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Der Lehrer Germaniens

4. Februar 2021 in Aktuelles, 1 Lesermeinung
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Benedikt XVI. – Licht des Glaubens: der ‚Praeceptor Germaniae’ (‚Lehrer Germaniens”), heute mancherorts fast vergessen: der Mainzer Bischof, Gelehrte und Heilige Rabanus Maurus. Grundelemente des christlichen Glaubens. Von Armin Schwibach


Rom (kath.net/as) Benedikt XVI. und die Katechesen zu den Kirchenvätern und zur frühen Kirche. Am 3. Juni  2009 setzte sich der Papst mit dem großem deutschen Heiligen Rabanus Maurus auseinander, dem „Lehrer Germaniens“. Und gerade heute scheint die Karolingerzeit aktueller denn je. 

Der Mönch Rabanus wurde 780 in Mainz geboren, im Kindesalter kam er ins Kloster Fulda, wurde dort 822 Abt und dann 847 Bischof in seiner Vaterstadt. In Mainz ist er auch im Jahr 856 gestorben. Umfassend – das war sein Merkmal.

Dies spiegelt sich in seinem reichhaltigen Schrifttum wieder, das exegetische wie pädagogische Arbeiten umfasst, Verzeichnisse von Bußen für bestimmte Sünden, die sogenannten „Poenitentiarien!, Stellungnahmen zu kirchlichen Streitfragen, Predigten und Hymnen – wahrscheinlich ist der bekannte Hymnus zum Heiligen Geist „Veni Creator Spiritus“ aus seiner Feder. Schließlich sind die „Carmina“ zu erwähnen, poetische Werke, die wohl auch im Gottesdienst zum Einsatz kamen.

Sowohl in der Verkündigung wie auch mit seiner Lyrik wollte Rabanus das Verständnis der Menschen für das Wort Gottes öffnen und vertiefen. Nach seiner Überzeugung ist beim Glaubensakt nicht nur der Verstand am Werk, sondern der ganze Mensch mit seinen Sinnen und Empfindungen.

In seinen Schriften geht es Rabanus also darum, nicht nur rationale Begriffe zu vermitteln, sondern auf künstlerische Weise Anstöße zu geben, dass der Mensch seinen Blick zum Wahren und Schönen erhebt und sich mit dem Geist, der Seele und den Sinnen dem Geheimnis unserer Erlösung zuwendet.

Benedikt XVI., Generalaudienz am 3. Juni 2009:

Heute möchte ich über ein wirklich außergewöhnliche Persönlichkeit des lateinischen Abendlandes sprechen: den Mönch Rabanus Maurus. Zusammen mit Männern wie Isidor von Sevilla, Beda Venerabilis, Ambrosius Autpertus, von denen ich bereits in früheren Katechesen gesprochen habe, verstand er es, während der Jahrhunderte des sogenannten frühen Mittelalters den Kontakt mit der großen Kultur der antiken Weisen und der christlichen Väter aufrechtzuerhalten. Rabanus Maurus, an den man sich oft als »praeceptor Germaniae« (Lehrer Germaniens) erinnert, war ein Mann von außerordentlicher geistiger Fruchtbarkeit. Mit seiner absolut außergewöhnlichen Arbeitsfähigkeit trug er vielleicht mehr als alle anderen dazu bei, jene theologische, exegetische und geistliche Kultur lebendig zu erhalten, aus der die folgenden Jahrhunderte schöpfen sollten. Auf ihn beziehen sich große Persönlichkeiten, die der Welt des Mönchtums angehören, wie Petrus Damiani, Petrus Venerabilis und Bernhard von Clairvaux, sowie auch eine immer größere Zahl von »clerici« des Weltklerus, die im Laufe des 12. und 13. Jahrhunderts eine der schönsten und fruchtbarsten Blüten des menschlichen Denkens hervorgebracht haben.


Geboren in Mainz um das Jahr 780, war Rabanus noch im frühesten Jugendalter ins Kloster eingetreten: Er erhielt den Beinamen Maurus, gerade mit Bezug auf den jungen Maurus, der nach dem »II. Buch der Dialoge« des hl. Gregor des Großen noch als Kind von seinen Eltern, römischen Adeligen, dem Abt Benedikt von Nursia anvertraut worden war. Diese frühzeitige Eingliederung des Rabanus als »puer oblatus« in die benediktinische Klosterwelt und die Früchte, die er daraus für sein menschliches, kulturelles und geistliches Wachstum gewann, würden alleine schon einen sehr interessanten erhellenden Blick auf das Leben der Mönche und der Kirche, aber auch auf die Gesellschaft seiner Zeit eröffnen, die üblicherweise als das »karolingische Zeitalter« bezeichnet wird. Über sie oder vielleicht über sich selbst schreibt Rabanus Maurus: »Es gibt einige, die das Glück hatten, von frühester Kindheit an (›a cunabulis suis‹) in die Kenntnis der Heiligen Schrift eingeführt zu werden, und sie sind so gut mit der ihnen von der Heiligen Kirche gebotenen Speise genährt worden, daß sie nach der angemessenen Erziehung zu den höchsten heiligen Weihen befördert werden können« (PL 107, col. 419 BC).

Die außerordentliche kulturelle Bildung, durch die sich Rabanus Maurus auszeichnete, machte sehr bald die Großen seiner Zeit auf ihn aufmerksam. Er wurde Berater von Fürsten. Er setzte sich dafür ein, die Einheit des Reiches zu gewährleisten, und lehnte es auf einer breiteren kulturellen Ebene niemals ab, jemandem, der sich mit einer Frage an ihn wandte, eine wohlüberlegte Antwort zu geben, die er vorzugsweise der Bibel und den Texten der Kirchenväter entnahm. Auch nachdem er zunächst zum Abt des berühmten Klosters von Fulda und dann zum Erzbischof seiner Heimatstadt Mainz gewählt worden war, unterließ er es nicht, seine Studien fortzusetzen, und bewies durch das Beispiel seines Lebens, daß man gleichzeitig den anderen zur Verfügung stehen kann, ohne sich deshalb einer angemessenen Zeit für die Reflexion, das Studium und die Betrachtung zu berauben. So war Rabanus Maurus Exeget, Philosoph, Dichter, Hirt und ein Mann Gottes. Die Diözesen Fulda, Mainz, Limburg und Breslau (heute Wroclaw) verehren ihn als Heiligen und Seligen. Seine Werke füllen gut sechs Bände der »Patrologia Latina« von Migne. Ihm verdankt man wahrscheinlich einen der schönsten und bekanntesten Hymnen der lateinischen Kirche, (den Pfingsthymnus) Veni Creator Spiritus, eine außerordentliche Synthese der christlichen Pneumatologie. Der erste theologische Versuch des Rabanus kam in der Tat in poetischer Form zum Ausdruck und hatte als Thema das Geheimnis des Heiligen Kreuzes, und zwar in einem Werk mit dem Titel De laudibus Sanctae Crucis, das so konzipiert wurde, daß es nicht nur begriffliche Inhalte, sondern auch vornehmlich künstlerische Anregungen bietet, indem es sowohl die dichterische als auch die malerische Form innerhalb desselben handgeschriebenen Kodex benützt. Während er ikonographisch zwischen den Zeilen seiner Schrift das Bild des gekreuzigten Christus vorlegt, schreibt er zum Beispiel: »Siehe, das Bild des Heilands, der mit der Haltung seiner Glieder für uns die so sehr heilbringende, süße und geliebte Gestalt des Kreuzes heiligt, damit wir im Glauben an seinen Namen und im Gehorsam gegenüber seinen Geboten dank seines Leidens das ewige Leben erlangen können. Jedes Mal, wenn wir den Blick zum Kreuz erheben, erinnern wir uns daher an den, der für uns gelitten hat, um uns der Macht der Finsternis zu entreißen, indem er den Tod auf sich nahm, um uns zu Erbe des ewigen Lebens zu machen« (Lib. 1, Fig. 1, PL 107, col. 151 C).

Diese aus dem Osten stammende Methode, alle Arten von Kunst, den Verstand, das Herz und die Sinne zu vereinen, sollte im Abendland eine enorme Entwicklung erfahren und unvergleichliche Höhepunkte in den mit Miniaturen ausgestatteten Bibelcodices und in anderen Werken des Glaubens und der Kunst erreichen, die in Europa bis zur Erfindung des Buchdrucks und darüber hinaus erblühten. Es zeigt sich auf jeden Fall in Rabanus Maurus ein außerordentliches Bewußtsein für die Notwendigkeit, in die Erfahrung des Glaubens nicht nur den Geist und das Herz, sondern auch die Sinne durch jene anderen Aspekte des ästhetischen Geschmacks und der menschlichen Sensibilität einzubeziehen, die den Menschen dazu führen, mit seinem ganzen Selbst – »Geist, Seele und Leib« – in den Genuß der Wahrheit zu gelangen. Das ist wichtig: Der Glaube ist nicht nur Denken, sondern berührt unser ganzes Sein. Da Gott leibhaftig Mensch geworden ist, in die sichtbare Welt eingetreten ist, müssen wir in allen Dimensionen unseres Seins Gott suchen und ihm begegnen. So dringt die Wirklichkeit Gottes durch den Glauben in unser Sein ein und verwandelt es. Darum hat Rabanus Maurus seine Aufmerksamkeit vor allem auf die Liturgie als Synthese aller Dimensionen unserer Wahrnehmung der Wirklichkeit konzentriert. Diese Eingebung des Rabanus Maurus macht ihn so außerordentlich aktuell. Berühmt geblieben sind von ihm auch die Carmina, die vor allem bei den liturgischen Feiern verwendet werden sollten. Denn da Rabanus vor allem ein Mönch war, war sein Interesse für die liturgische Feier ganz selbstverständlich. Er widmete sich allerdings der Dichtkunst nicht als Selbstzweck, sondern unterwarf die Kunst und jede andere Art der Erkenntnis der Vertiefung des Wortes Gottes. Er versuchte daher mit äußerstem Einsatz und Strenge, seine Zeitgenossen, vor allem aber die Amtsträger (Bischöfe, Priester und Diakone), in das Verständnis der zutiefst theologischen und geistlichen Bedeutung aller Elemente der liturgischen Feier einzuführen.

So versuchte er, die in den Riten verborgenen theologischen Bedeutungen zu verstehen und den anderen vorzulegen, wobei er aus der Bibel und aus der Überlieferung der Kirchenväter schöpfte. Er zögerte nicht, aus Aufrichtigkeit und auch, um seinen Erklärungen größeres Gewicht zu verleihen, die patristischen Quellen, denen er sein Wissen verdankte, anzugeben. Er bediente sich ihrer dennoch mit Freiheit und aufmerksamer Unterscheidung, während er die Entfaltung des patristischen Denkens weiterführte. Am Schluß der Epistula prima, die an einen »corepiscopus« der Diözese Mainz gerichtet war, fährt er zum Beispiel – nachdem er auf die Anfragen wegen Klärung bezüglich des Verhaltens bei der Ausübung der pastoralen Verantwortung geantwortet hatte – fort: »Wir haben dir das alles so geschrieben, wie wir es aus der Heiligen Schrift und aus den Canones der Väter abgeleitet haben. Du aber, heiliger Mann, triff deine Entscheidungen, wie es dir am besten scheint, Fall für Fall, indem du versuchst, deine Einschätzung so zu mäßigen, daß in allem die Mäßigung gewährleistet ist, denn sie ist die Mutter aller Tugenden« (Epistulae, I, PL 112, col. 1510 C). So erkennt man die Kontinuität des christlichen Glaubens, dessen Anfänge im Wort Gottes liegen; er ist jedoch immer lebendig, entwickelt sich und bringt sich auf neue Weise zum Ausdruck, immer in Übereinstimmung mit dem ganzen Bau, mit dem ganzen Gebäude des Glaubens.

Da das Wort Gottes integraler Bestandteil der liturgischen Feier ist, widmete sich Rabanus Maurus ihm während seines ganzen Lebens mit höchstem Einsatz. Er verfaßte wertvolle exegetische Erklärungen für fast alle biblischen Bücher des Alten und des Neuen Testaments, mit einer klaren pastoralen Absicht, die er mit Worten wie diesen rechtfertigte: »Ich habe diese Dinge geschrieben…, indem ich Erklärungen und Vorschläge vieler anderer zusammenfaßte, um dem armen Leser, dem nicht viele Bücher zur Verfügung stehen können, einen Dienst zu erweisen, aber auch, um es denen leichter zu machen, denen es in vielen Dingen nicht gelingt, tief in das Verständnis der von den Vätern entdeckten Bedeutungen vorzudringen« (Commentarium in Matthaeum praefatio, PL 107, col. 727 D). Tatsächlich schöpfte er beim Kommentieren der biblischen Texte mit vollen Händen aus den antiken Kirchenvätern, mit besonderer Vorliebe für Hieronymus, Ambrosius, Augustinus und Gregor den Großen.

Seine ausgeprägte pastorale Sensibilität führte ihn dann dazu, sich vor allem um eines der von den Gläubigen und den Klerikern am meisten verspürten Probleme seiner Zeit zu kümmern: das Problem der Buße. Er war nämlich Verfasser von »Pönitentiarien« – so nannte man sie –, in denen dem Empfinden der Epoche entsprechend Sünden und entsprechende Bußen verzeichnet wurden, wobei er so weit als möglich Motivationen benützte, die er aus der Bibel, aus den Beschlüssen der Konzilien und aus den Dekretalen der Päpste schöpfte. Dieser Texte bedienten sich auch die »Karolinger« bei ihrem Versuch einer Reform der Kirche und der Gesellschaft. Derselben pastoralen Absicht entsprachen Werke wie De disciplina ecclesiastica und De institutione clericorum, in denen Rabanus vor allem unter Bezugnahme auf Augustinus den einfachen Gläubigen und dem Klerus seiner Diözese die Grundelemente des christlichen Glaubens erklärte: Sie waren eine Art kleiner Katechismus.

 


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Lesermeinungen

 Walahfrid Strabo 4. Februar 2021 

Was würde dieser gelehrte Heilige...

...wohl zu seinem heutigen Nachfolger auf dem Mainzer Bischofssitz sagen?


4
 

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