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Jedermann wollte die 'alte und rückständige' Kirche belehren

9. Dezember 2010 in Aktuelles, 8 Lesermeinungen
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Forensischer Psychiater und Gutachter Hans-Ludwig Kröber bei Montagsakademie in Paderborn über Missbrauchsdebatte: Bisher nur Altfälle und praktisch keine neuen Vorfälle – Medien mussten bei der Suche immer wieter zeitlich zurückgehen


Paderborn (kath.net). Der Berliner Professor für Forensische Psychiatrie, Hans-Ludwig Kröber, sprach am vergangenen Montag bei der Montagsakademie der Theologischen Fakultät Paderborn zum aktuellen Thema "Sexueller Missbrauch im kirchlichen Bereich aus Sicht des forensischen Psychologen" und hat dabei betont, dass sich die Katholische Kirche nicht erst seit dem Jahr 2010, sondern bereits seit viel längerer Zeit mit diesem brennenden Thema beschäftige – spätestens seit dem Jahr 2002.

Seit diesem Zeitpunkt wird Hans-Ludwig Kröber seitens des Vatikans und der Deutschen Bischöfe immer wieder als Gutachter zur Bewertung entsprechender Missbrauchsfälle in den Reihen der Kirche bestellt. Vor diesem Hintergrund müsse deutlich gemacht werden, dass „es bisher nur Altfälle und praktisch keine neuen Vorfälle gibt.“

Entgegen der oftmals falschen medialen Darstellung handele es sich um „kein Phänomen der Gegenwart, sondern um Delikte, die zumeist mit dem Ende der 90er Jahre enden.“ In Wirklichkeit seien die Medien in der Veröffentlichung „immer neuer Fälle“ in ihrer Suche faktisch einfach immer weiter zeitlich zurückgegangen. Zudem wurde, so Professor Kröber, in der öffentlichen Diskussion vielfach sexueller Missbrauch und eine so genannte Prügel-Pädagogik vermischt. Dies habe nur wenig zur Aufklärung und Differenzierung beigetragen.

Insbesondere im Bereich von Straftatbeständen und forensischer Psychiatrie sei jedoch eine genau Differenzierung wichtig: „es ist notwendig zu schauen, was jeweils genau geschehen ist und ob Vorwürfe berechtigt sind oder eine falsche Beschuldigung vorliegt.“ Dies wolle in keiner Weise eine schlimme Tat relativieren oder entschuldigen. Gleichwohl habe es im Laufe der jüngeren Geschichte auch einerseits immer wieder Prozesse mit Fehlbeschuldigungen gegebenen, andererseits sei bei Zeugen zu unterscheiden zwischen Suggestivität und Begründetheit im tatsächlichen Erlebnis. Hier gelte es genau zu unterscheiden.


„Trotz der hohen Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit hat es empirisch keinen Anstieg von Opferzahlen gegeben.“ Kröber, der in Berlin tätig ist, wo nach eigener Aussage die katholischen Kirche „schützenwerte Minderheit“ darstellt, unterstrich seinen persönlichen Eindruck, dass im Laufe der „Kampagne“ nun endlich jedermann die Chance ergriffen habe, die alte und rückständige Kirche zu belehren. Das beziehe sich zumeist auf deren Sexualmoral. Hier sei jedoch festzuhalten, dass Sexualität immer sozial reglementiert ist und die Kirche in ihrem Vorgehen und in der Lehre damit keine Ausnahme, sondern die Regel darstelle.

Insgesamt habe die gesellschaftliche Einstellung zu und der Umgang mit Sexualität einen größeren Einfluss auf die Missbrauchsfrage, als eine bestimmte katholische oder priesterliche Lebensform. Das bestätige sich dadurch, dass die Täter – heute schon oftmals verstorben – in einem geistigen Klima aufgewachsen sind, das im Hinblick auf die Frage der Sexualität von Tod, Angst und Beklemmung bestimmt gewesen ist.

Im Anschluss stellte Professor Kröber die Leitlinien der Bischofskonferenz (DBK) im Umgang mit sexuellem Missbrauch von Kindern vor, die seit dem Jahr 2002 immer wieder neu bearbeitet wurden – so auch in jüngster Zeit. Seit dem Jahr 2004 gibt es seitens der DBK eine regelhafte forensisch-psychiatrische Begutachtung von Fällen der Vergangenheit. Bei diesen ca. 40 Verdachtsfällen, wie Professor Kröber erläuterte, lag bei gut einem Viertel kein Straftatbestand, sondern eine so genannte Distanzunterschreitung vor, ca. 25 Prozent der Täter hatten pädophile Tendenzen und ca. die Hälfte waren Gelegenheits- oder Einmaltäter – im Rahmen des Missbrauchs innerhalb der Katholischen Kirche sei das Hauptproblem die zuletzt genannte Tätergruppe.

Gleichwohl, so der Forensiker zu der beliebten Frage, könne empirisch nicht nachgewiesen werden, dass es einen Zusammenhang von Missbrauch und zölibatärer Lebensform gibt. Hans-Ludwig Kröber plädierte am Ende seiner Ausführungen noch einmal für ein differenziertes und nachvollziehbares Vorgehen bei Missbrauchsfällen. Dazu gehöre auch, dass entsprechende Vorfälle angezeigt werden. Im Sinne des Opfers und des Täters sei bei der Polizei eine wirkliche Faktensicherung zu gewährleisten. „Sexueller Kindesmissbrauch ist ein Offizialdelikt; Polizei und Staatsanwaltschaft müssen also stets ermitteln. Aber niemand sonst, auch nicht die Arbeitgeber oder Kollegen von Tatverdächtigen.“

In der sich anschließenden Diskussion, in der kritische Rückfragen nicht gescheut wurden, wurde zudem unter anderem deutlich, dass die Sorge um das Opfer eine zentrale Position einnehmen muss, was auch schon von Professor Kröber im Rahmen des Vortrages festgehalten wurde. Dabei komme es darauf an, dass das Opfer nicht zu einer Definition der eigenen Person als OPFER gelangt, sondern dass ihm geholfen wird, das eigene Schicksal zu gestalten.

In seiner Vorrede hatte Professor Kröber seine Verwunderung und zugleich Freude zum Ausdruck gebracht, als Protestant aus Bielefeld und Bethel stammend, an diesem Abend im katholischen Paderborn sprechen zu können. Gleichwohl sei er in gewisser Weise „trainiert“: Kröber hatte bereits im Jahre 2003 an einer sehr fruchtbaren Diskussion im Vatikan zur Frage des Kindesmissbrauchs in der Katholischen Kirche teilgenommen und hatte nach eigener Aussage dort ein sehr „positives und differenziertes“ intellektuelles Gesprächsklima kennengelernt.

Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber: 1994 Professor für Klinische Psychiatrie an der Universität Hamburg, März 1996 Ernennung zum C4-Professor für Forensische Psychiatrie und Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie zunächst der Freien Universität Berlin, seit 2003 zugehörig der Charité – Universitätsmedizin Berlin.
Sprecher des Referats „Forensische Psychiatrie“ der wissenschaftlichen Fachgesellschaft „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN)“.
Mehrfach als Experte in Fachkommissionen zur Sicherheit und Behandlungseffizienz des Maßregelvollzugs (Südwürttemberg, Nordrhein-Westfalen, „Schmökel-Kommission“ in Brandenburg). Tätig als Gerichtsgutachter, überwiegend zur Kriminalprognose. Ein Schwerpunkt der Forschungstätigkeit ist seit zwanzig Jahren die Verlaufsforschung bei Straftätern, insbesondere Gewalt- und Sexualstraftätern. Daneben seit Jahren Untersuchungen zur Schuldfähigkeitsproblematik und den ideengeschichtlichen Grundlagen der forensischen (gerichtlichen) Psychiatrie. Seit 2003 Beratung des Vatikan und der Deutschen Bischofskonferenz zu Fragen des sexuellen Missbrauchs.

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Lesermeinungen

 Claudia Caecilia 10. Dezember 2010 
 

Keine Ahnung

@Herbert Klupp

Sie haben leider einen Kommentar geschrieben, der Ihre absolute Unkenntnis zeigt.
\"Die wahrhaft brutalen Vergewaltigungen\" sind für die meisten Opfer leichter zu verarbeiten, als die \"harmloseren\", weil die viel häufiger Schuldgefühle auslösen und die Opfer dadurch sehr belastet sind. Die Seele wird immer schwer geschädigt und da spielt es keine Rolle, ob der Übergriff eine Vergewaltigung war oder ein \"Nur - Anfassen\".

Nur mit Hilfe eines Psychologen und wenn (hoffentlich) erwünscht, mit der zusätzlichen Hilfe eines guten Priesters, können diese Verletzungen heilen.

Durch solche Äußerungen, wie die Ihrige, wird den Opfern erneut Unrecht angetan.

Also bitte informieren Sie sich doch bitte vorher etwas gründlicher und halten Ihr eigenes Gefühl, was schlimm oder schlimmer sein könnte, nicht für den Maßstab.

Über die Aussagen von Prof. Kröber bin ich, wie auch schon am Anfang des Jahres, sehr erfreut.
Man kann ihm ja nun auch wirklich nicht unterstellen, dass er nun unbedingt die Kirche schützen wolle, aber Fachkompetenz ist in unserem Land nicht mehr gefragt. Hartnäckig häjt sich der Mist, den die Medien verbreitet haben.


2
 
 Veritas 10. Dezember 2010 
 

@exklosterschüler

Wer sagt denn, dass der Satz \"Ich habe meine Vorurteile, verwirrt mich nicht durch Fakten\" nur in eine Richtung gilt?
Sie können sicher sein, dass ich mir sehr wohl bewusst bin, dass es einseitige Sichtweisen in die eine wie auch in die andere Richtung geben kann. Ich hatte allerdings gehofft, dass bereits aus der ironischen Formulierung \"Ich habe meine Vorurteile, verwirrt mich nicht durch Fakten\" klar hervorgeht, dass ich einseitige, vorurteilsbehaftete Sichtweisen, wie sie mit diesem Spruch karrikiert werden, ablehne und statt dessen ein Anhänger gut informierter, reflektierter und differenzierter Argumentationen bin. Dass man nie alle Informationen haben kann, dass Menschen irren können und dass man am Ende zu verschiedenen Einschätzungen kommen kann, liegt in der Natur des Menschen. Und es liegt in der Natur von Internetkommentaren, dass man meist nicht die Zeit und den Raum hat, alles in der gebotenen Ausführlichkeit und Differenziertheit zu beschreiben, so dass Missverständnisse leider nicht ganz auszuschließen sind.

Dass Sie mich auf den Artikel zum Untersuchungsbericht des Erzbistums München und Freising hinweisen, erstaunt mich allerdings schon, denn schließlich habe ich dazu einen längeren Kommentar geschrieben, in dem ich weiterführend auf die Webseite des Erzbistums verlinke, ausdrücklich das Anschauen der Videos von der Pressekonferenz empfehle (trotz einer Gesamtlänge von über 42 Min.) und auch noch zwei Passagen aus der Erklärung von Anwältin Marion Westpfahl wörtlich zitiere, woraus Sie schließen können, dass ich mir die Videos sehr aufmerksam angeschaut habe. So zitiere ich auch die Stelle ab Min. 24, in der Frau Westpfahl die totale Ignoranz gegenüber den Opfern beklagt. Daraus können Sie auch sehen, dass den Opfern mein ganzes Mitgefühl gilt.
Ferner habe ich geschrieben: \"Zur wahrhaftigen Aufklärung dieser schrecklichen Vorfälle gibt es keine Alternative.\"
Und schließlich habe ich auch noch an das erinnert, was der Hl. Vater auf dem Flug nach Fatima am 11. Mai 2010 sagte: \"Heute sehen wir in wirklich erschreckender Weise, dass die größte Verfolgung der Kirche von Feinden nicht von außerhalb kommt, sondern aus der Sünde innerhalb der Kirche entsteht.\"

Ich hoffe, dass etwaige Missverständnisse damit ausgeräumt werden konnten.

www.kath.net/detail.php?id=29230


2
 
 exklosterschüler 9. Dezember 2010 
 

@Veritas

\"Ich habe meine Vorurteile, verwirrt mich nicht durch Fakten.\"

Dem kann man nur zustimmen, auch wenn ich es konträr zu Ihnen sehe. Vielleicht sollten Sie sich den Artikel zum Endbericht der Erzdiözese München durchlesen oder Berichte über einzelne Klöster..

@Herbert Klupp
\"Die wahrhaft BRUTALEN VERGEWALTIGUNGEN scheinen nicht in der Kirche vorgekommen zu sein\"

\"Ich habe meine Vorurteile, verwirrt mich nicht durch Fakten.\" - Dieser Spruch passt gut zu Ihrer Aussage. Bekanntlich weil nicht sein kann, was nicht sein darf.


1
 
 tweety 9. Dezember 2010 
 

@Herbert

\"2. Die wahrhaft BRUTALEN VERGEWALTIGUNGEN scheinen nicht in der Kirche vorgekommen zu sein,\"

seien sie einfach froh von keiner wissen zu müssen (anscheinend). Nur weil es nie rausgekommen ist heisst das noch lange nicht dass es nie stattgefunden hat.


3
 
 Veritas 9. Dezember 2010 
 

Wohltuende Differenzierung

Solche wohltuenden Differenzierungen, die nichts beschönigen, die Opfer in den Mittelpunkt stellen, aber auch nichts aufbauschen oder verfälschen, sind leider selten.
Prof. Dr. Kröber bringt es treffend auf den Punkt, doch war er in den etablierten Medien kaum präsent. Statt dessen war und ist Christian Weisner von WsK bei diesem Thema omnipräsent, obwohl der außer seinen üblichen Ladenhütern, die noch dazu jeder Logik und Vernunft entbehren, nichts zu bieten hat. Das sagt nicht nur viel über Herrn Weisner, das sagt noch mehr über die Journalisten, die lieber WsK als einem ausgewiesenen Experten wie Prof. Dr. Kröber ein Forum bieten. Die Medien, die doch so gerne einen Wahrheits- und Unfehlbarkeitsanspruch für sich postulieren, sind an der Wahrheit nicht wirklich interessiert. Leider ist nicht die Wahrheit, sondern nur tendenziöse Polemik, die oberflächliche Zeitgenossen in ihren Vorurteilen und ihrem Kirchenhass bestätigt, quoten- und auflagensteigernd. An die Stelle von Informationsjournalismus ist heute Meinungsjournalismus getreten, und der agiert nach dem Motto: \"Ich habe meine Vorurteile, verwirrt mich nicht durch Fakten.\"


3
 
 Dismas 9. Dezember 2010 

Danke, endlich ein seriöser \"Rufer in der Wüste\"

Herrn Professor Kröber ist für seine Klarstellungen sehr zu danken.
Traurig nur, dass alle diese Tatsachen schon bei einer oberflächlichen aber seriösen journalistischen Recherche hätten auffallen müssen! Deswegen ist es berechtigt von einer üblen Hetz- u. Sensationspresse zu sprechen, die sich der Vorgehensweise einer Propagandainstitution bedient, auf die Dr.Goebbels stolz gewesen wäre!! Mit einer solchen Masse treuer Schüler in den modernen Medien hätte dieser Hetz-Nazi gewiss nie gerechnet!


3
 
 Herbert Klupp 9. Dezember 2010 
 

Die Sensationsgier nach \"Sex und Kirche\" ...

... war wohl die wesentliche Motivation für all die verirrten Medienbeiträge. Die Realität sieht anders aus:
1) Wie immer man die Statistik dreht und wendet, innerhalb der kath Kirche gibt es PROZENTUAL DEUTLICH WENIGER FÄLLE ALS ALLGEMEIN.
2. Die wahrhaft BRUTALEN VERGEWALTIGUNGEN scheinen nicht in der Kirche vorgekommen zu sein, sonst h\'\'tten die Medien das ausgeschlachtet, aber schon in Familien, in Vereinen, in der Odenwaldschule bspw. Dieser Unterschied, der wichtig f[r das Weiterleben der Opfer ist, wurde generell nicht differenziert dargestellt
3) Allgemein lassen die Medien die Unschuldsvermnutung gelten. Bei den Pfarrern gen[gte irgendein anonymer Anruf, um einen neuen FALL zu haben, und ihn gross raus zu bringen


4
 
 Felizitas Küble 9. Dezember 2010 
 

Andere Psychiater bestätigen Kröbers Aussagen

Prof. Kröber hat sich bereits seit Februar dieses Jahres sehr sachkundig und klar gegen Mißbrauchsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Zölibat geäußert und beweiskräftige Fakten vorgelegt.

Andere Psychiater bestätigen ihn hierbei,
darunter der angesehene Experte Dr. Leygraf (Essen).

Näheres hierzu im liberal-konservativen Artikelportal \"Freie Welt\":
http://www.freiewelt.net/nachricht-5150/psychiater%3A-kein-zusammenhang-zwischen-z%F6libat-und-mi%DFbrauch.html

www.freiewelt.net/nachricht-5150/psychiater%3A-kein-zusammenhang-zwischen-z%F6libat-und-mi%DFbrauch.html


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