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Christus lebt – mit ihm auch ich!

31. März 2013 in Deutschland, keine Lesermeinung
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Ostern entspricht ganz und gar der Sehnsucht des Menschen. Predigt von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zur Osternacht im Hohen Dom zu Köln.


Köln (www.kath.net/ pek)
Liebe Schwestern, liebe Brüder!
1. Am Karfreitag betet die Kirche vor dem gekreuzigten Christus: „Heiliger Gott, heiliger starker Gott, heiliger unsterblicher Gott, erbarme dich unser“. Darin wird der Glaube der Kirche sichtbar, gleichsam in einer provokativen Weise, indem sie den toten Gottessohn Jesus Christus als unsterblich bekennt und anbetet.

Die Bestätigung für die Richtigkeit dieses Gebetes am Karfreitag bringt uns schon die Osternacht. Der unsterbliche Gott konnte nicht unter der Erde bleiben. Das Leben sucht das Licht. Und darum hat der Herr das Grab aufgesprengt, und er ist seiner Natur gemäß als unsterblicher Gott in die Gemeinschaft des trinitarischen Gottes wieder sichtbar zurückgekehrt und trotzdem bei seiner Kirche, bei seinem Jüngerkreis geblieben und er bleibt dort bis zur Vollendung der Welt.

Die Heilige Schrift gibt uns ausdrücklich Zeugnis davon, dass der Mensch als höchstes Qualitätszeichen die Bezeichnung verdient: Ebenbild oder Abbild Gottes. Da also das Urbild, der lebendige Gott, unsterblich ist, kann sein Abbild, der Mensch, nicht sterben oder sterben wollen. Die Heilige Schrift bekundet überdeutlich, dass der Tod erst durch die Sünde den Menschen überfallen und bestimmt hat.

Er gehört also nicht ursprünglich zur Konzeption Gottes vom Menschen als sein Ebenbild, sondern er ist die Konsequenz der Sünde. Das kann jeder Mensch nachempfinden, weil jeder Mensch dem Tod gegenüber große Vorbehalte hat. Er fürchtet sich vor dem Tod. Er versucht den Tod so weit wie möglich von sich fern zu halten. Er hat Angst vor dem Sterben. Die Natur des Menschen selbst definiert den Tod als nicht ursprünglich vorgesehen, sondern als spätere unheilvolle Zugabe.

Das Urbild, nach dem das Abbild erschaffen ist, lässt sich nicht auslöschen, und darum bleiben die Sehnsucht und der Wunsch des Menschen nach Leben, nach dem Ewigen Leben, nach dem Leben nach dem Tode weiter bestehen und bestimmen das menschliche Dasein. Heute würde man sagen, das Leben über den Tod hinaus ist der physische Code, der der menschlichen Person eingeschrieben ist.


Darum entspricht Ostern ganz und gar der Sehnsucht des Menschen, die der Schöpfergott selbst in sein Abbild hineingelegt hat.

2. Die Auferstehung Christi als Ersten der Entschlafenen hat von Anfang an die Menschheit fasziniert und mit einer unsterblichen Hoffnung erfüllt. In einem volkstümlichen Kirchenlied zu Ostern heißt es: „Christus lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo ist dein Schrecken?“. Christus ist durch den Tod ins Leben gegangen und hat sich uns in der Eucharistie hinterlassen, indem der österliche Christus in der Eucharistie in mein Leben eintritt, der meine Sehnsucht nach Leben, nach unsterblichem Leben zur Erfüllung und zur Vollendung führt.

Darum das Osterlied: „Christus lebt, mit ihm auch ich“. Ostern hat für uns mit der Auferstehung Christi ebenfalls begonnen. Deshalb wird in der Osternachtfeier das Taufwasser geweiht. In der Taufe geht das Auferstehungsleben Christi auf uns über. Christus lebt, und er schenkt sich in mein Dasein hinein.

Und er möchte von mir nicht nur etwas, sondern mich selbst, und zwar ganz. Nicht wir finden im Ostersakrament der Taufe Christus, sondern wir werden von ihm gefunden. Er fällt uns gleichsam zu. Der eigenen Taufe wieder gewiss zu werden, heißt, zu unserem persönlichen Ostern wieder zurückzukehren. Und deswegen wird in der Osternacht nicht nur das neue Taufwasser geweiht und das Sakrament der Taufe gespendet, sondern auch die bereits Getauften werden aufgefordert, ihre Taufgelöbnisse zu erneuern.

Das bedeutet immer, sich intensiver von der Ostergnade Christi umfassen zu lassen. „Christus lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo ist dein Schrecken?“. Jesus lebt und wird auch mich von den Toten auferwecken.

Neben der Menschwerdung Christi unter dem Herzen Mariens ist seine Auferstehung der entscheidende Einschnitt – ich rede nach Menschenweise – im Leben und in der Geschichte Gottes, aber ganz besonders in der Geschichte seiner Abbilder, im Schicksal der Menschen.

Darum ist ja bis heute das Osterfest der Höhepunkt des ganzen Kirchenjahres. Und wir sind überzeugt, dass Ostern ganze Horizonte für unser Leben öffnet und weitet. Als Abbilder Gottes, die auf das Leben hin geschaffen sind, kann man nicht menschenwürdig mit dem Tod im Nacken leben. Das ist seit der Osternacht auch nicht mehr nötig, denn „Jesus lebt, mit ihm auch ich. Tod, wo ist dein Schrecken?“.

3. In unserer Gesellschaft wird die Realität des Menschen immer wieder maskiert. Tod und Sterben werden verdrängt und mit einer irdischen Zukunft ersetzt, die sehr begrenzt ist. An ihrem Ende steht der Tod und nicht das Leben. Es ist erstaunlich, wie man mit nicht verhandelbaren Grundprinzipien der menschlichen Würde verfährt. Um nur eines von vielen Beispielen zu nennen: Die Weitergabe des menschlichen Lebens wird aus ihrem schöpfungsgemäßen Ort in die künstliche Befruchtung verlegt, in die Petrischale, ins Labor.

Eine weitere Konsequenz daraus ist: Sollte nun eine befruchtete Eizelle, die ja ein Mensch ist, von Krankheiten oder körperlichen Gebrechen gekennzeichnet sein, dann wird sie getötet. Der Mensch spielt sich auf zum Herrn über Leben und Tod. Das kann nur – und die Geschichte beweist das – zu Lasten des Menschen und seiner Berufung gehen. Wo man diese nicht verhandelbaren Grundprinzipien menschlichen Lebens aufgibt, verfällt die Gesellschaft in einen Absolutismus des Relativen.

Es ist gar nicht auszudenken, was da noch über uns, über die Menschheit hereinbrechen kann. Diese nackten Tatsachen werden maskiert mit den Begriffen: Menschlichkeit, Humanität, Solidarität. Das ist alles, um mit Marx zu sprechen, „Opium für das Volk“. Der christliche Glaube stellt keine Allerweltsreligion mit einigen neuen Akzenten dar, sondern das Evangelium ist Aufklärung durch Vernunft. Das Johannesevangelium beginnt ja mit den Worten: „Im Anfang war das Wort“ (Joh 1,1), griechisch der „Logos“.

„Christentum ist Logik aus Vernunft“. Wir sind also mit unserem Osterglauben und mit unserer Osterperspektive für unser Dasein keine Ideologen, keine Träumer, sondern das ist Logik aus Vernunft. Gott ruft keine Geschöpfe ins Dasein, denen er eine Sehnsucht einpflanzt, die nie erfüllt werden könnte. Das wäre absurd! Darum ist Ostern mit der Auferstehung Christi und damit unserer künftigen Auferstehung die Bestätigung, dass Gott sich selbst in uns Menschen gemeint hat.

Es gibt ja Kirchenväter, die die unwahrscheinliche Formulierung gebrauchen: „Der Mensch ist Gott in den Dimensionen der Schöpfung“. Der Mensch bleibt Mensch, aber in seiner Sehnsucht nach Ewigem Leben überschreitet er das irdisch Natürliche und bricht hinein in das so genannte Übernatürliche, was aber für Gott das Natürliche ist. Das ist auch unsere Natur, weil wir Kinder Gottes und Schwestern und Brüder Jesu Christi sind. Darum ist die Osternacht unsere Nacht, die gar keine Nacht mehr ist, weil der auferstandene Herr sie hell gemacht hat. Davon gibt uns die Osterkerze Zeugnis.

Wir sind Menschen des Lichtes. Unser Lied heißt nicht: „Miserere mei“, sondern „Freut euch des Lebens!“. Und darum heißt es in dem bereits zitierten Osterlied: „Jesus lebt, ihm ist das Reich über alle Welt gegeben. Mit ihm werd auch ich zugleich ewig herrschen, ewig leben. Gott erfüllt, was er verspricht. Dies ist meine Zuversicht“.

Amen.


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