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| Revolution wider die Zettelwirtschaft9. Februar 2016 in KNA, keine Lesermeinung Wer kann schon ständig ein Hingucker sein im hippen Berlin, selbst wenn er immer dicker wird und älter? Es ist die Litfaßsäule, die Werbetrommel mit Bauch. Revolution wider die Zettelwirtschaft- Vor 200 Jahren wurde der Erfinder der Litfaßsäule geboren Wer kann schon ständig ein Hingucker sein im hippen Berlin, selbst wenn er immer dicker wird und älter? Es ist die Litfaßsäule, die Werbetrommel mit Bauch. Die Geschäftsidee des Druckers Ernst Theodor Litfaß trägt bis heute. Berlin (KNA) Der Werbe-Wildwuchs von Zetteln und Plakaten an Berlins Bretterzäunen, Hauswänden und Bäumen ging ihm mächtig auf die Nerven. Vor allem aber witterte Ernst Theodor Amandus Litfaß ein dickes Geschäft. Und so schlug der 39-jährige Verleger und Drucker dem Polizeipräsidenten Karl von Hinckeldey einen Handel vor, dessen seltsame Früchte noch heute kaum aus dem modernen Stadtbild wegzudenken sind. Als Gegenleistung für das Vermarktungsmonopol vereinbarten die Stadt Berlin und der Drucker zum 1. Juli 1855 die Aufstellung von 150 sogenannten Annoncir-Säulen - die schon bald als «Litfaßsäulen» bekanntwurden. Die Berliner Verwaltung feierte die neue Art der Plakatwerbung als Befreiungsschlag für eine saubere Stadt. Litfaß selbst wurde am Tag der Übergabe von einem Musikkorps mit einer eigens komponierten «Annoncir-Polka» geweckt; die neue Säule vor seinem Haus in der Adlerstraße war reich mit Kränzen umwunden. Ganz Berlin liebte Litfaß' unverwechselbare, nach dem Vorbild antiker Rundtempel errichtete Plakatier-Zylinder. 100 solcher Säulen waren es zunächst. Bei den restlichen 50 handelte es sich um umbaute Pumpen und öffentliche Bedürfnisanstalten: anrüchige Werbung sozusagen. Ein «Geschäfts»-Modell, das übrigens erst kürzlich in Nürnberg wiederbelebt wurde. Vor 200 Jahren, am 11. Februar 1816, wurde Litfaß geboren. Schon früh war er ein Querdenker. Sein Vater Ernst Joseph Gregorius, der wenige Tage nach Ernst Theodors Geburt starb, war mit Extrablättern während der Befreiungskriege gegen Napoleon bekanntgeworden. Sein jüngster Sohn übernahm 1845 nach Bildungsreisen über Paris, London und Brüssel und Versuchen in der Schauspielerei die Druckerei von seinem Stiefvater. Im von der politischen Reaktion geprägten Berlin sorgte er bald für viel frischen Wind. Mit modernsten Schnellpressen für Plakatgroßflächen bis sechs mal neun Meter, mit frechen Zeitungen wie dem während der Belagerung 1848 verbotenen «Berliner Krakehler» und mit glanzvollen Festen, den sogenannten Telegraphenbällen, machte er sich einen Namen in der Berliner Szene. Die «Annoncir-Säulen» waren sein geschäftlicher Durchbruch. Um 1900 gab es in der Zwei-Millionen-Stadt bereits 400 Litfaßsäulen. Heute, im Zeitalter von Smartphone und «Social Media», sind es rund 3.000, bundesweit nach unterschiedlichen Angaben zwischen 20.000 und 50.000. «Ganzstellen» heißen sie im modernen Außenwerbungsdeutsch, zumeist «an hochfrequentierten Standorten im Innenstadtbereich und an Ausfallstraßen» platziert. Der Tagespreis pro Stelle liegt mit starken regionalen Unterschieden - zwischen 10 und 30 Euro plus x, pro kleinerem Plakat und Tag teilweise bei nur einem Euro. Die Belegung erfolgt dekadisch, also für mindestens 10 bis 11 Tage. Experten empfehlen eine Belegungsquote von einer Ganzstelle pro 9.000 Einwohner, um einen optimalen G-Wert zu erreichen - also das beste Verhältnis aus der Zahl der Passanten und deren «Recall», der Erinnerung an die Werbebotschaft. In der modernen Version, die im Kampf um die beste «Kontaktqualität» mit «Mega-Lights», «Blow-Ups» und «City Light Boards» konkurrieren muss, gibt es verglaste, hinterleuchtete Ganzstellen, die sich drehen. Bei der Computermesse CeBit 2005 stellte das Fraunhofer-Institut FIRST zum 150-Jährigen die «digitale Litfaßsäule» vor. Damit könnten Designer, Architekten und Ingenieure nun auch dreidimensionale Werkstücke einstellen und so den Eindruck eines Hologramms erwecken. Von solcher Digitalisierung und Verwissenschaftlichung seiner einträglichen Geschäftsidee hat Ernst Amandus Theodor Litfaß nichts mehr erfahren. Er starb am 27. Dezember 1874: als Monopolist für die Erstveröffentlichung preußischer Kriegsdepeschen und Sieges-Bulletins - und zugleich als gefeierter und königlich dekorierter Wohltäter für Kriegsversehrte und Katastrophenopfer. Der «König der Reklame» liegt in einem Ehrengrab auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin-Mitte: mittendrin statt nur dabei, wie es seine Art war. C) 2016 KNA Katholische Nachrichten-Agentur GmbH. Alle Rechte vorbehalten. Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! 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