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| Unschuldig angeklagt und verurteilt - Leseprobe 44. Juli 2021 in Buchtipp, 1 Lesermeinung Leseprobe 4 aus dem Gefängnistagebuch von George Kardinal Pell. Mit einem Vorwort von George Weigel. Linz (kath.net) Gründonnerstag, 18. April 2019
Das Gefängnis ist sicherlich nicht der beste Ort, um Ostern zu feiern. Dass ich am heutigen Gründonnerstag nicht die Chrisammesse mit den Priestern feiern kann, ist hart, und genauso hart ist es, die Abendmesse zum Gedenken an das letzte Abendmahl zu versäumen. In Sydney, in dieser prächtigen neugotischen Sandsteinkathedrale, wird die Liturgie immer sehr würdig und mit großer Ehrfurcht gefeiert, und die musikalische Gestaltung übernimmt der inzwischen offiziell beste Chor Australiens, aber eigentlich ist es nicht diese feierliche Pracht, die ich am meisten vermisse. Was mir wirklich fehlt, ist die Möglichkeit, diese zentralen Geheimnisse in meiner Gemeinde und nach den alten Riten der katholischen Kirche zu zelebrieren. Durch diese sakramentalen Feiern werden – ganz gleich in welchem Umfeld, solange sie nur ehrfürchtig begangen werden – die Ereignisse, deren wir gedenken, gegenwärtig und nehmen uns hinein in ihr Geheimnis.
Schwester Mary ist extra um 13.00 Uhr gekommen, um mir die Kommunion zu bringen und eine kleine Andacht zum Gründonnerstag zu halten, aber wir wurden an unserem Tisch im Gemeinschaftsraum dreimal gestört. Zweimal musste ich in meine Zelle zurückkehren, weil andere Häftlinge von einem Ort zum anderen gebracht wurden (wir sehen einander nie), und dann kam die Nachricht, dass (ohne mein Wissen) um 14.00 Uhr eine Videoverbindung mit dem Herzspezialisten des St-Vincent’s-Krankenhauses arrangiert worden sei, also genau zu dem Zeitpunkt, an dem ich mich mit John Clifton aus Ballarat treffen wollte. Welcher der beiden Termine wahrgenommen werden sollte, wurde ich gefragt. Ich antwortete rasch, dass das Treffen mit meinem Besucher Vorrang hätte und dass der Termin mit dem Arzt auch auf später oder einen anderen Tag verlegt werden könnte. Der Wärter gab mir bereitwillig die Information, dass John bereits unten warte, und er schlug von sich aus vor, dass ich ihn sofort sehen und danach in die Medizinische Abteilung zum Arzt gehen könnte. Da ich die Kommunion schon empfangen hatte, haben wir schnell unsere Gebete beendet und ich bin nach unten gegangen.
John Clifton war in den 1970er-Jahren ein guter Australian-Football-Spieler gewesen und ich habe ihn an der Villa-Maria-Schule gecoacht. Er stammt aus einer großen katholischen Familie mit einer streng katholischen Mutter und einem nicht katholischen, aber sehr loyalen Vater, der als Pilot im Zweiten Weltkrieg in Großbritannien im Einsatz gewesen und wie der Rest der Familie ein Anhänger des Teams aus Footscray war – der Bulldogs, wie sie inzwischen heißen. Ich hatte John seit etwa 35 Jahren nicht gesehen, aber ich konnte mich an ihn erinnern aufgrund seiner Familie und weil ich ihn als Centre-half Forward hatte spielen lassen, eine Position, die ich normalerweise mit meinem besten Mann besetzt habe. Er hat in Ballarat mit der größten Entschiedenheit für mich Partei ergriffen und öffentlich – im Radio, in der Presse und im Fernsehen – Stellung bezogen.
Anscheinend hatte der Lokalreporter der ABC in Ballarat niemanden finden können, der öffentlich für mich eintrat, als John an seine Tür klopfte und sich freiwillig meldete. Ich habe mich natürlich dafür bedankt, dass er zu mir gehalten und „seinen Kopf für mich hingehalten“ hat, und er gab zur Antwort, dass ich auch für so manche gute Sache „den Kopf hingehalten“ hätte und er dasselbe tun wollte. Er ist ein Mann mit einem sehr starken katholischen Glauben und außerdem ein sehr mutiger Mann. Ich habe ihn gefragt, wie es ihm in der Zwischenzeit ergangen sei, und mich nach einigen seiner Geschwister (ich hatte seine ältere Schwester getraut) und einigen seiner Schulfreunde erkundigt. Es war ein wunderbarer Besuch.
Ich habe meine üblichen zwei Hofgänge in Anspruch genommen. Während des einen Hofgangs hat im Bewegungsbereich neben mir, lautstark wie üblich, der Hauptschreier und -schläger vom anderen Ende des Trakts telefoniert: Es war unmöglich zu überhören, wie er seine Liebe beteuerte, drohte, jemanden zu verprügeln, Anweisungen gab, was mit irgendeinem Geldbetrag zu geschehen hätte … und das alles in vulgärer Sprache und so laut er konnte. Der traurigste Moment war der, als er seinem Freund erzählte, dass er vor lauter Stress und Angst, wie er ganz richtig erklärte, schon ein halbes Dutzend Mal eingenässt habe. Ich habe für ihn gebetet, da eine Besserung seiner Situation kaum abzusehen ist. Während ich hier sitze und dies schreibe, brüllt er wieder und schlägt gegen etwas in seiner Zelle.
Die tägliche Eucharistiefeier war das Zentrum meines priesterlichen Lebens, wie ja auch die Messe der Wesenskern jeder katholischen Gemeinde ist. Deshalb gibt es keine Gemeinden ohne Priester, selbst wenn der Priester nicht an dem betreffenden Ort wohnt oder ihn nur selten besucht. Wir verzehren die in der Wandlung konsekrierten Gaben von Brot und Wein, Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit, entsprechend dem abgewandelten Ritual des Paschamahls, das von Jesus eingesetzt wurde. Ohne groß darüber nachzudenken, hatte ich mir den Herrn lange Zeit als heiter und majestätisch vorgestellt, wie auf da Vincis „Letztem Abendmahl“ in Mailand abgebildet. Aber Jesus stand unter enormen Druck, da er wusste, was ihn erwartete, und er war tief betrübt über den Verrat eines seiner auserwählten Zwölf, als er die Eucharistie einsetzte.
2005, als ich zusammen mit den Pilgern aus Sydney zum Weltjugendtag nach Köln reiste, machte ich eine ungute Erfahrung in der Kirche am Ölberg im Heiligen Land. Ich war jeden Tag mit einer anderen Pilgergruppe unterwegs und an dem betreffenden Tag waren es Schüler eines Gymnasiums, die jeden einzelnen Hügel in Jerusalem im Galopp hinauf- und hinuntergerannt sind. Am Abend hielten wir in der Kirche in unmittelbarer Nähe des Gartens Getsemani, wo Jesus gebetet hatte, eine Anbetungsstunde, und als das Licht schwächer wurde, bin ich nicht nur einmal, sondern sogar zweimal eingenickt, weil ich wirklich erschöpft war. Und beide Male tippten mir irgendwelche bibelfesten Uni-Typen auf die Schulter und fragten: „Kannst du nicht einmal eine Stunde mit mir wachen?“
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