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| Was tun, wenn die Fundamente wanken...14. Dezember 2020 in Aktuelles, 10 Lesermeinungen Ignem in terram. ‚Im Winter keimt das Korn. Auch der Amboss formt, dem Hammer widerstehend, das Eisen’. Walter Kardinal Brandmüller – ein Hirtenwort. Von Armin Schwibach Rom (kath.net/as) Walter Kardinal Brandmüller und sein Schreibtisch – „Ignem in terram“ steht unter seinem Wappen geschrieben: „Ignem veni mittere in terram et quid volo si accendatur“ – „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lk 12,49). Und das Feuer verlässt die Eminenz nie, und sie schürt es immer gehörig. Auch und gerade in diesem Hirtenwort. In der Höhe der römischen Kirche des heiligen Ignatius von Loyola griff Andrea Pozzo diesen Vers aus dem Lukas-Evangelium auf, und er lag ja auch dem Gründer der Gesellschaft Jesu sehr am Herzen. Ein „Zusammenfall“, eine „coincidentia“, die den Kardinal mit der neuen und alten Zeit verbindet. Ein Wort des Brückenschlages. Jesus spricht mit seinen Jüngern über sein künftiges Schicksal. Er ahnt, wie sich dieses Schicksal erfüllen soll. Der Professor schreibt alles mit der Hand, mit sorgfältig gespitztem Bleistift, auf gutem Papier. Das Handschriftliche muss dann ins Digitale rübergebracht werden, da hilft sodann jemand. Die Denkarbeit des Kardinals ist diszipliniert. Und man kann sie auch sehen, was besonders faszinierend ist. Der iMac öffnet die Welt für den informierten Mann, der zweiundneunzigjährige Kardinal ist ein „User“, er bewegt sich im Netz, als sei er darin aufgewachsen. Was Arbeiten mit einem Computer betrifft, ist dies nicht so seine Angelegenheit. Zum Glück. Der Kardinal arbeitet „klassisch“. Ein Blick immer aufs Kreuz, das vor ihm an der Wand hängt. Und am Fenster kommen dann gerne Möwen vorbei, um zuzuschauen. Die Vögel dürften schon so einiges mitgelesen haben. Der Kardinal lebt in einer Bibliothek, wie es sich für einen der bedeutendsten Kirchenhistoriker unserer Zeit gehört. Gerade die aktuellen schweren Zeiten, schwere Zeiten für die Kirche, in denen Schönheit, Fest und Feiern abhanden gekommen zu sein scheinen, was durch eine „Pandemie“ noch mehr akzentuiert wird, lassen den Kardinal und Erzbischof nicht aufhören, über Gegenwart und Zukunft nachzudenken. Und im konstanten Informationsfluss bildet dann dieses Nachdenken eine mahnende und produktive, weil realistische Insel. Ein wahres „Hirtenwort“. *** Auch ein Hirtenwort. Von Walter Kardinal Brandmüller Seit geraumer Zeit kann man – was die Kirche in Deutschland betrifft – kaum mehr wegweisende bischöfliche Stimmen vernehmen. Von dem ekligen Dauerthema „Missbrauch“ abgesehen, ist ein lautes „Schweigen der Lämmer“ (Film aus dem Jahr 1988) – nein, der Hirten – zu vernehmen, während die Lämmer ratlos, verunsichert vielleicht noch auf ein den katholischen Glauben verkündendes Wort der Hirten warten. Inzwischen brennt – wie der Dachstuhl von Notre Dame – der Bau der Kirche in Deutschland (nicht: der „deutschen Kirche“!) lichterloh. Die Austrittszahlen schnellen in die Höhe, der ohnehin virusbedingte minimale Besuch der Heiligen Messe spiegelt die Gleichgültigkeit von wenigstens 90% der „Katholiken“ wider. Die katholische Kirche spielt im Diskurs des Tages kaum mehr eine Rolle. Immer noch aber sprudelt der Quell der Kirchensteuer – und beruhigt so – vorläufig noch – den kirchlichen Apparat. Zugleich gibt es auf dem Erdball kaum ein Land, das nicht von politischen, wirtschaftlichen, demographischen Krisen, Problemen erschüttert würde. Auf dem europäischen Kontinent sind es die Spannungen zwischen Ost-Südosten und dem übrigen Europa, auch – von Michel Houellebecq geradezu prophetisch beschrieben – die Explosion, Expansion islamistischer Gewalt, die, wer weiß wie bald, auch auf Deutschland übergreifen wird. Ein ähnliches Horrorszenario beschreibt Jean Raspail in Das Heerlager der Heiligen vom Jahre 1973 (!) Bislang verdrängt man solche Bedrohung. Auch ist heute nicht abzusehen, welche wirtschaftlichen, finanziellen Zusammenbrüche dem Kontinent in der Folge der Pandemie noch bevorstehen. Kurzum, es ist ein in hohem Maße gefahrenträchtiger Augenblick, den auch die katholische Kirche in Deutschland – wie in Österreich und der Schweiz – zu bestehen hat. I Da ist es doch eine geradezu surrealistische Groteske, wenn zur gleichen Zeit sich die Crème des deutschen Funktionärskatholizismus in Frankfurt zu langen, Kirchensteuermillionen verschlingenden Diskussionen versammelt, und die seit der Würzburger Synode von 1971-1975 nicht mehr verstummten Forderungen nach Laien- bzw. Frauengewalt in einer pointiert „deutschen“ Kirche zum hundertsten Male neu erhebt! Wahrlich, der Dachstuhl brennt lichterloh – und im Parterre diskutiert man über die Aufhängung der Bilder… Und die ca. 10% der Katholiken, die überzeugt zum Glauben stehen, die kaum im Rampenlicht erscheinenden, in der Überzahl treuen, eifrigen Priester sehen sich nicht selten gar von der kirchlichen Bürokratie gemaßregelt, inmitten einer Wüste alleingelassen. Da wundern sich manche immer noch über entvölkerte Priesterseminare, zum Kauf stehende Klöster, leerstehende Beichtstühle etc. Wie, wohin soll das weitergehen? II Genug jedoch des Jammerns! Wie also kommt der dem Glauben der Kirche treue Katholik in dieser Situation zurecht? Ganz ähnlich hat schon der Psalmsänger des Alten Testaments gefragt: „Wenn die Grundfeste eingerissen werden – was kann ein Gerechter noch tun?“ So fragt Psalm 11,3 – und gibt darauf keine Antwort! Es liegt also an uns, eine solche zu versuchen. Eine Antwort müsste verschiedene Elemente haben, deren erstes eine nüchterne Erkenntnis der Situation ist, in der Glaube und Kirche sich befinden. Nehmen wir vielmehr zur Kenntnis, dass in den zweitausend Jahren der Geschichte immer wieder heftige Stürme durch den Baum der Kirche gefahren sind, die mitleidlos welkes Laub, dürre, faule Äste hinweggefegt und den Baum in seiner Kahlheit haben sehen lassen. Wer möchte leugnen, dass wir im Augenblick einen dieser Stürme erleben! Dies ist nüchtern zur Kenntnis zu nehmen – es entspricht den Ankündigungen Jesu, der vom Erkalten der Liebe, vom Massenabfall und Verfolgung spricht, wenn er die Anzeichen seines unerwarteten Wiederkommens zum Gericht beschreibt. Das gilt es hinzunehmen, ohne sich darüber zu wundern, ohne zu resignieren oder über die schlechten Zeiten jammernd sich in ein abgeschirmtes frommes Ghetto zu flüchten. Vielmehr gilt es, die Herausforderung der Stunde beherzt anzunehmen. Das aber heißt, unerschütterlich und stark im Glauben zur Lehre und Weisung der Kirche zu stehen. Zeitmeinungen, Zeitsitten sind am Maßstab des Dogmas, der Überlieferung der Kirche zu messen – wissend, dass hier die von Christus geoffenbarte Wahrheit zu finden ist. III Dem ist freilich ein ernstes Wort hinzuzufügen. Nicht Wenige, die sich für glaubens- und kirchentreu halten und es wohl auch sind, sind oftmals nicht in der Lage, Fragen der Glaubenslehre oder des kirchlichen Lebens sachgerecht zu beantworten, wenn solche etwa von Nichtkatholiken gestellt werden, oder auch Missverständnisse und verzerrte Vorstellungen richtigzustellen wären. Wir kommen nicht darum herum, die Schäden, die der seit Jahrzehnten oftmals unzureichende oder gar Glaubens- und Sittenlehre der Kirche verzerrende, in Zweifel ziehende Religionsunterricht angerichtet hat, auszugleichen, indem wir – je engagierter in der Kirche, desto ernsthafter – den Katechismus der katholischen Kirche, den Johannes Paul II. im Jahre 1992 herausgegeben hat, zur Richtschnur nehmen. Irgendwelche fromme Büchlein können ihn nicht ersetzen! Der hier vorgezeichneten Linie gilt es zu folgen! Alsdann muss der überzeugte Katholik sich darüber im Klaren sein, dass sein Bekenntnis, sein Glaubenseifer eher komisch wirkt, wenn dieser sich in allzu hellen Fanfarenstößen äußert. Klug, unaufdringlich müssen wir den Glauben vermitteln, wenn wir überzeugen wollen. Themen innerkirchlicher Grabenkämpfe dürfen dabei keine Rolle spielen. Ob etwa in der Tat im Jahre 1294 Engel das Haus der Heiligen Familie von Nazareth nach Loreto transportiert haben, oder das in Manoppello verehrte Muschelseidegewebe wirklich einen Abdruck des Antlitzes Jesu zeigt – dergleichen ist für den heilsnotwendigen Glauben völlig unerheblich. Über solche Fragen oder aber über „Alte oder neue Messe“ sich zu streiten, kann dem Glaubenszeugnis der Kirche nur schaden. Vielmehr gilt es, die missionarischen Energien der Kirche für die Verkündigung des Evangeliums einzusetzen, anstatt sie in Auseinandersetzungen um bestimmte Frömmigkeitsformen oder Lieblingsideen und Privatoffenbarungen zu vergeuden. Was hingegen unser aller Aufmerksamkeit und Förderung bedarf, sind die nicht zu übersehenden Neuaufbrüche des Glaubens in der Jugend außerhalb der bekannten „amtskirchlichen“ Strukturen. IV Wie Ida Friederike Görres in ihrem mittlerweile in acht Auflagen erschienenen Buch aus dem Jahre 1970 meint: „Im Winter wächst das Brot“. Unter der Decke von Schnee und Eis keimt in der Tat das Korn. So mag es auch heute sein, blickt man nur über den sterilen organisierten Katholizismus hinaus. Zeichen der Hoffnung solcher Art gilt es wahrzunehmen, wann immer im Umkreis von Zusammenbrüchen sie sich zeigen. „Im Winter keimt das Korn.“ Wann und wo die Saat dann sprossen wird, ist nur zu ahnen. Vonnöten ist indes das geduldige Harren auf den großen Augenblick. Geduld – im Griechischen des Neuen Testaments „hypomona“ – meint in der Tat das Ausharren unter einer Last, selbst unter Schlägen. Doch auch der Amboss formt, dem Hammer widerstehend, das Eisen.
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