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| Die Kindheit ist teilweise recht unerfreulich geworden7. Februar 2010 in Interview, 7 Lesermeinungen Über die Wurzeln der Gier, die Nöte unserer Kinder und die Wahrheit des Glaubens - Bestseller-Autorin Christa Meves im Gespräch. Rom (www.kath.net/ Zenit) * * * PUR: Frau Meves, wenn ich der ZEIT Glauben schenke, sitze ich einer mächtigen Frau" gegenüber und sie weiß auch, dass sie mächtig ist". Stimmt das? --Christa Meves: Nein, nein, natürlich nicht! Ich empfinde mich als extrem ohnmächtig, als kleine Therapeutin in der Lüneburger Heide. Das Gefühl von Ohnmacht begleitet mich seit dem Inferno des Zweiten Weltkrieges. PUR: Dennoch haben Sie seit Anfang der Siebzigerjahre die Augsteins und Dönhoffs bis zur Weißglut gereizt und sich direkt in die Brandung des Achtundsechziger-Zeitgeistes gestellt. Woher nahmen Sie den Mut? --Christa Meves: Nun, aus den Programmen der Neuen Linken von 1968 - dazu gehörte die Abschaffung der Familie, das Schleifen jeglicher Autorität, die Befreiung zur Sexualität von Kindesbeinen an - da konnte man als Fachfrau wohl merken, dass wir abermals einem riesigen Verhängnis ausgesetzt waren, nachdem wir doch gerade erst vor ein paar Jahrzehnten eine Großkatastrophe wundersam überlebt hatten. Wer das erkannte, musste doch warnen! Ich hätte mich schuldig gemacht, wenn ich zu diesen verheerenden Machenschaften geschwiegen und keine negativen Prognosen für das nächste Jahrhundert erstellt hätte, die ja nun auch alle eingetreten sind wie der schulische Leistungsabfall, die epidemische Zunahme seelischer Störungen, die Heiratsunlust und der Geburtenschwund. PUR: Es war vor allem die Liebe zu den Kindern und Familien, die Sie aus ihrer Heidehaus-Idylle in die Öffentlichkeit trieb. Worum ging es Ihnen? --Christa Meves: In meiner psychotherapeutischen Praxis für Kinder und Jugendliche sah ich ein Verhängnis heraufziehen, das sich wie ein dunkler Schatten in unser Wirtschaftswunderland einschlich. Ich konnte sehen, dass die Kinder, wenn man sie in der ersten Lebenszeit nicht den Vorgaben der Schöpfungsordnung gemäß erzieht, immer gewissenloser, immer bedürftiger, immer gieriger, immer unruhiger werden müssen. Aus vielen Gesprächen mit den Müttern über die Vorgeschichte der Kinder ergab sich, dass der Ansatz von Freud richtig war, dass nämlich die meisten Lebensschwierigkeiten und seelischen Störungen des Erwachsenenzeitalters in der Kindheit entstehen und wir konnten jetzt hinzufügen: Durch den immer unnatürlicheren Umgang mit den Säuglingen und Kleinkindern. PUR: Anfang des Jahres lief im Fernsehen der Film Die Gier" des Starregisseurs Dieter Wedel. Es war der Film zur durch Gier verursachten Wirtschaftskrise, wobei Wedel nicht nur die Gier nach Geld, sondern dahinter auch die Gier nach Liebe und Anerkennung zu den Ursachen der Krise zählte. --Christa Meves: Man konnte in der Tat schon vor vierzig Jahren voraussagen, dass die Gier, dass Süchte aller Art stark zunehmen würden. Der Anfang unserer Entwicklung als Mensch ist eben eingebettet in Naturgesetze, deren Missachtung dazu führt, dass wir Menschen uns nicht so gut entwickeln wie wir könnten, dass wir uns im Leben schwerer tun als nötig, dass wir unser genetisches Optimum nicht erreichen. Nach der von mir entwickelten Anthropologie gibt es vier Grundtriebe des Menschen. Diese vier Antriebe müssen im richtigen Zeitfenster durch die Umwelt richtig beantwortet werden. Der Nahrungstrieb hat sein Zeitfenster von den ersten Wochen bis zum ersten halben Jahr. Der Bindungstrieb entwickelt sich ebenfalls von der Säuglingszeit bis weit ins zweite Lebensjahr hinein. Dann kommt der Selbstbehauptungstrieb, in dem Augenblick, in dem der kleine Mensch sich auf die Beine stellt bis durch die Kleinkindjahre hindurch. Schließlich öffnet sich das Zeitfenster der Vorbereitung auf die Identifikation mit dem eigenen Ich im Alter von fünf bis sieben Jahren. Gier wird begünstigt, wenn das Kind nicht liebessatt geworden ist und diese Erfahrung entsteht sehr früh, wie wir durch die neue Hirn- und Hormonforschung immer genauer wissen. Sie entsteht durch das biologische Sattwerden, am besten satt mit Muttermilch, nach Bedarf ersaugt. PUR: Gegen die Missachtung der Schöpfungsordnung ziehen Sie seit vierzig Jahren zu Felde. Sehen Sie aufs Ganze gesehen eine Entwicklung zum Besseren oder ist es seither noch schlimmer geworden? --Christa Meves: Die Not ist in dem Maß größer geworden, als der Bezug zu Gott verloren ging. Immer mehr Menschen sind unglücklich, weil sie mit ihren Ehen nicht zurechtkommen. Diejenigen, die nicht heiraten, kommen noch weniger miteinander zurecht. Die Generationen ab Jahrgang 1955 haben, wie seit langem absehbar, eine rückläufige Bindungsfähigkeit. Depressionen, über die nach dem Tod des Fußball-Torwarts Robert Enke so viel gesprochen wurde, sind zur Volkskrankheit geworden; meines Erachtens sind erheblich mehr Menschen depressiv als die vier Millionen, die Ärzte als solche diagnostizieren, denn oft tarnen sich Depressionen hinter Rückenleiden und sonstigen körperlichen Beschwerden. Auch die grassierende Magersucht hat stets eine depressive Komponente. Die Kindheit ist teilweise recht unerfreulich geworden, vor allem für die Jungen. Wir brauchen auch dringend eine Schulreform, die den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologie angepasst wird, die nicht versucht, Gleichheit nach dem Rasenmäher-Prinzip herzustellen, sondern die Kinder entsprechend ihrer unterschiedlichen Begabungen fördert und die einseitige Fixierung auf das Abitur beendet. Durch die wahnsinnige Gender-Ideologie ist jetzt Programm geworden, dass Frau und Mann austauschbar seien, dass es nichts spezifisch Männliches oder Weibliches gäbe. Das drängt heute Frauen wie Männer in Rollen, für die sie nicht geschaffen sind und die sie überfordern. Zu all diesen Fragen spreche ich ausführlich in dem neuen Buch, das zu meinem 85. Geburtstag erscheinen wird. PUR: Sie sagten zu Beginn unseres Gesprächs, dass Sie sich nicht als mächtig" empfinden. Doch diese Zuschreibung hat ja ihren Grund: Mit mehr als sechs Millionen verkauften Büchern allein in deutscher Sprache sind sie zur Wegbegleiterin zweier Generationen christlicher Eltern geworden, die auch gerne zu Ihren Tausenden von Vorträgen gekommen sind und immer noch kommen. Was bedeutet Ihnen diese Lesergemeinde? --Christa Meves: Wenn eine Frau auf mich zukommt, die sagt, wir haben vor dreißig Jahren angefangen, unsere Kinder nach Meves zu erziehen und hier habe ich meine Tochter gleich mitgebracht, und dann sehe ich ihre Tochter dastehen mit leuchtenden Augen und schon mit dem eigenen Kind auf dem Arm - dann fange ich vor Freude fast an zu weinen. So mithelfen zu können, dass sich Menschen nach Gottes Plan entwickeln können, das motiviert mich. Dafür fahre ich auch heute noch, das ist nicht despektierlich gemeint, ins letzte Kuhdorf. Nach wie vor wenden sich so viele Menschen an mich, kommen in meine Praxis oder fragen mich per E-Mail um Rat. Das sehe ich als meinen Auftrag an. Immer wieder schreiben mir auch Menschen: Ich bin durch Sie und Ihre Bücher zum Glauben gekommen." Das ist für mich tief beglückend. PUR: Wie sind Sie selbst gläubig geworden? Für Psychotherapeuten Ihrer Generation war das ja keinesfalls die Regel... --Christa Meves: ... um so erstaunlicher, dass es gerade die Tiefenpsychologie war, die mir den Weg in den Glauben geebnet hat. Ich bin sicher schon in der Kindheit gläubig geprägt gewesen und in einer evangelischen Familie groß geworden. Meine Mutter war eine liberale, emanzipierte Frau, eine der ersten Lehrerinnen Deutschlands, die mich sehr offen und frei erzog. Ich hatte einen sehr frommen Vater, der im Gottesdienst für meinen Geschmack zu laut sang - heute singe ich genauso laut. Aber selbst angeeignet habe ich mir den Glauben über die Ratio. PUR: Was gab den Anstoß? --Christa Meves: Die Entdeckung, dass in der Bildsprache der biblischen Geschichten viel mehr steckt als nur die Schilderung historischer Vorgänge; dass diese Geschichten über das äußere Geschehen hinaus eine Tiefenschicht enthalten, die über unseren Seelenzustand zeitlos gültige Aussagen trifft, eine gewissermaßen verborgene aber intuitiv erfassbare Wahrheit hinter der geschilderten sinnlich wahrnehmbaren Welt. Was ich in meinem Buch Die Bibel antwortet uns in Bildern" geschrieben habe, war für mich ein ganz entscheidender Einstieg. Da habe ich angefangen, die Bibel einmal wirklich durchzuforsten. Das war für mich eine ungeheuer fruchtbare Phase. Es geschah als meine Kinder klein waren, abends, nachts, gemeinsam mit meinem Mann, der mich stets unterstützt und ermutigt hat. Diese Entdeckung hat im Lauf der Jahre auch viele meine Leser davon überzeugt, dass die Bibel wirklich das Wort Gottes ist. Ich denke deshalb, dass die Tiefenpsychologie eine sehr wertvolle Hilfswissenschaft für den Glauben sein könnte, aber nur, wenn sie Hilfswissenschaft bleibt, nur, wenn sie nicht der Versuchung erliegt, einzelne Erkenntnisse absolut zu setzen, wie das Freud oder C. G. Jung getan haben. PUR: Jetzt im hohen Alter ist Ihnen noch einmal eine neue Rolle zugewachsen. Die negativen Entwicklungen, die Sie prognostiziert hatten, dringen allmählich ins Bewusstsein, neue mutige Streiterinnen wie Eva Herman treten auf den Plan, berufen sich auf Sie und suchen Ihren Rat. --Christa Meves: Ja, ich glaube wirklich, dass jetzt der Kairos, der günstige Augenblick für den Aufbruch in eine christliche Kulturrevolution gekommen ist. Jetzt ist die Zeit so weit gereift, dass wir damit wieder auf offene Ohren stoßen, die wachsenden Sorgen und Ängste bewirken das. Die SPD ist ins Wanken geraten, die vorher mithilfe der Medien eine Art geistiger Hegemonie ausübte. Die Verunsicherung der SPD verstärkt die Möglichkeit, dass sich der gesunde Menschenverstand wieder besser entfalten und artikulieren kann. Aus dem bloßen Ahnen und Fühlen, dass die Dinge nicht richtig laufen, muss sich aber jetzt eine neue Klarheit des Bewusstseins entwickeln. Im letzten Jahr habe ich sechzig Vorträge gehalten, der Bedarf ist also weiterhin da und mit der Not ist die Aufmerksamkeit wieder gewachsen, die man meinen Erfahrungen entgegenbringt. Wir müssen unsere Kinder so ins Leben geleiten, dass sie lebendig und leistungsfähig, frei und gewissenhaft, fröhlich und mit gläubiger Hoffnung durchs Leben gehen können, damit sie überhaupt Menschen werden, wie Gott sie gemeint hat. Dass das durch so viele Fehlvorstellungen über die Lebensnotwendigkeiten von Kindern mithilfe unguter gesellschaftlicher Trends verhindert wird, das nimmt mich so mit, dass ich darüber sicher bis zum letzten Atemzug aufklären und dagegen anlieben muss. Zum 85. Geburtstag von Christa Meves am 4. März erscheint im Gerhard-Hess-Verlag das Interview-Buch mit dem Journalisten Michael Ragg Es ist noch nicht zu spät! Neue Wege in eine lebenswerte Welt'. Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! Lesermeinungen
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