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| Bei Pell wurde auf Leitsatz 'In dubio pro reo' verzichtet4. März 2019 in Interview, keine Lesermeinung kath.net-Interview mit dem Theologen und Mediziner Johannes Huber, ehem. Sekretär von Kardinal König, über die kirchlichen Missbrauchsfälle, das Pell-Urteil und die Frage, wieviele Missbrauchsfälle es wirklich bei Nonnen gibt - Von Roland Noé Wien (kath.net) Johannes Huber: Man kann nur hoffen, daß es ihm nicht so geht wie dem Weizenkorn, das den Mühlstein um Verzeihung bittet und nicht merkt, daß es dabei zermalmt wird um einen Gedanken Peter Sloterdijks zu verwenden. Dass Aufklärung, Transparenz und Wiedergutmachung selbstverständlich sind, steht ausser Zweifel und hier hat sich der Papst sicher redlich bemüht. Dass aber die medizinische Differenzierung zu kurz kam, wird moniert. Denn Pädophilie, Ephebophilie (Hinneigung zu männlichen Jugendlichen) und Mißbrauch sind unterschiedliche pathologische Formen, wobei auch hier noch der Bogen von in die Augen blicken und streicheln über weitere Pathologien bis zur Penetration und zur sanquinösen Traumatisierung reicht. Das zu differenzieren wäre für eine Objektivierung der Tatbestände dienlich gewesen. Johannes Huber: Tatsächlich betrifft dieses Problem nicht nur die katholische Kirche - obwohl es hier besonders forciert dargestellt wird, sondern auch zahlreiche staatliche Institutionen, Sportvereine und private Organisationen in verschiedenen Ländern wie z. B auch in Deutschland und Großbritannien. Betroffen sind auch protestantische Gemeinschaften, was gegen die oft emotional gefärbte Vermutung spricht, daß der Zölibat die Ursache des Problems sei. In der Aufarbeitung kommt es vor allem auf die Spätfolgen an, die auch bei der Ephebophilie und der Pädophilie zu beklagen sind. Allerdings nicht nur: Wissenschaftliche Arbeiten weisen darauf hin, daß Spätfolgen von Mobbing auch unter Gleichaltrigen - furchtbarer sind als nach Mißhandlungen. (Lancet Psychiatry, 2015, 2, 524) Außerdem sollte nicht übersehen werden, wie sich Kinder und junge Menschen Darstellungen ansehen (müssen), die von Erwachsenen in unaussprechlich frauenfeindlicher, pornographischer und obszön brutalster Weise gefilmt werden und frei zugänglich sind. Auch das ist eine Form des Mißbrauches, dessen Spätfolgen noch weitgehend unbekannt sind und bei denen es möglicherweise psychopathologische Interferenzen gibt. kath.net: Kurz vor dem Missbrauchskongress wurde die These in den Raum gestellt, dass es auch zahlreiche Übergriffe an Nonnen gab. Eine Frau, die laut eigene Aussagen missbraucht wurde, verkaufte ihre Story fast täglich in Medien. Wie häufig oder selten gab es wirklich Übergriffe an Nonnen? Johannes Huber: Nach dem derzeitigen Wissenstand handelt es sich nicht um zahlreiche Übergriffe - sondern um Einzelfälle, die natürlich ebenfalls objektiv und transparent aufgearbeitet werden müssen, wofür aber jahrtausendalte Rechtsgrundsätze nicht aufgehoben werden dürfen: das audiatur et altera pars muß hier genauso gelten wie in der gesamten europäischen Rechtssprechung. Wenn der beschuldigte Priester aussagt, daß der sexuelle Kontakt einvernehmlich erfolgte, so hat das zunächst den gleichen Wahrheitsanspruch wie das Gegenteil. Wenn die ehemalige Nonne den zweiten sexuellen Kontakt ebenfalls mit einem allerdings anderen - Priester hatte, der ihr dann das gab, was ersterer nicht konnte - nämlich Ehe und Geborgenheit - dann deutet dies eher darauf hin, daß ihre ursprüngliche Entscheidung, ins Kloster einzutreten, eine falsche war. Johannes Huber: Zweifellos muß der Jetztstand aufgearbeitet, transparent gemacht und Gutmachung angeboten werden. Für die Beurteilung vergangener Jahrzehnte sollte die ordinierte Elite bei jenen Naturwissenschaftlern gedankliche Anleihen aufnehmen, die sowohl für die Biologie wie auch für das kollektive Bewußtsein einen evolutionären Prozess postulieren. Denn gerade in dieser Frage hat sich - Gottseidank die gesellschaftliche Einstellung inhaltlich und rasch geändert. Es gibt heute eine entschiedene gesellschaftliche Stimmung gegen jeden Versuch der Legitimierung und Verharmlosung von Kindesmissbrauch und Pädophilie. In den 20 Jahren nach 1968 war das noch anders. Beispiele dafür gibt es zahlreiche: z.B. 1. Der Geschäftsführer der grünen Bundestagsfraktion, Volker Beck forderte in einem Buchbeitrag 1988 die "Entkriminalsierung der Pädosexualität" 2. Jürgen Trettin trat 1981 für Straffreiheit bei gewaltfreien sexuellen Handlungen zwischen Kindern und Erwachsenen ein . 3. Christel Bookhagen et al beschrieben in dem Kursbuch 17 (1969) mit Fotographien die "Liebesspiele im Kinderzimmer Die Einschätzung zu Pädophilie und Ephebophilie hat sich also Gottseidank - in den letzten Jahrzehnten geändert - Vorwürfe, die nicht verniedlicht werden sollen, gehören - um es nochmals zu betonen - lückenlos, aber auch objektiv aufgearbeitet allerdings soll dabei auch berücksichtigt werden, daß es einen positiv zu bewertenden gesellschaftlichen Bewusstseinswandel in Sachen Kindesmissbrauch und sexuelle Belästigung von Kindern und Jugendlichen gibt. Gottseidank sieht man heute vieles anders aber dieser Entwicklungsprozess muss in Betracht gezogen werden , wenn man heute über zweifellos zu verurteilende Vorfälle früherer Zeiten zu Gericht sitzt.
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