich auf das im vergangenen Jahr von der Glaubenskongregation veröffentlichte Dokument "Instruktion über die Gebete um Heilung durch Gott" bezog, scheint besonders diejenigen verunsichert zu haben, die der charismatischen Erneuerung nahe stehen: "Die Glaubenskongregation verwarf auch die Auffassung, dass bestimmte Teilnehmer von Gebetstreffen über ein exklusives ,Heilungscharisma' verfügten und Heilungen unmittelbar von Gott erwirken könnten." Der eigentliche Sinn dieses Satzes ergibt sich jedoch erst, wenn man im Dokument weiterliest, wo es heißt: "Es ist offensichtlich, dass der heilige Paulus in seinen Hinweisen auf die verschiedenen Charismen in 1 Kor 12 die Gabe der ,Heilungscharismen' nicht einer besonderen Gruppe - den Aposteln, den Propheten, den Lehrern, denen, die das Amt der Leitung innehaben, oder anderen - zuordnet. Die Zuordnung der Charismen erfolgt nach einer anderen Logik: ,Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will' (1 Kor 12,11)."

Nicht Sache einer speziellen Gruppe in der Kirche

Im Dokument der Glaubenskongregation wird daraus gefolgert, dass es "völlig willkürlich" wäre, "wenn in den Gebetstreffen, bei denen Heilungen erfleht werden, irgendeiner Gruppe von Teilnehmern, etwa den Leitern der Gruppe, ein ,Heilungscharisma' zugeschrieben würde; man muss sich vielmehr dem ganz freien Willen des Heiligen Geistes anvertrauen, der einigen ein besonderes Heilungscharisma schenkt, um die Macht der Gnade des Auferstandenen zu offenbaren." Auf die Frage, ob sich das Heilungscharisma auf eine spezielle Gruppe in der Kirche beschränken dürfe, erklärte der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Joseph Ratzinger, gegenüber der "Tagespost": "Dieser Aspekt des Dokuments ist ganz notwendig und muss respektiert werden, damit sich nicht eine spezielle Gruppe von Heilern herausbildet, die sich dabei aus der Gesamtheit des geistlichen Lebens lösen würde. Wir müssen dem Heiligen Geist schon die Freiheit lassen. Er kann benützen, wen er will."

Der Kardinal legte weiterhin dar, auf was die Glaubenskongregation in ihrer Instruk-tion besonderen Wert gelegt hatte: "Wir haben in diesem Dokument ausdrücklich den Zusammenhang von Glauben und Heilung herausgestellt und auf die schönen Stellen in der Bibel hingewiesen, in denen gezeigt wird, dass die Sendung des Heilens für den Glauben wesentlich ist. Aber wir haben dann auch Normen gegeben, damit alles in der rechten Weise geschieht. Denn in der Vergangenheit sind bei solchen Heilungsgottesdiensten doch auch starke Missbräuche eingetreten, was dann ins Exzentrische und Magische geführt hat, und somit die innere Gestalt und Form der Liturgie gesprengt worden ist. Dabei stand dann nicht mehr der Herr im Mittelpunkt, sondern die Sensation, was jedoch gerade vom Heiland bei seinen Heilungen immer abgelehnt wurde." Der Kardinal vermied es, irgendwelche Namen zu nennen, und fuhr fort, indem er auf die christozentrische Bedeutung des Heilungsgebetes verwies: "Jesus sah körperliche Heilungen als Wege zu einer tieferen Heilung, um das Wort Gottes zu vernehmen und von innen her geheilt zu werden. Wo die Menschen nur Wunder wollten, hat er es abrupt abgelehnt, Heilungen zu wirken. Wir versuchen einfach, diese Haltung des Herrn aufzunehmen. Der Glaube ist heilend. Ja, die Heilung des Leibes gehört dazu. Aber alles muss in seiner Ordnung bleiben: Die Liturgie hat ihre Gestalt, in der bestimmte Gebete um Heilung möglich sind. Aber das zentrale Ereignis darf nicht verdeckt werden durch Dinge, die ins Sensationelle abdriften."

Klar wird in dem Dokument zwischen dem Exorzismus und dem Gebet um Heilung unterschieden, wobei "streng verboten" wird, "solche Exorzismusgebete in die Feier der heiligen Messe, der Sakramente oder des Stundengebetes einzufügen." Weiter unterscheidet das Dokument zwischen "liturgischen" und "nicht liturgischen Heilungsgebeten", wobei als "liturgische Heilungsgebete" diejenigen gelten, die "in den liturgischen Büchern enthalten" und "von der zuständigen kirchlichen Autorität approbiert sind". "Nicht liturgische Heilungsgebete" sollten hingegen in außerliturgi-schen Andachtsformen oder Gebetstreffen frei formuliert werden.

Auf die Frage, ob man freie Gebete um Heilung auch im Rahmen der Liturgie, etwa nach der Kommunion, sprechen dürfe, wie dies bei charismatischen Gottesdiensten bis jetzt öfter der Fall war, antwortete der Kardinal: "Das kann man natürlich schon, denn nach der Kommunion ist ja der Moment, wo sich das Herz Jesu öffnet und wo man dann am besten zu ihm sprechen kann. Wir hoffen darauf, dass Gott in die-sem Moment besondere Gnaden ausgießt, aber wir können ihn nicht erpressen. Wenn er sie schenkt, dann dürfen wir uns darüber freuen."

"Dieses Dokument der Glaubenskongregation ist für uns und für alle, die der Dis-ziplin der Kirche folgen wollen, sehr ermutigend", erklärte jetzt ebenfalls gegenüber der "Tagespost" der indische Priester Jose Vettiyankal aus Kerela. Der Vinzentinerpater leitet zur Zeit in Bangalore ein Exerziti-enzentrum, in dem an jedem Samstag um die tausend Menschen an einem Heilunggottesdienst teilnehmen. "Leider haben wir nur für tausend Platz. Wenn wir noch etwas mehr Platz zur Verfügung hätten, würden noch viel mehr Leute kommen. Im Exerzitienzentrum in Kerela, wo ich zuvor tätig war, versammeln sich hingegen jedes Wochenende zehntausend Menschen. Man kann sagen, das bei jedem Heilungsgebet etwa zwanzig Prozent der Menschen, die wegen irgendeines Leidens zu uns kommen, geheilt werden" beteuerte Pater Jose.

Auf die Frage, zu welchem Zeitpunkt er das Heilungsgebet sprechen würde, antwortete der Vinzentinerpater: "Ich spreche die Heilungsgebete vor oder nach der heiligen Messe, das heißt nach dem Segen", und er fügte weiter hinzu: "Die Liturgie verfügt ja über ihre eigene Schönheit und ihre schönen Gebete, und niemand hat das Recht, etwas in der Liturgie zu verändern. Wenn der Priester hingegen etwas verändert, dann vermisst das an der Messe teilnehmende Gottesvolk Grundlegendes. Sie zehren ja nicht vom Vorteil der Gebete des einzelnen Priesters, sondern vom Vorteil der Kirche als ganzes. Das Gottesvolk würde auf diese Weise vom wunderbaren Gebet der Kirche beraubt werden. Daher müssen sie erst einmal jenes Gebet der Kirche empfangen. Besondere Gebete für kranke Menschen kann der Priester hingegen vor oder nach der heiligen Messe sprechen." Jedoch sei es auch erlaubt, bei den Fürbitten freie Gebetsanliegen für Kranke zu formulieren."Wenn ich während der Messe vom Heiligen Geist ein Wort der Erkenntnis bekomme, dann trage ich das nach der heiligen Messe vor. Es werden zwar viele Menschen schon während der Messe geheilt, aber nach der Messe sollen sie ruhig noch dableiben, um das Heilungsgebet zu empfangen."

Auch das Charisma soll unter der Hierarchie stehen

Wie der Pater weiter sagt, betone das Dokument der Glaubenskongregation, "dass diejenigen, die über das Charisma der Heilungsgabe verfügen, die Hierarchie akzeptieren müssen und unter der Leitung der Hierarchie handeln sollen. Hierarchie bedeutet soviel wie ,heilige Ordnung', sie gibt der Kirche eine heilige Ordnung. Alles muss unter der Hierarchie sein. Auch der Heilige Geist arbeitet durch die Hierarchie." Auf die Frage, was nun mit denen passiere, die sich nicht an diese "heilige Ordnung" halten, antwortet er: "Früher, als es noch kein Dokument gab, da konnte man noch entschuldigt werden, weil es diese Disziplin in der Kirche noch nicht gab, aber jetzt, wo wir über ein Dokument des Lehramtes verfügen, müssen wir es auch befolgen. Wenn wir der Hierarchie gegenüber gehorsam sind, wird der Heilige Geist viel schneller arbeiten als in früheren Zei-ten. Gehorsam ist besser als Opfer, die hei-lige Messe ist ein Opfer, aber wenn wir der kirchlichen Disziplin gehorchen, dann bedeutet das sogar noch mehr als die Messe als solches. Denn Ungehorsam war ja die erste Sünde in der Welt, deshalb muss Gehorsam an erster Stelle stehen. Auf diese Weise können wir Satan bezwingen. Das ist meine Erfahrung!"



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