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| Coelestin V., Papst-Demission inmitten apokalyptischer Ängste28. Februar 2013 in Aktuelles, keine Lesermeinung Der Papst tritt am Donnerstag zurück. Nur einer vor ihm wagte diesen Schritt: Coelestin V., ein eigenwilliger Pontifex. Benedikt huldigte ihm seit einiger Zeit auf geheimnisvolle Weise. Von Paul Badde (Die Welt) Vatikan (kath.net/Die Welt) Pietro del Murrone (um 1209/10-1296), geboren in den Abruzzen, war ein weithin bekannter Einsiedler. Er gründete den Orden der Cölestiner, die sich auf eine verschärfte Benediktinerregel verpflichteten. Als Papst Coelestin V. dieses Dokument am "Tag der heiligen Lucia" (13. Dezember) 1294 feierlich in Neapel vor den Kardinälen verlesen hatte, legte er seinen pelzbesetzten roten Papstmantel ab, streifte den Ring vom Finger und zog seine alte Mönchskutte wieder über, die er in den letzten Monaten so schmerzlich vermisst hatte. Gleichzeitig nahm er seinen alten Namen wieder an: Pietro da Morrone. Es war eine Sensation, schon zur damaligen Zeit. Der Rücktritt des "Engepapstes", wie ihn seine Anhänger nannten, war ein unerhörter Schritt. Dante Alighieri, so hieß es lange und fast überall, will den "papa angelicus" in seiner "Göttlichen Komödie" wegen dieses Schritts (im Vers 60 der III. Gesangs) sogar in der Hölle entdeckt und beschrieben haben, als eine Person im Schatten, die "aus Feigheit die große Ablehnung" ("gran rifiuto") begangen habe. Medien spekulieren über die Papst-Nachfolge Doch Pietro da Morrone war nicht feige. Seine Wahl hatte er nie abgelehnt. Er verzichtete auf das Amt, als er seine Unfähigkeit eingestehen musste, es verantwortlich auszufüllen. In seiner "Commedia" hat Dante Coelestin V. nicht einmal genannt. Er hat ihn geschätzt. Keiner weiß, wer die Fehldeutung aufbrachte, die sich seit Jahrhunderten beharrlich hält. Es war ein verhängnisvolles Urteil. Doch die üble Nachrede hält dem Vergleich mit der Geschichte nicht stand, wie eine erhellende Debatte in Italien seit einiger Zeit freilegt. Apokalyptische Ängste in Europa Ein halbes Jahr vor seinem Rücktritt war Pietro da Morrone am 5. Juli 1294 mit über 80 Jahren gewählt worden. "Ich schaffe es nicht, mich selbst zu retten", soll er gesagt haben. "Wie soll ich da die ganze Welt retten?" Er zögerte und folgte dann doch gehorsam dem Ruf. Eine Krise nach der anderen ließ damals weder die Kirche noch Italien zur Ruhe kommen. Päpstin Johanna gab es zwar erst in den Fantasien unserer Zeit. Doch apokalyptische Ängste peinigten die Menschen. In den inneritalienischen Machtkämpfen und dem Ringen zwischen den römischen Adelshäusern Orsini und Colonna hatten sich die zwölf Kardinäle zwei Jahre lang auf keinen Papst einigen können, nicht einmal auf einen Ort, an dem sie zusammenkamen, bis sie Pietro da Morrone seines unbescholtenen Rufes wegen auf dem Konklave von Perugia am 24. August 1294 zum 191. Nachfolger Petri wählten. Die Nachricht wurde ihm in seiner Eremitenklause über Sulmona in den Abruzzen überbracht, in der großen Felswand, wo der Alte als Einsiedler lebte. Unter dem Jubel der Bevölkerung ritt er wie Jesus nach Jerusalem auf einem Esel in L'Aquila ein, als neue Hoffnung der Christenheit. Seine Anhänger meinten, in ihm schon einen Vorboten der Wiederkunft Christi selbst zu erblicken. Aber Coelestins Latein-Kenntnisse waren jämmerlich. Er hatte fast keine Schulbildung, von der kirchlichen Verwaltung hatte er keine Ahnung. König Karl II. von Anjou regierte von Neapel aus in sein Regiment hinein. Im Zeitalter der scheiternden Kreuzzüge war sich das Papsttum seiner globalen Mission immer mehr bewusst geworden. Innozenz IV. hatte zwei Franziskaner zum Großkhan nach Karakorum geschickt, um sogar die Mongolen als Alliierte im Kampf gegen die Truppen der Kalifen zu gewinnen, im Jahr 1245 Giovanni da Carpini und 1252 dann Wilhelm von Rubruk. Beide kehrten erfolglos zurück. Präzedenzfälle aus der Kirchengeschichte Am Ende dieses bewegten Jahrhunderts war Coelestin der falsche Mann am rechten Platz oder umgekehrt. Er war zu machtlos, sein eigenes Haus zu regieren. Schließlich wandte sich der hilflose Mann an juristisch gebildete Kardinäle und fragte, ob denn ein Rückzug möglich sei. Einige bejahten, rieten ihm aber ab. Kardinal Benedetto Caetani hingegen verwies auf erfundene Präzedenzfälle aus der Kirchengeschichte und riet ihm zum Amtsverzicht. Danach trat der Papst ab und "tat wohl daran", wie ein Zeitgenosse notierte. So sieht ihn wohl auch Benedikt XVI., sein 111. Nachfolger auf dem Papstthron, der am 11. Februar mit schwachen Füßen in dessen Fußstapfen trat. Es war allerdings nur ein letzter Schritt auf diesem Weg, den der geschichtsbewusste Hochgelehrte sehr viel früher betreten hat. Coelestin V. fasziniert ihn schon lange, nicht zuletzt die Konsequenz und Radikalität des Einsiedlerpapstes. Nach dem Erdbeben in L'Aquila vom 6. April 2009 besuchte Benedikt dessen unversehrten Sarkophag in der eingestürzten Basilika Santa Maria di Collemaggio, die auf eine Vision des Einsiedlers zurückgeht und in der Coelestin gekrönt worden ist. Dort legte er sein Pallium auf die Kristallabdeckung des Sarges, die päpstliche Wollstola mit ihren Insignien dem Wappen, den Schlüsseln Petri, der Tiara und fünf Kreuzen für die fünf Wundmale Christi , die ihm selbst bei seiner Krönung im April 2005 auf dem Petersplatz verliehen worden war. Die rätselhafte Zeichenhandlung in L'Aquila versetzte damals schon viele in Staunen. Ein Jahr später am 4. Juli 2010 kam Benedikt XVI. mit dem Helikopter von Castel Gandolfo nach Sulmona geflogen, um am Fuß des Majella-Massivs den 800. Geburtstag Coelestin V. zu feiern. Die Stadt liegt zwischen der Schlangenstadt Cucullo und dem Tal der Könige, hinter dem sich die Berge des Appenin zur Adria öffnen. Ignazio Silone hat dem Ort ein Buch gewidmet. Stille in einer Welt voller Geräusche Im letzten Weltkrieg hatte die Wehrmacht hier ein Kriegsgefangenenlager eingerichtet, das schließlich mit deutschen Soldaten gefüllt wurde, darunter auch Georg Ratzinger, der Bruder des Papstes. Vom Garibaldi-Platz, auf dem der Papst die Messe feierte, lässt sich geradewegs auf die riesige Felswand hinter der Stadt blicken, in der sich hoch wie ein Adlerhorst die Ruinen der Eremitage verbergen, aus der Pietro da Morrone in den Stuhl Petri herabgeholt wurde. Jetzt war sein gläserner Sarkophag für den Besuch Benedikts XVI. noch einmal aus L'Aquila herbeigebracht und neben dem Altar aufgestellt worden, wo Benedikt seinem Vorgänger mit Weihrauch die Ehre gab. Vom Rücktritt des engelgleichen Papstes redete Benedikt XVI. damals noch mit keinem Wort. Er rühmte in seiner Predigt stattdessen die Stille in einer Welt voller Geräusche und überhaupt die Heiligkeit, die "ihre Anziehungskraft nie verliert, nie in Vergessenheit gerät, keiner Mode unterworfen ist und im Wechsel der Zeit immer heller strahlt". Coelestin V. sei zeitlos gewesen in seinem Ringen um die ewig aktuellen Fragen: "Wer bin ich, woher komme ich, warum lebe ich, für wen lebe ich?" Das wird sich Coelestin V. nach seiner Abdankung wohl erst recht gefragt haben. Das zweite Konklave des Jahres 1294, das er noch neu geordnet hatte, trat zehn Tage nach seinem Verzicht, am 23. Dezember, zusammen, und die 22 Kardinäle von denen er 11 in seinem einzigen Konsistorium noch selbst erhoben hatte wählten sogleich und einstimmig den Protodiakon Kardinal Matteo Rosso Orsini zum Papst. Der lehnte schlichtweg ab. Diesen Kardinal und nicht Coelestin V. müssen wir deshalb mit jenem Mann identifizieren, den Dante beschuldigte, "aus Feigheit die große Ablehnung" auf sich geladen zu haben ("che fece per viltà il gran rifiuto"). Denn diese Ablehnung machte den Weg frei zur Wahl Kardinal Benedetto Caetanis, der Coelestin V. zur Abdankung geraten hatte. In der "Ehrenhaft" seines Nachfolgers Einen Tag später wurde er am Heiligabend selbst zum Papst gewählt und nahm den Namen Bonifaz VIII. an als großes Verhängnis für Italien und die Kirche, wie Italiens Dichterfürst es sah. Im Gegensatz zu Coelestin wusste Bonifaz VIII. jedenfalls genau, was er wollte und wie er es durchsetzen konnte. Sein Hochmut war legendär. Er brachte für das Amt alles mit, was seinem Vorgänger gefehlt hatte: Autorität, Entschlussfreudigkeit, unbedingter Wille zur Macht. Für seine vielen Gegner war er eine machtbesessene Schreckensgestalt. Seinen Vorgänger kerkerte er deshalb auch nicht aus Bosheit ein, sondern aus kühlem Kalkül, damit sich keine Partei seiner bemächtigen und ein neues Schisma auslösen konnte. Dennoch ging es nach Bonifaz VIII. bergab mit dem Papsttum schon bald im erzwungenen Exil in Avignon, das über 100 Jahre, von 1309 bis 1417, dauern sollte. Pietro da Morrone hingegen durfte nach seinem Amtsverzicht kein Einsiedler mehr werden, sondern blieb bis zu seinem Tod am 19. Mai 1296 in einem Turm im Kastell Fumone "in Ehrenhaft" seines Nachfolgers. Dessen Nachfolger wiederum, Clemens V., erklärte Morrone schon bald, am 5. Mai 1313 in Avignon, "als Bekenner" heilig. Diesen Dulder und Bekenner aber dürfen wir uns heute vor allem als Modell vorstellen, das Benedikt XVI. vorschwebte, als er sich in unseren Tagen nach acht Jahren Pontifikat auch zum Amtsverzicht entschloss. Dante kennt der Deutsche auf dem Stuhl Petri wie kaum ein Zweiter in Rom. Bei dem Heiligen hat er nun revolutionär Maß genommen und nicht an dem Gescheiterten, als er am 11. Februar entschieden und fast wortgleich mit Coelestin V. erklärte: "Im Bewusstsein des Ernstes dieses Aktes erkläre ich mit voller Freiheit, auf das Amt des Bischofs von Rom, des Nachfolgers Petri zu verzichten, weil meine Kräfte nicht mehr geeignet sind, um den Petrusdienst in angemessener Weise auszuüben." kathTube-Foto: Papst Benedikt XVI. am Sarkophag Papst Coelestins V. während seines Besuchs in Sulmona Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! LesermeinungenUm selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen. Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. 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